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Prolog

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Alexei-Expedition

Nordwestterritorium, Kanada

1704

Das Geräusch eines weiteren explodierenden Baumes ließ Nikolai Alexei vor Schreck zusammenfahren.

Er hörte die Männer hinter sich kichern, machte sich aber nicht die Mühe, sie zurechtzuweisen. Es war die Zeit nicht wert, und abgesehen davon zeugte es nicht unbedingt von guten Führungsqualitäten, solche Belanglosigkeiten anzusprechen. Sein Vater hatte ihm diese eigenartigen Vorkommnisse während eines Jagdausflugs erklärt, als er ein Junge gewesen war. Der Baumsaft in den Kiefernstämmen dehnte sich aus, wenn er gefror, und brachte die Rinde irgendwann zum Platzen. Er hatte nachts oft wach gelegen und die krachenden Explosionen gezählt, die durch die Wälder um ihre Jagdhütte herum ertönt waren. Er kannte das Geräusch deshalb gut und doch erschreckte er sich jedes Mal, wenn es passierte.

Er murrte vor sich hin und setzte seinen Marsch durch den knietiefen Schnee fort.

Ihm gefiel dieses Land, denn es erinnerte ihn an seine Heimat. Die schier endlosen tiefen schwarzen Wälder, bewohnt von denselben Tieren, die er zu jagen gewohnt war … die gleichen Bäume, die er früher erklommen hatte, und dieselbe bittere Kälte, nach der er sich gesehnt hatte, mit einer frischen Decke aus Schnee, dick genug, um ein Pferd aufzuhalten. Auch der Geruch war derselbe … die saftigen, immergrünen Bäume und die frische eisige Luft. In diesen Wäldern fühlte er sich wesentlich wohler als all seine Männer, mit Ausnahme von Lev.

Dennoch frustrierte ihn ihr Gelächter. Nicht so sehr wegen ihrer Aufmüpfigkeit, sondern mehr aufgrund ihrer Faulheit. Seit drei Monaten zogen sie nun schon über Berge und durch Täler so hoch und so tief, dass er irgendwann nicht mehr daran geglaubt hatte, die andere Seite mit allen Männern lebend zu erreichen. Sie hatten Tundra, Plateaus und Sumpfgebiete durchquert, und all das, ohne einen Mann zu verlieren. Ihre Jagdabstecher waren stets erfolgreich gewesen und die meisten Abende hatten um ein großes Lagerfeuer herum geendet, mit einem Reh, das am Spieß brutzelte. Zum Frühstück gab es stets heiße Suppe und unterwegs aßen sie Räucherfleisch-Streifen.

Nikolai musste zugeben, dass dies eine seiner erfolgreicheren Expeditionen war, und er wusste, dass Gott in diesem neuen Land auf sie herablächelte. Er wusste aber auch, dass es sie schwach machte und sie verweichlichte. Sie waren fett und träge geworden und mit jedem neuen Tag wurde die täglich bewältigte Strecke kürzer. Ihre Energie und Begeisterung waren einer Ruhelosigkeit gewichen, die ihre Geschichten und Gedichte um das Feuer herum zu lustlosen Liedern gewandelt hatte.

Ohne sich umzudrehen, rief Nikolai: »Doktor?«

Ein kleiner, dünner Mann kämpfte sich durch den Schnee, um aufzuholen, denn Nikolai verlangsamte seine Schritte nicht. »Sobald wir eine Lichtung finden, werden wir ein Lager aufschlagen. Der Fluss liegt im Norden, dort können wir fischen, so lange wir wollen.«

»Teilen Sie die Männer in Zweier- und Dreiergruppen auf«, befahl Nikolai. »Ich werde sie am Morgen losschicken, um die Gegend zu kartografieren. Den Kosaken wird die Abwechslung guttun und ich selbst werde allein einen Ausflug unternehmen.«

Nikolai war ein Mann des Wortes; ein Mann von Integrität. Er hatte dem Zaren eine Karte des wilden Terrains von Nordamerika versprochen und er war fest entschlossen, diese auch zu liefern. Seine Expedition war allerdings zunehmend stumpfsinnig geworden, und deshalb war es an der Zeit, ihr neues Leben einzuhauchen.

»Also wollen Sie in dieser Gegend allein herumwandern?«, fragte der Doktor besorgt.

Nikolai lachte. »Ich werde aufpassen, mich nicht im Nebel zu verirren, falls Sie darauf anspielen. Manchmal muss ein Mann auch mal allein umherziehen, mein Freund. Aber seien Sie versichert, dass wir uns in drei Tagen wieder zusammenfinden werden.«

Der Doktor nickte und fiel hinter seinem Anführer zurück. Nikolai war sich nicht sicher, ob sein Plan ihnen guttun oder sie alle gefährden würde, aber er war bereit, dieses Risiko einzugehen, denn bisher hatten sie nichts von Nutzen gefunden; nichts, was das Mutterland in Anspruch hätte nehmen wollen. Kartografierung war zwar ihre offizielle Mission, aber er machte sich nichts vor. In kleinen Gruppen könnten sie größere Gebiete abdecken, als wenn sie in der großen Gruppe weiterwanderten.

Bisher hatten sie den großen Fluss nördlich von ihnen den ganzen Weg vom Meer aus verfolgt, denn sie wussten, dass jeder Fluss irgendwo entsprang. Ob dies nun ein See zwischen den Bergspitzen oder ein schmelzender Gletscher war, wusste er allerdings nicht.

Es war ihm ehrlich gesagt aber auch gleich.

Nikolai Alexei war allein aus einem einzigen Grund hier: Sein Heimatland war auf der Suche nach Reichtümern, genauso wie seine Männer. Alle Menschen sannen schließlich nach mehr, als Gott ihnen ursprünglich gegeben hatte. Es war eines Mannes Pflicht, nach dem zu streben, was ihm im Leben zustand, um im Leben nach dem Tode umso mehr Segenswünschen zuteil zu werden.

Dieses neue Land war nicht für seine Schätze bekannt, doch nur ein Narr würde glauben, dass die Spanier in der Lage gewesen waren, es zu bezwingen, als sie herkamen. Dieses Land war für Russen gemacht, denn nur sie verstanden seine raue Natur. Das große Unbekannte, das Nikolai schon immer so sehr angezogen hatte, war eine Gelegenheit gewesen, die er sich nicht hatte entgehen lassen können.

DER ENIGMA-VIRUS

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