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Blattschuß

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SIE LAG IM GRAS WIE TOT. Man sah sie nicht einmal atmen. Mücken schwirrten umher, setzten sich auf ihr Gesicht, aber sie verzog keine Miene. Nur ein aufmerksamer Beobachter hätte die leichte Bewegung des Laufes registriert. Im langsamen Takt ihres Herzschlages wippte das Ende nur um ein, zwei Millimeter.

Sie zielte exakt auf den Punkt neben der alten Linde, wo Minuten zuvor der Schatten ihres Gegners kurz aufgetaucht war. Für den Bruchteil einer Sekunde war sein Kopf neben dem Baum erschienen. Ehe sie jedoch abdrücken konnte, war er bereits wieder in Deckung gegangen. Ihr Widersacher besaß allerdings wenig Alternativen. Er mußte diesen Weg direkt vor ihrem Schußfeld einschlagen. Links rauschte ein reißender Gebirgsbach, der mit eiskaltem Schmelzwasser kiloweise Geröll zu Tal gefördert hatte. Hier gab es kein Durchkommen.

Geradeaus, in ihrem Hauptblickfeld, existierten diverse Möglichkeiten, in Deckung zu gehen: Bäume, Büsche, ein Maisfeld, zwei Felsbrocken. Aber zwischen ihrem Versteck und diesen Tarnmöglichkeiten zog sich ein etwa zwanzig Meter breiter Wiesengürtel quer durchs Gelände. Nur wenn sich ihr Gegner rechts von ihr und ganz weit nach hinten in die Büsche schlug, hätte er ihr in den Rücken fallen können – nach einem kilometerlangen Umweg.

Sie visierte aufs neue den Punkt neben der Linde an, wo mit Sicherheit gleich sein Kopf hervorschauen würde. Wie eine Maus, die bei der geringsten Gefahr in ihr Erdloch flüchtete, aber kurz darauf wieder neugierig die Nase reckte.

Sie lag hinter einem kleinen Busch, durch dessen dornige Zweige sie die Waffe geschoben hatte. Der Lauf war unmöglich zu erkennen. Eine spezielle Beschichtung verhinderte, daß er in der Sonne reflektierte.

Auf einmal erschien der Schatten. Die neugierige Maus verließ ihr Loch. Zuerst tauchte der Kopf auf, dann der ganze Kerl. Hektisch bestrich der Lauf den niedrigen Wiesengürtel. Gebückt trat ihr Widersacher ganz hervor, stets schußbereit. Sie ließ sich Zeit. Die Maus saß in der Falle.

Mit offenen Augen senkte sie per Atemtechnik ihren Puls, damit der Herzschlag den Schuß nicht ablenkte. Ihr Gegner schlich in gebückter Haltung direkt auf sie zu. Sobald sein Körper sich aufrichtete, gäbe er das perfekte Ziel ab. Dann würde sie todsicher einen Blattschuß landen.

Sie preßte die Zieleinrichtung an die Backe, atmete weiterhin tief ein und aus, konzentrierte sich auf ihre Herzfrequenz und folgte dem Gegner mit ihrem Lauf. Immer noch gebückt, schritt er direkt auf sie zu. Noch zehn Meter. Perfekte Distanz. Er richtete sich auf, schaute sich suchend um. Sie drückte ab. Im selben Moment breitete sich ein roter Fleck auf seiner linken Brustseite aus. Verdutzt um sich schauend, als wollte er fragen, warum erst jetzt, faßte er sich an die Brust, betrachtete die roten Finger, schüttelte den Kopf und fiel bäuchlings ins Gras. Da war es nur noch eins. Ein kleines Negerlein …

Banker an den Galgen!

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