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Kapitel 6

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Nordwestterritorium, Kanada

Archäologische Ausgrabung der Universität von Manitoba

Ein Jahr zuvor

Der Rest des Nachmittags wich nun schnell dem Abend, aber glücklicherweise kam ihre Expeditionsgruppe zügig voran. Noch vor dem Einbruch der Dunkelheit hatte das sechsköpfige Team – fünf Studenten und ihr Professor – die Überbleibsel eines Zeltlagers entdeckt.

Ihre Ausgrabungen hatten gezeigt, dass die Zelte in einem Halbkreis errichtet worden waren, in dessen Mitte ein Student die Überreste eines Lagerfeuers gefunden hatte. Ein anderer Student entdeckte die beinahe vollständig erhaltene Klappe eines Zeltes, einschließlich der Schnüre und einer großen Zeltstange. Daneben fand er einen kleinen Beutel mit fünf Silbermünzen – ein erstaunlicher Fund, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die amerikanischen Ureinwohner, die in dieser Gegend gelebt hatten, niemals Münzen geprägt hatten.

Sie zeichneten die Informationen über Tiefe, Erddichte und Vorgehensweise auf und gerade, als die Dämmerung hereinbrach, fand das Team noch drei weitere Zelte, alle in sich zusammengefallen und durch die kalten Erdschichten relativ gut präserviert.

Gemeinsam markierten, dokumentierten und kartografierten sie die gesamte Umgebung und erstellten anschließend ein Computer-Modell der Landschaft und der Koordinaten.

Aber es waren nicht die Zelte, die Artefakte und nicht einmal die Münzen, die den meisten Aufruhr verursachten.

Es war das, was das Team unter diesen Zelten gefunden hatte.

Als zwei Studenten unter dem wachsamen Auge von Dr. Fischer behutsam das Zelttuch entfernten, kam etwas zum Vorschein, das drei Jahrhunderte lang unberührt geblieben war:

Die Leichen einer bislang als verschollenen gegoltenen Expeditionsgruppe.

Manche der Toten waren besser erhalten als andere, aber an der Kleidung, der Schädelformen und einigen Artefakten aus der näheren Umgebung war ersichtlich, dass es sich dabei um die sagenumwobene russische Alexei-Expedition des frühen achtzehnten Jahrhunderts handeln musste.

Dr. Fischer war in absoluter Hochstimmung, denn dies war eine Entdeckung, die für ihn alles übertraf, was er bisher in seiner professionellen Karriere erreicht hatte. Über diese Expedition würde er ein Buch schreiben – vielleicht sogar mehrere. Was sie zu erreichen erhofft hatten, wo sie gewesen waren und was letztendlich zum Ableben dieser armen Seelen geführt hatte.

Natürlich galt es zunächst, all diese Fragen zu beantworten, bevor die Geheimnisse gelüftet werden konnten.

Sie hatten auch Teile von Karten, Tagebüchern und Fetzen von Kleidung gefunden, aber sie würden wesentlich mehr brauchen, um dieses Puzzle zusammenzusetzen. Doch nun, da Dr. Fischer beschlossen hatte, morgen die nahe gelegenen Höhlen zu untersuchen, blieb nicht mehr viel Zeit, die sie dieser Stätte widmen konnten.

Er begab sich nun zu einer weiteren rechteckigen Ausschachtung … ein neues Loch, das sie gegraben hatten, um ihre Untersuchung fortzuführen. Weitere drei Zelte waren ans Tageslicht gebracht und weitere sechs Skelettüberreste offenbart worden. Bei einem fand ein Student eine aus Knochen geschnitzte Pfeife und ein kleines, in Leder gebundenes Tagebuch. Der Student reichte die Pfeife sofort einem seiner Kollegen, der gerade damit beschäftigt war, die Gegenstände mitsamt dem Fundort in einer Computer-Datenbank zu verzeichnen. Das Tagebuch gab er an Dr. Fischer weiter.

»Ich dachte, das interessiert Sie vielleicht«, meinte der Student.

Dr. Fischer streifte sich ein neues Paar Latex-Handschuhe über und nahm das Buch behutsam in Empfang. Er strich über den verzierten Ledereinband und bewunderte die Handwerkskunst und die Detailtreue. Absolut bemerkenswert.

Noch bemerkenswerter jedoch war die Tatsache, dass einige der Seiten noch immer intakt waren. Schmutzig, verschmiert und schwierig zu lesen, aber dennoch unversehrt.

Er öffnete das Buch ein wenig, gerade weit genug, um hineinspähen zu können, weil er den brüchigen Rücken nicht beschädigen wollte, und drehte das Buch vorsichtig, damit genug Licht hineinfiel, um die Schrift auf der rechten Seite entziffern zu können.

»Kann einer von euch Russisch?«, fragte er. »Und hat noch dazu gute Augen? Das hier ist für mich zu klein.«

»Ist es schon so weit, alter Herr?«, rief einer der Studenten.

Dr. Fischer lachte.

Gareth, der Student am Computer, stand auf und streckte sich. »Ich kann das machen«, bot er an. »Ich brauche sowieso mal eine Pause. Möchte mich vielleicht jemand ablösen?«

Ein weiterer Student übernahm daraufhin den Dienst hinter dem Bildschirm und fuhr mit der Dokumentation der Ausgrabungsstätte fort.

»Du kannst Russisch?«, fragte Dr. Fischer verwundert.

»Ja, war ein Nebenfach von mir, hab mich mal dafür interessiert.«

»Wieso denn das?«

»Für ein Mädchen, das ich vor dem Semester kennengelernt hatte. Ich hatte gehofft, sie im nächsten Semester beeindrucken zu können. Wie sich herausstellte, war sie Polin, aber ich hab den Kurs dann aus Spaß trotzdem weitergemacht.«

Dr. Fischer schüttelte den Kopf. Er reichte das kleine Buch an seinen Studenten weiter und wartete.

»Okay, ja, ich seh schon. Ziemlich gute Handschrift, muss ich sagen. Also … noch ein ereignisloser Tag. Vollmond letzte Nacht und einer der Männer hat ein Kaninchen gefangen. Ganz schön aufregend, Professor.« Einige der Studenten, die sich um sie versammelt hatten, kicherten leise.

»Lies weiter«, sagte Dr. Fischer.

»Nur ein Ort, an dem ich solchen Trost wie diesen verspürte … das Wort kann ich leider nicht lesen. Ich glaube, es ist ein Ortsname oder so was. Der Wind flüstert durch unsere Reihen; der Schnee knirscht unter unseren Füßen und man könnte meinen, es ist das lauteste Geräusch im ganzen Wald.« Er blätterte behutsam weiter. »Das meiste geht genauso weiter«, stellte er fest.

Inzwischen waren auch die restlichen vier Studenten zu Gareth und Dr. Fischer gestoßen, und stützten sich entweder auf Spaten oder nahmen auf dem Boden Platz.

»Spring ein Stück vor«, sagte Dr. Fischer.

Gareth blätterte bis zum Ende des kleinen Tagebuchs. »Okay. Letzter Eintrag: Es hat uns krank gemacht … die Körbe mit dem seltsamen Pulver. Kein Schatz ist das wert. Es hat uns alle dahingerafft. Mir ist nun klar, dass ich hier allein sterben muss …« Gareths Stimme verstummte, genau wie die Worte des Tagebuchs. Seine großen Augen unterstrichen seinen überraschten Gesichtsausdruck. »Wow. Das ist aber ziemlich heftig.«

»Mann …«, flüsterte ein anderer.

Dr. Fischer wiederholte die Worte in seinem Kopf und versuchte sie sich einzuprägen. Sie hatten hier irgendwo Körbe gefunden, ganz in der Nähe der Stelle, wo sie nun standen. Was auch immer darin war, abgesehen von diesen Münzen, war also tödlich. Er sah erschrocken auf und suchte das Gesicht einer jungen Frau in der Gruppe. »Steph, hat einer von euch einen dieser Körbe gefunden oder noch mehr Münzen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nichts in der Art …« Ihre Stimme klang auf einmal zittrig. »Müssen wir beunruhigt sein? Man hört manchmal davon, dass Yersinia pestis bei Ausgrabungen entdeckt wird.«

»Nein, nein, ich denke nicht, dass wir es hier mit der Pest zu tun haben«, sagte Dr. Fischer. »Abgesehen davon, lagen die Münzen lose herum, also sollte das kein Problem sein. Aber wir müssen unsere Pläne trotzdem etwas ändern. Ich halte es für keine gute Idee mehr, morgen noch weitere Ausgrabungen vorzunehmen.«

Die Studenten nickten betreten. Der Inhalt des Tagebuchs hatte ihre Wahrnehmung des Ortes verändert. Zu wissen, dass weder Hunger noch Gewalt diese Männer dahingerafft hatte, sondern etwas Unheilvolles und Unsichtbares, hatte sie deutlich entmutigt.

DER ENIGMA-VIRUS

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