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Jede Politik ist lokal?

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Horizontalismus, Lokalismus, Nostalgie, Widerstand und Exodus sind alle, in unterschiedlichem Maß, getragen von folkpolitischen Intuitionen über Politik und politisches Handeln. Um die Transformation des Kapitalismus anzugehen, reichen sie nicht aus. Das soll nicht heißen, sie in Bausch und Bogen zu verwerfen. Von diesen Ansätzen gilt es, wie wir noch zeigen werden, eine Reihe wichtiger Elemente zu bewahren. Folk-Politik ist nicht per se schlecht, sondern lediglich begrenzt, flüchtig, unzureichend. Horizontalistische Ansätze werfen verschiedentlich durchaus zentrale Fragen von Macht, Herrschaft und Hierarchie auf, doch gelingt es ihnen nicht, adäquate Antworten zu entwickeln. Folk-Politik versucht, den mit derart Fragen einhergehenden Schwierigkeiten von vornherein aus dem Weg zu gehen. Doch in einer Welt, in der uns Herrschaft, Macht, Hierarchie und Ausbeutung aufgezwungen werden, muss man sich ihnen stellen.148 Jede Politik ist zudem in einem ganz allgemeinen Sinn lokal. In unserer unmittelbaren Umgebung finden wir die Motivation, die politischen Verhältnisse im Großen zu verändern. Das Lokale lässt sich nicht einfach ignorieren. Für folkpolitische Strömungen heute allerdings bedeutet das Lokale viel mehr: Der Rückzug auf die lokale Ebene verspricht, Komplexität und Abstraktheit vermeiden zu können, das Lokale erscheint als authentisch und natürlich, während auf Breite und Dauer angelegte Interventionen, die jene Ebene gegebenenfalls hinter sich lassen, ausgeschlossen werden. Jede Politik beginnt lokal, doch Folk-Politik bleibt genau dort stehen.

Letzten Endes ist Folk-Politik nicht so sehr wegen bestimmter Taktiken oder Praktiken problematisch, sondern vielmehr wegen des strategischen Entwurfs, in den jene eingebettet sind. Protestkundgebungen, Demos, Besetzungen, Sit-Ins, Blockaden, all das hat seinen Ort, und keine dieser Taktiken ist per se folkpolitisch. Das werden sie erst als Teil einer strategischen Vision, die Veränderungen im Kleinen als das Höchstmaß politischen Erfolgs ansieht und sie losgelöst von ihren spezifischen Bedingungen verabsolutiert. Zielt beispielsweise eine Besetzung darauf ab, exemplarisch zu wirken und einen temporären Raum nichtkapitalistischer sozialer Verhältnisse zu schaffen, so wird sie niemals zu substantiellen Veränderungen führen. Versteht sie sich hingegen als ein Mechanismus, um Netzwerke der Solidarität zu schaffen und diese für weitere Aktionen zu mobilisieren, so kann sie im Rahmen einer weiter gesteckten gegenhegemonialen Strategie nützlich sein. Doch derartige strategische Über­legungen über die Vor- und Nachteile spezifischer Aktionsformen fehlen in großen Teilen der Linken heute. Zahlreiche Proteste, Demonstrationen und Besetzungen finden statt, ohne dass ein strategischer Gedanke verschwendet würde, sie sind nicht mehr als kurz aufblitzende Zeichen eines verstreuten und vereinzelten Widerstands. Zu selten wird darüber nachgedacht, wie diese verschiedenen Aktionen zu verbinden wären und zusammenwirken könnten, um gemeinsam eine bessere Welt zu schaffen. Stattdessen erleben wir Aktionen, die bisweilen durchaus erfolgreich sind, doch selten ein Auge dafür haben, wie dies mittel- oder langfristigen Zielen dienen könnte.149 Im folgenden Kapitel werden wir sehen, dass die Rechte solche strategischen Überlegungen unternahm und eine Situation herbeiführte, in der der Neoliberalismus zum herrschenden Common Sense unserer Zeit werden konnte.

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