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Lokalismus

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Die Vorliebe für das Lokale tritt weniger radikal auf als der Horizontalismus, ist darum aber nicht weniger allgegenwärtig. Die Ideologie des Lokalismus ist weit über die Linke hinaus anzutreffen, mal prokapitalistisch, mal antikapitalistisch, manchmal auch radikal gefärbt durchzieht sie den kulturellen Mainstream und ist zu einer Art politischen Common Sense geworden. Allen Varianten gemeinsam ist der Glaube, die Abstraktheit und Unüberschaubarkeit der modernen Welt sei eine der Wurzeln unserer heutigen politischen, ökologischen und ökonomischen Probleme, sowie die Überzeugung, eine Lösung biete die Rückkehr zum menschlichen Maß nach dem Motto »Small is beautiful«.119 Ein Handeln im kleinen Rahmen, die Privilegierung lokaler Ökonomien, überschaubarer Gemeinwesen, unmittelbarer und persönlicher gesellschaftlicher Beziehungen – all dies kennzeichnet eine lokalistische Weltsicht. In Zeiten, da die meisten der im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten politischen Strategien und Taktiken stumpf und untauglich erscheinen, lockt der Lokalismus mit einer verführerischen Logik. In all seinen verschiedenen Versionen, vom gemäßigt konservativen Kommunitarismus bis zu Bewegungen für ethischen Konsum, von einem auf Mikrokredite setzenden Developmentalismus bis zu manchen Spielarten des heutigen Anarchismus verspricht der Lokalismus, jeder und jedem Einzelnen Gelegenheit zum konkreten Handeln zu bieten und politische Interventionen zu ermöglichen, die sich unmittelbar und spürbar auswirken.120 Doch ein solches Gefühl größerer individueller Gestaltungsspielräume kann irreführen. Denn ein Problem des Lokalismus besteht darin, dass er durch den Versuch, die großen systemischen Unübersichtlichkeiten auf die leichter handhabbare Sphäre lokaler gesellschaftlicher Zusammenhänge herunterzubrechen, letztlich die strukturelle Vernetztheit der heutigen Welt leugnet. Zusammenhänge wie die globale Ausbeutung, der weltweite Klimawandel, die wachsende Überbevölkerung und die wiederkehrenden Krisen des Kapitalismus lassen sich nicht lokalisieren: Sie sind in ihrem Erscheinungsbild abstrakt und weisen eine komplexe Struktur auf, und obschon sie jeden Ort betreffen, zeigen sie sich in all ihren Facetten niemals nur in einer bestimmten Region. Es sind systemische und abstrakte Probleme, die nach systemischen und abstrakten Antworten verlangen.

Viele Spielarten des rechten populistischen Lokalismus lassen sich (wie etwa der sezessionistische Libertarismus) als rückschrittliche Macho-Phantasien durchschauen und zurückweisen, als zynische ideologische Verbrämung von Austeritätspolitik (wie das von den Konservativen in Großbritannien aufgebrachte Konzept der »Big Society«) oder als unverblümt rassistisch (so wenn Nationalisten und Faschisten Migranten für strukturelle ökonomische Probleme verantwortlich machen); weit weniger gründlich wird indes der linke Lokalismus hinterfragt. Mit zweifellos den besten Absichten liebäugeln radikale und Mainstream-Linke mit lokalistischen politischen und ökonomischen Positionen, allerdings zum eigenen Schaden. Im Folgenden sollen zwei populäre Varianten eines linken Lokalismus kritisch beleuchtet werden – das Eintreten für lokale Ernährung und für eine lokale Ökonomie –, weil sie beispielhaft auf zwei recht unterschiedlichen Feldern die Problematik des Lokalismus verdeutlichen.

Die Zukunft erfinden

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