Читать книгу Banker an den Galgen! - N. MarVol - Страница 8
Treffsicher
ОглавлениеDAS EINFAMILIENHAUS STAND AM RANDE EINES SCHMUCKEN WOHNQUARTIERS im Stuttgarter Vorort Schmiden. Nichts deutete darauf hin, daß hinter den weißen, unschuldigen Mauern alle nur denkbaren dunklen Obsessionen erfüllt wurden.
Thorsten Wollner hatte sich für die S-Bahn entschieden, war an der Station Sommerrain ausgestiegen und die letzten paar Kilometer gelaufen, um nachzudenken. Ein schwerer Gang, den ihm sein Schwiegervater aufgebürdet hatte. Der General, wie ihn alle nannten, hatte Wollner überzeugt. Nachdem der General so unvermittelt in ihr Spielchen geplatzt war, hatte Wollner sich ein weiteres Mal mit der grauen Eminenz an einem abgeschiedenen Ort getroffen. Sein Schwiegervater und ehemaliger BND-Abteilungsleiter hatte Material vorgelegt, aus dem hervorging, daß sich im innersten Zirkel von Deutschland etwas zusammenbraute.
Als Kommissar im LKA Baden-Württemberg und Leiter einer nach 9/11 ins Leben gerufenen speziellen Terrorfahndungseinheit in der Abteilung 5 »Staatsschutz« wurde Wollner auf einen Schlag klar, daß die Krise ein völlig neues Gefahrenpotential geboren hatte: den wütenden Mob.
Und diesen gab es in der traurigen Geschichte Deutschlands bereits öfters. Das letzte Mal waren die Juden schuld gewesen, denen man die handwerklichen Berufe per Dekret verboten hatte. Als sie daraufhin mit Handel und Geld erfolgreich Geschäfte betrieben, wurden sie an den Pranger gestellt. Heute sind es die Banker und Manager – wieder der Finanzsektor. Welch bizarre Wiederholung der Geschichte!
Deutschland besaß ein Hinterhofproblem. Die Geschädigten wollten Blut in den obersten Rängen sehen und sich nicht mit ein paar Bauernopfern zufriedengeben.
»Millionen stehen ohne Job auf der Straße. 7,4 Millionen nach den neuesten Zahlen. 7,4 Millionen Einzelschicksale, um die sich der Staat einen Dreck schert. Stattdessen blasen sie den Banken weiter Puderzucker in den Arsch.« Der General war außer sich gewesen. »Diese 7,4 Millionen Menschen sind keine Penner, das ist kein arbeitsscheues Gesindel, das sind die Gestrandeten der größten Wirtschaftskatastrophe der Nachkriegszeit. Wenn heute einer dem Volk das gibt, wonach es lauthals schreit, nämlich Rache, dann hat er leichtes Spiel. Und im Gegensatz zum elften September müssen keine Schläfer geweckt oder Fanatiker an Steuerknüppeln in Flugzeugen ausgebildet werden.
Das menschliche Kapital steht frei zur Verfügung auf der Straße: arbeitslose Piloten, Militärangehörige, Fachkräfte, Ingenieure, Mediziner, Krankenschwestern, Fabrikarbeiter zuhauf. Und die Hinweise verdichten sich, daß sich jemand dieser Leute angenommen hat. Er arbeitet ganz traditionell als Kopf einer lose verknüpften Organisation. Mit internationalen Verbindungen, die nur darauf warten loszuschlagen. Keine autarken Zellen, keine Islamisten, keine Terroristen im eigentlichen Sinne, sondern das ganz normale Volk schreit nach Rache. Wir haben die Falschen im Fokus, und – noch schlimmer – wir haben keine Fahndungsgruppe, die sich darauf spezialisiert hat. Du bist der einzige, der eine Truppe hat, die wir umfunktionieren können.«
»Heinz-Günther, ich bitte dich, wir haben einen klaren Auftrag von der Regierung.«
»Die Regierung hat keine Ahnung, welches Desaster auf uns zurast. Wenn …«
»Ja, ja – wenn, wenn, wenn. Das ist doch immer das gleiche.«
»Dieses Mal nicht, Thorsten.«
»Klar, dieses Mal nicht«, meinte er zynisch zu den periodischen Alarmmeldungen aller Geheimdienste.
»Verdammt, vertraust du einem alten Hasen und seinem Gespür oder nicht?«
»Also, was hast du?«
»Offiziell nichts.«
»Natürlich. Das wäre ja das erste Mal, daß sich der BND offiziell äußert.«
»Hörst du mir jetzt zu oder willst du olle Kamellen aufwärmen? Wir haben so gut wie nichts, nicht einmal einen Namen – nur den Spitznamen: der Genosse. Er hat eine sektenartige, halbmilitante Gruppe um sich versammelt. Die Anzeichen für einen Anschlag sind alarmierend.«
»Wo ist seine Operationsbasis? Wie soll dieser Anschlag aussehen? Über wie viele Anhänger reden wir?«
»Wir wissen es nicht. Du weißt genau, daß dies gar nicht in den Zuständigkeitsbereich des BND fällt und ich ohnehin a. D. bin.«
Thorsten seufzte.
»Dir fällt nicht zufällig die Decke auf den Kopf – dir und den anderen Ehemaligen?«
»Was soll das heißen? Meinst du, wir reimen uns hier eine Räuberpistole zusammen, weil wir nicht mehr im aktiven Dienst stehen? Ich komme mir vor wie ein Prediger in der Wüste. Unter den Blinden ist der Einäugige der König. Und ihr seid alle blind. Wenn du nicht nachforschen willst, bitte. Dann versuche ich es eben bei Leuten, die auf dieses Thema sensibler zu sprechen sind.«
Thorsten graute es davor, daß sein Schwiegervater überall die Pferde scheu machen würde.
»Also gut, gib mir deine Nachforschungen, und ich sehe, was ich machen kann.«
Der General war vorerst zufrieden gewesen. Seine neuesten Recherchen hatten sich als äußerst brisant erwiesen. Hundert verendete Haustiere, die an einem hochtoxischen Gift eingegangen waren und nicht wie üblich eingeschläfert wurden. Personen, die nach ihrer Entlassung am Arbeitsplatz urplötzlich spurlos verschwunden waren. Davor der Versuch, in ein Wasserwerk einzudringen, das mit modernster Einbruchmeldetechnik ausgestattet war. Anschläge auf Umspannstationen, Schmierereien an Bankgebäuden, Terrordrohungen, Trittbrettfahrer, konspirative Treffen, verschwundene Waffen aus Bundeswehrdepots, Rekrutierungsmethoden: alles, was sich als halbwegs verdächtig herausstellte, hatte der General gehortet.
Jedes Teil für sich alleine betrachtet nichts Weltbewegendes, aber zusammengesetzt ein hochexplosives Gemisch. Ein Foto vom Anführer, dem »Genossen«, der angeblich an der Spitze einer ultramilitanten Gruppe mit Sektencharakter stand. Hinzu kamen die üblichen Spekulationen, unzulässig abgehörte Telefonate, Fotos, Notizen. Mit viel Phantasie steckte hinter dem Material ein Terroranschlag.
Wären nicht die hundert verendeten Tiere in dem alten Keller des unbenutzten Institutes für Mikrobiologie gewesen, hätte er den ganzen Mist am liebsten in den Mülleimer geworfen. Die gleiche Substanz, mit der man die Tiere vergiftet hatte, war in einigen Krankenhäusern und Forschungslabors spurlos verschwunden – und das nicht nur in Deutschland. In der Schweiz, Österreich, England, Luxemburg, Liechtenstein und sogar den USA existierte ebenfalls eine Häufung von Ungereimtheiten. Exakt die Länder, denen man per se die Schuld an der Krise gab und in denen die Banker in abgeriegelten und streng bewachten Wohnquartieren fürstlich residierten – zusammen mit den Politikern und Industriemanagern. Das Rückgrat der Krisenwirtschaft, das »rat pack«, hatte sich eingeigelt wie bei einem Atomkrieg und den Sicherheitskräften die Drecksarbeit überlassen.
Je länger Wollner darüber nachdachte, desto mehr war er überzeugt, daß der General mit seinem Gespür richtig lag. Diese Zufallshäufungen gaben ihm zu denken. Hier braute sich etwas zusammen, von dem Regierungen, Polizeiorganisationen und Geheimdienste keine Ahnung hatten, weil sie den Feind am völlig falschen Ort vermuteten. Denn der Feind im Inneren stellte eine viel größere Gefahr dar als jeder Terrorist, weil er durch kein Merkmal auffiel. Er war arbeitslos und frustriert, also kamen Millionen von Menschen in Frage. Und selbst dies war kein eindeutiges Zeichen. Die Welle der Verärgerten und Frustrierten hatte sogar die erfaßt, die noch Arbeit besaßen. Die Krise forderte Tribut, Vendetta, Blutrache. Fraß ihre Kinder.
Thorsten Wollner steckte den dünnen Umschlag der Akte Genosse in die Innentasche seines Jacketts und klingelte an der unscheinbaren Haustür. »R. Franeck« – ein Name wie jeder andere auch. »R« stand für Rafaela, wobei ihre Kollegen sie früher nur Rafi nannten. Rafaela war eine Ehemalige, die beste Kommissarin und Ermittlerin, die er je gehabt hatte – bis zu dem unglücklichen Ereignis, als sie bei einem Einsatz aus Versehen einen Kollegen erschossen hatte. Sie hatte auf der Stelle gekündigt und sich zurückgezogen. Ein schwerer Schlag für das LKA und speziell für ihn. Rafi und er waren vor seiner Hochzeit mit Lea ein Paar gewesen – ein SM-Paar, wie man es landläufig nannte. Kein Coming-out, aber jeder wußte Bescheid. Selbst Lea hatte es später erfahren. Deshalb hatte sie ihm jeden Umgang mit ihr verboten, sonst ließ sie sich scheiden. Nun hatte er die Wahl zwischen Pest und Cholera: sein Schwiegervater oder seine Frau.
Der Türöffner summte, und Wollner trat ein. Ein leichtbekleidetes Mädchen in Lack und Nylon empfing ihn hinter einem kleinen, mit rotem Leder bespannten Tresen. Rafi verdiente ihren Lebensunterhalt als Privatdomina. Sie hatte ihre Passion zum Beruf gemacht.
»Ich bin Thorsten Wollner, und ich muß zu Rafaela«, stellte er kurz und bündig sein Anliegen vor.
»Sicher, Thorsten, deswegen bist du ja gekommen. Bist du das erste Mal hier?« säuselte die Zofe.
»Ich komme nicht wegen … Ich kenne Rafi persönlich. Mein Besuch ist rein dienstlich. Ich bin Kommissar im LKA.«
Sie nickte lächelnd und schaute dabei auf den Monitor ihres PCs.
»In einer halben Stunde. Ginge das bei dir?«
Er nickte.
»Und du kennst ja die Spielregeln? Spezielle Rollenspiele – zum Beispiel Kommissar – kosten Aufpreis.«
Er schluckte eine Erwiderung hinunter.
»Ja, ich weiß. Wenn Sie bitte Rafi sagen würden, daß ich sie sprechen muß. Dringend.«
»Aber sicher doch, Thorsten. Du kannst hier im Nebenzimmer warten. Keine Angst, die Scheibe ist innen verspiegelt und schalldicht. Vielleicht gefällt dir das, was du siehst.«
Thorsten gab es auf, ihr zu erklären, daß er kein Kunde von Madame sei. Aber was sollte die Zofe sonst von ihm denken? Das schüttere graublonde Haar, die unverkennbaren Spuren zahlloser opulenter Abendessen, der feine Anzug, die Tränensäcke – er gab das perfekte Bild des solventen und wohlgenährten Kunden ab.
Er bat die Zofe um ein Glas Wasser und ging in das Nebenzimmer. Es roch intensiv nach Desinfektionsmittel und schwach nach Leder. Der Raum bot eine zusätzliche Einnahmequelle. Einigen Kunden reichte es völlig aus, beim Anblick einer SM-Session zu masturbieren. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Er machte es sich auf dem Ledersofa bequem und schaute dem Treiben hinter der Scheibe zu. Ein Mann, kniend, mit gespreizten Beinen, die Hände senkrecht nach oben gezogen, den Kopf und Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, ließ sich in die Handfesseln fallen. Rafi stand hinter ihm und zog eine Bullenpeitsche wie ein Lasso ein. Nur einige Kerzen beleuchteten den Raum. Als sich seine Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten, erkannte Thorsten, daß der Mann auf zwei kleinen, mit Leder bespannten und etwa hüfthohen Klötzen kniete. Vor dem Kunden stand eine weitere Domina und zog einen Flogger zwischen den Schritt des Mannes. Dort baumelte ein Backstein an seinen abgebundenen Hoden. Double trouble hieß die Nummer, die gerne gebucht wurde, um die infernalische Schmerzpassion bis zum letzten Tropfen auszukosten.
Seit der Krise bestand die Kundschaft beinahe ausschließlich aus Brokern und Bankern, die sechzig, siebzig Stunden die Woche durchackerten, spekulierten und der potentiellen Klientel traumhafte Renditen vorgaukelten, um anschließend im Dominastudio bei Peinigungen und Beleidigungen auszuspannen. Sie schliefen im Büro, ihre Freizeit fand entweder über Mittag oder tief in der Nacht statt: Golf spielen, Joggen, Schönheitssalon, Dominastudio. Die Krise trieb seltsame Blüten, aber zumindest profitierte ein Teil des Fußvolks von den fetten Boni, die so zurück in den Wirtschaftskreislauf flossen.
Rafi und ihre Kollegin waren ein eingespieltes Team. Im Wechsel knallte die Bullenpeitsche auf das Kreuz, und der Flogger fegte zwischen die Schenkel. Der Mann wand sich in den Fesseln und schien laut zu brüllen. Zumindest bewegte sich sein Mund spontan und ruckartig.
Den Rücken zeichneten zahllose breite Striemen, aber kein Tröpfchen Blut. Rafi, die Perfektionistin. Ihre Kollegin befestigte mit hämischen Grinsen Wäscheklammern in Form eines großen Vs an dem Kunden. Beginnend an der rechten Brustwarze, hinunter bis zum Schwanz und wieder hoch zum linken Nippel. Jeden Zentimeter eine Klammer. Mit einer kleinen Gerte schlug sie völlig willkürlich gegen die Klammern, rauf und runter, als spiele sie ein Instrument. Die Wäscheklammern wackelten, ohne sich zu lösen. Rafi ließ dabei unablässig die Bullenpeitsche auf ihr Opfer fallen. Alleine die Schwerkraft reichte aus, um bestialische Qualen zu erzeugen.
Vorne spritzten die Klammern weg, eine nach der anderen, und die Bullenpeitsche fraß sich ohne Unterlaß ins Fleisch.
Als alle Klammern am Boden lagen, ließen die beiden Herrinnen von dem Mann ab, lösten die Fesseln und den Backstein und führten ihn zu einem Strafbock. Der Länge nach abgebeugt, die Füße gespreizt an die Beine des Bocks gebunden, zerrten die beiden Frauen seine Arme weit nach vorne und befestigten sie mit breiten Ledermanschetten am Bock. Dann zogen beide Umschnalldildos über ihre engen Lederhosen und fickten den Kerl von vorne und hinten gleichzeitig durch.
Rafi krallte sich mit ihren langen, schwarzlackierten Nägeln in das Fleisch des Kunden und zog ihn durch wie ein Mann, der eine Frau fickte. Kräftige, harte Stöße, rammeln, ein paar Klapse wie bei einem Pferd, dann wieder langsam und genußvolles Durchziehen. Ihre vollen Brüste wackelten im Leder-BH bei jedem Stoß.
Rafis Kollegin ließ den Sklaven zu Anfang etwas lutschen und blasen. Nun fickte auch sie den Mund im gleichen Rhythmus wie Rafi seinen Arsch. Mal schnelle, harte Stöße, dann wieder gemächlich, den ganzen Gummischwanz rein und raus. Sie arbeiteten wie Synchronschwimmerinnen, ein perfekt eingespieltes Team.
In Thorsten erwachten bekannte Gefühle. In seiner Fantasie spürte er den Druck, den ein Dildo auf den Schließmuskel ausübte, an ihm entlangglitt, ihn hinten ausfüllte. Unbewußt öffnete sich sein Mund, um den zweiten imaginären Schwanz zu empfangen. Wilde, devote Fantasien bauschten sich auf wie Gewitterwolken. Wie gerne hätte er mit dem Klienten getauscht!
Nach einigen Minuten unterbrachen die beiden Herrinnen den gleichmäßigen Doppelfick, und Rafi stellte zwei Stühle nebeneinander hinter ihren Kunden. Sie kletterte auf sie, stützte sich auf seinem Rücken ab und rammelte ihn durch wie ein Tier, von oben nach unten.
Die andere Domina hielt in jeder Hand eine dicke Kerze und kippte sie langsam und genüsslich über die roten Striemen der Bullenpeitsche. Gleichzeitig bearbeitete sie seinen Mund mit dem Umschnalldildo. Mit schnellen Stößen pflügte der schwarze Gummischwanz durch die Lippen. Weiteres Kerzenwachs floß über den Rücken, bis es erkaltete. Das perfekte und berauschende Doppelspiel.
Thorstens devote Ader begann zu brodeln, immer stärker wünschte er sich an die Stelle des Kunden. Rafis schlanker Körper, die vollen Brüste, der Knackpo in der engen Lederhose, die schulterlangen, feuerroten Haare erregten ihn, brachten alte Gefühle in Wallung. Ihre Figur war nach wie vor göttlich, trotz ihrer 42 Lenze. Was war in ihrer gemeinsamen Vergangenheit nur schiefgegangen? Gab es eine perfektere Frau mit einer solch tiefschwarzen Seele?
Rafi hatte zur Reitpeitsche gegriffen und traktierte den fleischigen Hintern ihres Opfers. Thorsten schätzte den Mann mit den akkurat geschnittenen dunkelbraunen Haaren und dem Hang zum Übergewicht auf Mitte Vierzig. Man sah ihm die reichhaltigen Geschäftsessen mit den Klienten an. Die üblichen teuren und edlen Tropfen steuerten den Rest bei. Er war ganz offensichtlich einer der Menschen, die nach Erfolg, schnellem Reichtum und damit einhergehender Anerkennung gierten.
Der Mann gehörte zu den herangezüchteten Arbeitsrobotern, die stets der dicken Boni-Mohrrübe nachjagten. Bald würde die Maschine den ersten Kolbenfresser haben, und der Körper mußte in die Totalrevision. Outburned, abgewrackt – Outplacement. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte man die Schäfchen im Trockenen haben, denn es gab keinen Weg zurück. Das System hatte in der Zwischenzeit neues, gieriges Jungvolk herangezüchtet, das den eigenen Platz mit Handkuß einnahm. Ein wahnsinniger Kreislauf der Selbstzerstörung. Geld verdarb nicht nur den Charakter, die Jagd danach glich einem Selbstmord auf Raten.
Die Reitgerte prasselte erbarmungslos auf den knallroten Hintern des Mannes. Rafi wechselte alle zehn Schläge die Seite, stand mal rechts, mal links von ihm, damit ja kein Hautstückchen verschont blieb. Ihre Kollegin peitschte das erkaltete Wachs mit dem Flogger ab. Hiebe von vorne und hinten. Ein todsicheres Mittel, um völlig abzudriften und den brutalen Alltag für eine gewisse Zeit vollkommen zu vergessen. Abschalten, den Zähler komplett auf Null setzen. Bei einer solch rabiaten Behandlung grub sich der Schmerz tief in die letzten Windungen des Kopfes ein und ließ einen alles vergessen. Es existierten nur noch der Schmerz und das Schweben – und das Verlangen nach mehr Schmerz und noch tieferem Abdriften. Im Grunde genommen könnte man SM als legale Droge bezeichnen.
Die beiden Dominas befestigten Stromklemmen an den Nippeln und Eiern. Die Peinigung des ganzen Körpers wurde fortgesetzt. Die Reizstromimpulse würden die harten Schläge qualvoll intensivieren. Steigerte man diese Pulse bis zum Pochen und erhöhte man die Frequenz, ging das Klopfen in ein Brennen über. Die Klemmen frassen sich brennend ins Fleisch, ohne Spuren zu hinterlassen.
Rafi zog dem Mann eine schwarze Latexmaske über, die einen transparenten Atembeutel mit einem kleinen Loch besass. Sauerstoffentzug, gepaart mit pulsierenden Stromstößen und den stetigen Schlägen zweier Dominas würden den Mann in ein nie gekanntes Schmerzuniversum katapultieren.
Rafi bezog rechts hinter dem Mann Position und schlug mit der Reitgerte zu. Die Kollegin drehte an den Reglern der TENS-Geräte und ließ die Nippel glühen. Das rhythmische, langsame Pulsen der Leuchtdioden ging zügig in ein Flackern über. Wachs stob durch die Luft, der Atembeutel der Maske blähte sich auf und fiel danach behäbig zusammen. Seinem gleichmässigen Atmen zufolge schien der Kerl einiges gewohnt zu sein.
Rafi bemerkte die Leidensfähigkeit des Kunden und deutete ihrer Partnerin einen Stellungswechsel an. Mit wenigen Handgriffen wurde der robuste Sklave zu einer Liege geführt, die mit knallrotem Lackstoff bespannt war. In jeder Ecke befand sich ein schwerer Metallring, um die Arme und Beine daran zu befestigen. An der Seite liefen rundherum schwere Eisenhaken. Auf dem Rücken liegend fesselten sie seinen Oberkörper fest an die Liege. In Sekunden spannen beide Dominas den Mann mit einem langen Seil bis zur Bewegungsunfähigkeit ein.
Mit hochgezogenen Füßen präsentierte sich sein Hinterteil schutzlos. Die Arme waren seitlich neben dem Kopf in den schweren Ösen fixiert. In Windeseile saßen die Stromklammern wieder an den Nippeln, und Rafi klemmte noch weitere Elektrodenpaare auf den Schwanz und direkt auf den Damm.
Der Atembeutel hob und senkte sich gleichmäßig. Die letzte Pause vor dem großen Finale. Rafi entledigte sich ihrer Hose und setzte die blanke Spalte auf dem Atembeutel ab. Niemals würde sie einem ihrer Kunden erlauben, sie direkt zu schmecken. Ihre Gemeinheit bestand aus zwei Zehnteln Latex. Eine hauchdünne Schicht Gummi, die den Sklaven von ihrer nassen Muschi trennte. Das kleine Atemloch stellte eine zusätzliche Qual da. Es war ihm vergönnt, sie zu riechen, aber lecken konnte er sie nicht.
Rafi verwirklichte den dunklen Traum aller devoten Männer. Sie war definitiv naturdominant, liebte ihre eigene innere Boshaftigkeit und kostete sie bei jedem ihrer Spiele bis zum letzten Tropfen aus. Thorsten wußte dies zur Genüge und fragte sich im Anblick der Double Trouble-Session hinter der Scheibe, ob er nicht den Fehler seines Lebens begangen hatte. Er hätte sie nicht verlassen sollen.
Unbewußt faßte er sich durch die Hosentasche an den Schwanz. Er war hart, naß, und Thorsten wollte genau in diesem Moment auf dieser Liege liegen, direkt unter Rafis nasser Muschi, die sich langsam senkte und das kleine Luftloch in der Maske versiegelte.
Unter den Hieben der Tawse mit dem braunen Holzgriff färbte sich der Bauch des Mannes in Sekunden rot, als hätte er Sonnenbrand. Die beiden Herrinnen hatten getauscht. Rafi nahm sich während des Facesittings des Oberkörpers des Kunden an, ihre Partnerin knöpfte sich seinen Arsch vor. Die Stromgeräte schickten ihre heftigen Pulse durch seinen Körper. Rafi drehte die Nippelregler voll auf, und das Opfer wand sich in dem fest gespannten Seilnetz, aus dem es kein Entrinnen gab. Auf den Armen ihres Kunden kniend, hob Rafi kurz das Becken an, und der transparente Beutel blähte sich hektisch. Sekunden später setzte sie sich wieder, und der Sklave bekam keine Luft mehr.
Ihre Kollegin drehte die Frequenz der Stromstösse an Damm und Schwanz auf langsame Pulse und dann zügig die Stärke auf das Maximum. Alle zwei Sekunden zuckte ein heftiger Stromschlag durch den Unterleib. Um ein Vielfaches schneller prasselte der lederüberzogene Rohrstock auf die exponierte Kehrseite. Der Kunde strampelte mit den hochgezogenen Beinen, riß an den Armfesseln, ohne daß die beiden Peinigerinnen Erbarmen zeigten. Unter den anhaltenden Schlägen der bösen Tawse erlaubte Rafi ihrem Opfer in unregelmäßigen Abständen, durch das kleine Maskenloch zu atmen.
Wie auf ein geheimes Zeichen hin betrat eine Zofe den Raum, umfaßte den Schwanz und gab dem Mann, wofür er eine Stunde unter der Gewalt der beiden gnadenlosen Herrinnen gelitten hatte. Keine der beiden Frauen würde sich an einem Sklaven die Hände schmutzig machen, gut zahlender Kunde hin oder her.
Rafi entledigte sich des Oberteils, schmiß es auf den Boden und überließ den Rest ihren Angestellten. Thorsten hatte nur Augen für ihren wogenden Busen, an dem noch alles echt war. Er seufzte schwer. Es war ein Fehler gewesen, Lea zu heiraten. Er hätte doch bei Rafi bleiben sollen.
Die Tür des Spannerzimmers flog auf.
»Was willst du?« fragte Rafaela mit saurer Miene. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und starke Sorgenfalten gruben sich in ihr verhärmtes Gesicht.
»Bitte, Rafi« – Wollner nickte an ihr vorbei ins Vorzimmer – »können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
Sie drehte sich um und stolzierte auf hohen Lederstiefeln und in einen Bademantel gehüllt zu einem freien Zimmer.
»Weiß Lea, daß du hier bist?« fragte sie.
»Ja. Der General meinte …«
»Ach, der alte Haudegen lebt also immer noch. Soll Jamie Bondi wieder mal die Welt retten?«
»Du warst nicht nur die Beste deines Jahrgangs, sondern die beste Ermittlerin im operativen Dienst, die wir je hatten. Das hat sich herumgesprochen.«
»Ja, leider«, lachte sie sarkastisch auf »Und? Geht es dir gut? Euch gut? Was macht Lea?«
»Rafi – bitte!«
»Du bist ein elendiges verlogenes Schwein, Thorsten. Das mit uns beiden hätte wirklich etwas werden können. Du hattest echt noch Ideale. Damals. Aber dann hast du dieses brave Hausmütterchen von Lea geheiratet, damit dich ihr Vater die LKA-Karriereleiter hochhievte.«
»Du vergißt, daß ich Lea liebe.«
»Ha! Das hast du mir damals ebenfalls geschworen, mehr als einmal. Weißt du noch?«
Thorsten schwieg betroffen. Sie hatte recht. In allen Punkten der Anklage. Und psychologisch war sie ihm ohnehin überlegen. Geiselnahme, Entführung, Verhöre – sie war in allen Gesprächstaktiken geschult worden. Irgendwelche Tricks würden bei ihr nicht verfangen, und er war ohnehin längst zum Schreibtischtäter mutiert. Weitab von der Front steckte er seit langem im Verwaltungsdickicht fest.
»Willst du etwas trinken?« Rafi schlug einen versöhnlichen Ton an.
»Ein Kaffee wäre nicht schlecht.«
»Schwarz mit viel Zucker?«
»Hm.«
»Du hast dich kaum verändert. Nur ein bißchen zugenommen.«
»Sport ist Mord.«
»Schreibtischarbeit ist Mord.«
Sie öffnete eine verdeckte Tür und erschien kurz darauf mit zwei Tassen Kaffee.
»Thorsten, wenn du mich zurück in den aktiven Dienst holen willst, bist du vergebens gekommen. Du kennst meine Antwort.«
Er nickte. Es war kein Bußgang nach Canossa, den ihm der General aufgebürdet hatte, es war eine Mission Impossible. Verglichen mit den Ochsentouren durch die LKA-Verwaltungsmühlen, hoffte er bei Rafi auf eine angenehmere Unterhaltung. Es blieb bei der stillen Hoffnung, Rafi zeigte sich unerbittlich.
»Schau, Rafaela, das mit Joachim war ein Versehen gewesen. Das hat die interne Untersuchung ergeben, und alle Beteiligten haben unisono bestätigt, daß dich keine Schuld trifft. Joachim ist ein Hitzkopf gewesen. Anstatt vor dem Zugriff zu verschwinden, hatte er den Helden spielen wollen. Er zog eine Waffe, er war nicht als Polizist zu erkennen, und es war dunkel. Was hättest du machen sollen? Du bist unschuldig.«
Rafi schoß aus ihrem Stuhl hoch.
»Ich habe ihn erschossen, Thorsten. Ich!« Sie tippte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihre Brust. »Bei einem Einsatz. Ich habe ihm eine Kugel in den Körper gejagt, und er ist in meinen Armen gestorben. Und du erzählst mir was von Unschuld. Ich habe abgedrückt. Ich, verdammt, ich und sonst niemand. Wer zur Hölle soll denn sonst schuld sein? Ich habe Albträume, ich träume von Jogi und daß er lebt, ich wache nachts schweißgebadet auf. Es fehlt nicht viel, und ich würde Jogi freiwillig folgen.«
»Gehst du noch …?«
»Zu diesem Polizeipsycho? Der macht Jogi auch nicht wieder lebendig.«
»Aber er kann dir helfen. Vieles kann man heute therapieren. Du mußt Geduld haben.«
Er stand auf und wollte sie in den Arm nehmen, sie trösten, ihr Halt geben. Mit einer schnellen Bewegung riß sie seine Waffe aus dem Holster. Die Arme angewinkelt, legte sie an und entleerte das Magazin in wenigen Sekunden. Die Schüsse hallten wie vorwurfsvolle Donnerschläge in seinem Kopf. Tot-tot-tot. Jo-gi-ist-tot.
»Das hier, schau genau hin, Thorsten! Das hier kannst du nicht wegtherapieren.« Sie warf ihm die Pistole zu und funkelte ihn an. »Das bleibt für die Ewigkeit. Ich lange in meinem ganzen Leben keine Waffe mehr an. Hörst du? Nie wieder! Das bin ich Jogi schuldig.«
Im Türrahmen erschienen die aufgeregten Mitarbeiter von Rafi.
»Alles in Ordnung, Leute, geht zurück an eure Plätze. Der Herr hier wollte gerade gehen«, rief sie ihren Angestellten zu.
Unter lautem Gemurmel verschwand die Meute. Die Empfangsdame schüttelte den Kopf, als hätte sie schon immer gewußt, daß mit ihm etwas nicht stimmte.
»Du weißt, wo es rausgeht. Grüß mir Lea und sag ihr, daß nichts gelaufen ist. Soll ich dir eine Entschuldigung schreiben, daß ich kein Sadomaso-Zeugs mit dir gemacht habe? Sie macht sich sicher Sorgen.« Ihr Sarkasmus sprühte. »Und sag dem General, er soll sich jemand anderen suchen, der Deutschland oder die Welt vor dem Untergang rettet. Wir sind schon hundertmal gesprungen, wenn BND, BKA, FBI, CIA, MI5, der Mossad und sonstwer seine Verschwörungstheorien hervorgebracht hatte. Am Schluß geht es doch nur darum, den Etat zu erhöhen. Die hohen Herren haben Angst um ihre großzügigen Pensionen. Stimmt’s? Krise heißt Etatkürzung, heißt keine Pfründe mehr für die alte Garde. Etwas Panikmache, und Väterchen Staat dreht den Geldhahn für die innere Sicherheit auf. Das uralte Spiel um Macht, Panik und Finanzen.«
»Sei nicht so zynisch, Rafi. Ich glaube, dieses Mal ist es wirklich ernst. Willst du dir denn nicht wenigstens anhören, was wir wissen? Du bist doch Polizistin mit Leib und Seele. Das hier« – er ließ den Blick durch den Raum schweifen – »das ist doch nichts für dich.«
»Oh, hört, hört. Als wir noch zusammen waren, klang das aber ganz anders. Schlag mich, mach mich fertig, führ mich an meine Grenzen … mehr … noch mehr … gib’s mir!«
»Ja, mag sein, das war früher. Aber heute sind wir älter … reifer.«
»Ach du Schande, bist du spießig geworden. Weilst wohl schon zu lange im Dunstkreis des Establishments, was? Du meinst, solche bizarren Neigungen verwachsen sich mit dem Alter? Wie Babyspeck? Es können nicht viele behaupten, daß sie ihre innersten dunklen Abgründe zum lukrativen Beruf gemacht haben – und das in Zeiten der Krise.«
»Du bist durch und durch Polizistin, eine von uns, Rafi. Du gehörst zu den Besten – und außerdem … brauchst du jemanden an deiner Seite.«
»Was Männer angeht, kann ich mich nicht beklagen. Ich besitze genug Kerle, die alles machen, was ich von ihnen verlange. Was will Frau mehr? Kein Partner würde so gut spuren wie meine Sklaven. Und noch mal: Ich gehe nie wieder in den aktiven Dienst zurück, und wenn der General, das LKA und der BND noch so heulen.«
Er hob resignierend die Schultern. »Gut, soll in Zukunft keiner sagen, ich hätte es nicht probiert. Und Rafi …«
»Ja?«
»Du weißt, wie ich das mit dem Mann gemeint habe. Ich würde mir wünschen, du hättest einen Fels in der Brandung.«
»Ich hatte mal einen, Thorsten.« Tränen kullerten über ihre Wangen, sie schniefte und wischte sich die feuchten Augen. Die Wimperntusche verschmierte sich. Er nahm sie in den Arm und drückte sie fest. Sie ließ es kurz zu, entwand sich dann aber der mitfühlenden Umarmung.
»Ich gehe jetzt, Thorsten. Viel Erfolg, oder besser keinen Erfolg. Es ist sicher wieder operative Terrorhektik – wie immer. Mach’s gut.«
Sie tupfte sich die Tränen trocken und verschwand. Er ging zum Andreaskreuz und begutachtete es. Die sieben Patronen saßen alle im Umkreis eines Zehn-Cent-Stücks direkt in der Mitte, wo sich die Balken kreuzten. Fünf Jahre aus dem aktiven Dienst, und Rafi schoß noch immer mit einer beneidenswerten Präzision. Bester Schütze des LKA Baden-Württemberg über fünf Jahre, drittbeste Deutschlands. Was für ein Verlust! Was für eine Frau! Was für ein tragischer Schicksalsschlag!
Er holte das braune Kuvert aus dem Sakko, starrte es unschlüssig an, nahm einen Stift und notierte etwas auf der Rückseite.