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Kapitel 4

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Der Schläger traf den Ball genau an der richtigen Stelle. Josh Hohn sah zu, wie er den Fairway entlangsegelte und dann nach links zog, bevor er landete und der Kontur des langen Par 5 folgte, als wäre er ferngesteuert. Josh lächelte, weil ihm klar war, was sein Boss, Francis Valère, dazu sagen würde.

Er hörte den älteren Mann hinter sich ein französisches Schimpfwort murmeln, und dann auf Englisch sagen: »Muss dieser neue Schläger sein, den Sie da haben.«

Josh wusste genau, dass seine zahllosen Übungsstunden und die Tausenden von Trainingsschlägen sowie seine körperliche Fitness die wahren Gründe dafür waren, dass er den Ball ziemlich genau dort platzieren konnte, wo auch immer er wollte, aber der Taylor Made SLDR Driver war ein Geschenk von Valère gewesen und der Mann gab sich größte Mühe, Josh deswegen ein schlechtes Gewissen zu machen.

»Nun, Sie haben ihn ausgesucht, Boss.« Josh zwinkerte ihm zu.

Francis Valère schnappte sich einen Driver aus seiner Golftasche, die an ihrem Wagen festgezurrt war, und marschierte zu seinem pinkfarbenen Tee. Er positionierte seinen Ball sorgfältig, machte ein paar Probeschwünge und feuerte den Ball dann den Fairway hinunter. Er sah zu, wie er immer höher stieg und von einer Windböe nach rechts getrieben wurde. Der Ball landete nahe eines Bunkers, sprang dort ein paarmal auf und kam schließlich im hohen Gras nahe der Baumlinie zum Stehen.

Josh lachte und Valère starrte ihn finster an.

»Sie hätten sich wohl den gleichen Schläger kaufen sollen«, sagte Josh schulterzuckend.

»Sagt derjenige, der immer noch drei zurückliegt.« Valère ging zum Wagen und verstaute seinen Schläger. Dann nahm er auf dem Fahrersitz Platz. »Kommen Sie, der wird nicht leicht zu finden sein.«

Josh saß bereits auf der Beifahrerseite und überprüfte sein Smartphone. »Das kann doch wohl nicht wahr sein …« Er sah auf. »Das werden Sie nicht glauben. Sieht ganz so aus, als sei im Yellowstone-Park eine Bombe hochgegangen.«

»Terroristen?«

Josh überflog den Artikel, den sein Feedreader ihm angezeigt hatte, auf seinem Bildschirm schnell. »Ich weiß nicht. Hier steht, es gab nur minimale Schäden, ein paar Tote …« Er hielt inne. »Mann, ich will ja nicht morbide klingen, aber wenn man schon eine Bombe zündet, sollte man sich da nicht eine, äh, bevölkerungsreichere Gegend aussuchen?«

»Schätze schon.« Valère fuhr weiter und hielt den Wagen dann auf dem Pfad an, der entlang des dreizehnten Loches verlief. »Unglaublich.«

»Nicht wahr?«

»Ich rede von meinem Ball! Ich kann ihn nirgendwo entdecken.« Er brachte den Golfwagen zum Stehen und stieg aus. »Würden Sie mir suchen helfen?«

»Was die wohl damit erreichen wollten?«

Valère tastete mit seinem Fuß im höheren Gras umher, um seinen Ball zu entdecken. Der Rasen war akkurat getrimmt, aber etwas länger, um ihn von den kürzeren Halmen in der Nähe abzugrenzen. »Woran, glauben Sie, arbeiten die gerade?«

Josh musste einen Moment lang überlegen, da er sowohl die Frage als auch den abrupten Themenwechsel nicht erwartet hatte. »Wer weiß? Vielleicht machen die tatsächlich mal Urlaub, so wie Sie es vorgeschlagen hatten.« Josh wusste, dass sein Boss die beiden Laborassistenten meinte, die bei Frontier Pharmaceuticals Canada beschäftigt waren. Valère hatte die Firma erst vor wenigen Jahren mit seinem eigenen Geld und einem Gründungszuschuss durch ein paar seiner Freunde aus dem Boden gestampft. Er hatte Joshua Hohn als rechte Hand und Partner engagiert und Josh hatte wiederum die beiden Universitätsstudenten in Teilzeit angestellt, damit diese ihnen bei der Datenerfassung und der Organisation halfen.

»Sie kennen sie genauso gut wie ich – wahrscheinlich sind sie gerade schwer am Schuften, um Krebs zu heilen oder das nächste Superfood zu kreieren.« Er betonte das Wort Super mit seinem schweren französischen Akzent. Josh war klar, dass dies als Witz gemeint war, da sie sich oft über Amerikas Versessenheit auf Super-Früchte und dergleichen lustig machten. Er liebte es deshalb, neue Hybride in seinem Labor heranzuzüchten, die ein oder zwei extra Portionen Vitamine lieferten und zu versuchen, Valère dazu zu bringen, das Ganze als die nächste große Entdeckung zu vermarkten. Es war eine Art Hobby, das Josh betrieb, während er an anderen Projekten arbeitete.

Ihr anderes Projekt hingegen war tatsächlich die nächste große Entdeckung.

Während der letzten drei Jahre war er der Fertigstellung eines ganz realen Super-Medikaments immer näher gekommen. Eine organische Hülle, die um die Zellmembran eines mikroskopischen Organismus herumwachsen konnte. Diese Hülle diente praktisch als eine Art flexibler und halbdurchlässiger Panzer.

Für Josh war die Vorstellung eines im Labor erstellten chemisch gebundenen Moleküls, das mit der Membran einer Zelle verschmolz und eine Schutzschicht bildete, die gleichzeitig die Wechselwirkung mit der Umgebung zuließ, höchst faszinierend. Dies würde die pharmazeutische Welt vollkommen revolutionieren. Die Welt der Nanotechnologie ließ nicht mehr lange auf sich warten und Josh wusste, dass seine Karriere gesichert war, falls sie damit erfolgreich waren.

Bisher lief alles sehr gut. Ihr größter Durchbruch war letzte Woche passiert, am Ende einer über zwanzig Stunden langen Marathon-Session im Verlies, wie er ihren dunklen, chaotischen Arbeitsbereich getauft hatte. Josh hatte Valère sofort aufgeregt angerufen, als die Testergebnisse eingetroffen waren.

Die Nanoummantelung, die er appliziert hatte, hatte endlich genau das getan, was sie sollte … sie hatte gehaftet.

Valère fand seinen Ball jetzt endlich in der Nähe eines Baumstumpfs, der auf direkter Linie zwischen ihm und dem Loch lag. Er fluchte erneut und holte dann ein Pitching Wedge aus seiner Tasche.

»Sie gehen oben drüber?«, fragte Josh überrascht.

»Ich kann mich einfach nicht dazu durchringen, drei Schläge zu verschwenden und Sie dadurch aufholen zu lassen.« Er machte ein paar Probeschwünge und begann dann sein Schlagritual.

Der Schlag war fantastisch, ein perfekter Bogen, der den Ball sauber über den Stumpf trug und direkt in der Mitte des Fairways absetzte, nur wenige Zentimeter von Joshs Ball entfernt.

»Wow, bin ich froh, darauf nicht gewettet zu haben«, kommentierte Josh fasziniert.

»Ich bin kein Glücksspieler«, sagte Valère.

»Sollten Sie aber sein. Mit diesem Produkt sind Sie ein gemachter Mann.«

Valère wandte sich Josh zu. »Seien Sie versichert, mein Freund, diese Firma ist weitaus riskanter, als alles, was ich hier draußen mit Ihnen aufs Spiel setzen würde, und vergessen Sie nicht, Sie haben ebenso Ihren Anteil daran geleistet.«

Josh nickte. Er hatte einen Vertrag über ein Gehalt von einer halben Million kanadischer Dollar unterzeichnet, mit Optionen auf ihren unvermeidlichen Börsengang. Außerdem hatte er einen kleinen Prozentanteil an den zukünftigen Profiten der Firma.

Im Grunde standen beide Männer kurz davor, unverschämt reich zu werden.

»Wenn ich nächste Woche wieder im Büro bin, telefoniere ich sofort mit unseren beiden Investoren und dem Patentanwalt, danach treffe ich dann eine Entscheidung bezüglich des Timings«, sagte Valère.

»Was kann ich in der Zwischenzeit tun?«, fragte Josh. Sie waren auf halbem Weg zum Loch und liefen zu der Stelle, wo ihre Bälle lagen. »Ich schätze mal, wir werden ein paar Meetings mit den wichtigeren Repräsentanten planen müssen und dann vielleicht noch eine Marketing-Kampagne starten?«

»Nein, mit dem Marketing sollten wir warten. Die Probe geht erst mal nur an die Investoren und die werden dann mit der Produktion starten.«

»Mit der Produktion von was?«, fragte Josh.

»Erinnern Sie sich noch an meine Reise ins Nordwestterritorium, die ich letztes Jahr gemacht habe?«, fragte Valère.

Josh neigte seinen Kopf. Das war mal wieder ein interessanter und äußerst abrupter Themenwechsel.

»Ich habe die Heimat eines einheimischen Volkes besucht, das schon seit Langem ausgestorben ist. Dort haben wir die Überbleibsel eines Lagers gefunden, das einst vermutlich zu einer russischen Expedition gehört hat.«

»Wir? Ich dachte, Sie wären allein gefahren.«

»Ich habe mich dort mit meinen Investoren getroffen. Wie Sie wissen, sind wir schon seit langer Zeit Geschäftspartner.«

»Also war das eigentlich eine Geschäftsreise?«, erkundigte sich Josh. Er verstand immer weniger.

»In gewisser Weise, ja. Jedenfalls haben wir dort die Todesursache dieser armen Forscher entdeckt. Eine Pflanze, deren Abwehrmechanismus darin besteht, eine hochgiftige Substanz in die Luft abzugeben. In Pulverform wurde es von dem ursprünglichen Stamm als eine Art Halluzinogen genutzt, vermute ich. Im Laufe der Jahre ist dieser Abwehrstoff jedoch zu einer tödlichen Substanz geworden.«

»Sie reden von den Proben im Gefrierschrank? Diese Kisten, die Ihnen hinterhergeschickt worden sind?«

Valère nickte. »Wir wollten diese Substanz zu Defensivzwecken nutzen, genau wie die Pflanze. Dafür mussten wir sie jedoch verstärken und ihre Konzentration erhöhen.«

»Sie haben also einen Virus erschaffen?«

»Ich habe einen entdeckt. In seinem ursprünglichen Zustand reichte die Konzentration gerade mal für ein kleines Säugetier aus, solange es nicht in größeren Mengen verabreicht wird. Aber ein paar Anpassungen hier und da …«

»Wovon reden Sie da?« Josh war entsetzt. »Das ist keine medizinische Anwendung, Francis …«

»Die Anwendung geht Sie überhaupt nichts an«, erwiderte Francis kalt.

Josh trat an seinen Ball heran und hämmerte so plump auf ihn ein, dass eine braune Spur auf dem Grün zurückblieb. Der Ball sauste davon und mit wachsendem Zorn sah Josh zu, wie der Ball nach rechts driftete und zwischen den Bäumen verschwand. Ohne sich umzudrehen, begann er auf das Waldstück zuzulaufen, um seinen Ball zu suchen.

Wie hatte er das nur tun können?, fragte er sich. Josh arbeitete nun schon seit drei Jahren mit Valère zusammen und hatte gedacht, dass er den Mann kennen würde. Er hatte geglaubt, dass sie beide daran interessiert waren, mit ihrer Arbeit Leben zu schützen und zu erhalten.

Das jetzt klang wie das genaue Gegenteil.

Er stampfte durch das Dickicht, das markierte, wo der Golfplatz aufhörte und das unbebaute Land begann, und hielt auf ein Kieferngrüppchen zu, in deren Richtung er seinen Ball vermutete. Als er näherkam, konnte er das Geräusch fließenden Wassers hören.

Die Bäume standen wie Aufpasser vor einem steilen Hügel und warnten vor dem Abgrund. Das Gelände fiel steil ab und endete in einem Fluss, wo das Wasser hervorstehende Felsen umspülte und kleine Stromschnellen bildete, während es sich durch das schluchtartige Flussbett drängte.

Josh spähte vorsichtig hinunter, aber sein Ball war nirgendwo zu sehen.

»Ich glaube, er ist weiter drüben gelandet«, rief die Stimme seines Bosses hinter ihm. Valère hatte ihren Golfwagen zum Rand des Geländes gefahren und kam nun auf ihn zugelaufen.

»Das können Sie nicht machen, Valère. Sie können uns nicht einfach so, an den Höchstbietenden verscherbeln. Wer will so etwas überhaupt kaufen?«

»Es geht dabei nicht um Geld …«

»Blödsinn!«, platzte es aus Josh heraus. »Natürlich tut es das. Warum hätten Sie mir das sonst bis jetzt vorenthalten sollen?«

»Ich habe schon gesagt, dass es nichts ist, worüber Sie sich den Kopf zerbrechen sollten. Dieser Plan ist älter als unser Arrangement.«

Josh sah zu, wie sein Boss seinen Driver aus der Tasche nahm. Er inspizierte ihn sorgfältig und musterte den Grafitkopf in Leichtbauweise. »Wir arbeiten schon seit Lebzeiten daran und ich werde nicht aufgeben, bevor ich es vollendet habe.«

Josh trat einen Schritt zurück, auf den Hügel zu, während sich ein gequälter Ausdruck auf seinem Gesicht ausbreitete. »Es kommt mir so vor, als seien Sie der Terrorist. Als seien Sie nichts weiter als ein selbstgefälliger, wahnsinniger Narr.«

»Sie haben Ihre Bezeichnungen für das, was ich tue, ich habe meine. Ich arbeite an etwas, das größer ist als alles, was Sie sich vorstellen können«, sagte Valère. »Etwas weitaus Bedeutenderes.«

»Aber damit werden Sie nicht durchkommen«, sagte Josh empört. »Davor werden Sie nicht einfach davonlaufen können, wenn alles vorüber ist.«

»Ich habe gar nicht vor, wegzulaufen, Josh. Ich bin hier und genau hier werde ich bleiben, und wenn ich mal nicht mehr bin, wird ein anderer meinen Platz einnehmen.«

Josh fiel auf, dass sein Freund und Geschäftspartner ihn jetzt musterte, als inspiziere er ein Präparat. »Es ist wirklich jammerschade, Joshua.«

»Was?« Josh riss entsetzt die Augen auf, als er sah, wie Francis mit dem Golfschläger ausholte.

Valère schlug zu und traf Josh mit dem Schläger genau am Kopf. Es gab ein knackendes Geräusch und Josh ging augenblicklich zu Boden.

Blut rann in und über seine Augen und verlieh der Welt einen rötlichen Schimmer. Eine Sekunde verging und er konnte gar nichts mehr sehen. Der Schmerz war absolut unerträglich. Sein Gehirn fühlte sich irgendwie matschig an. Er konnte nicht mehr denken … er konnte nicht mehr sprechen.

»Es ist wirklich jammerschade, einen so brillanten Kopf wie den Ihren zu verlieren, mein Freund. Doch Sie liegen falsch. Ich werde damit davonkommen, denn Amerika ist nicht vereinigt genug, um sich zu retten.«

Josh versuchte seinen Arm zu heben, um den nächsten, bevorstehenden Angriff abzuwehren,

schaffte es aber nicht.

Er konnte nur hilflos dabei zusehen, wie Valère erneut mit dem Driver ausholte und seinen Schädel endgültig zerschmetterte.

DER ENIGMA-VIRUS

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