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Kapitel 11

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Archäologische Ausgrabung der Universität von Manitoba

Nordwestterritorium, Kanada

Ein Jahr zuvor

Es muss jeden Moment soweit sein, dachte Gareth Winslow. Er hatte sich vor drei Stunden gemeldet, so, wie er angewiesen worden war, gleich nachdem er aus dem kleinen Tagebuch vorgelesen hatte. Dr. Fischer war ziemlich aufgeregt, besonders, weil diese Funde seine Festanstellung bei der Universität garantieren würden.

Er konnte es ja selbst kaum glauben. Eine pudrige Substanz, die Menschen umbrachte? Das war ziemlich spannend. Aber was war es genau? Sporen vielleicht? Das war die ultimative Frage. Aber Dr. Fischer würde nun auf gar keinen Fall noch jemanden in die Nähe der Höhle oder den Rest der ungeöffneten Gefäße lassen. Das war viel zu riskant und abgesehen davon hatten sie überhaupt nicht das richtige Equipment dabei, um eine Feldanalyse des Inhalts anzufertigen.

Dennoch war jeder hier unfassbar neugierig. Mehr als neugierig.

Das Abendessen bestand aus über dem Feuer geröstetem Foliengemüse und die Unterhaltungen am Lagerfeuer in der Mitte ihres Camps drehten sich ausschließlich um zwei Themen. Was war diese Substanz und wie war sie dort hingelangt?

Die Theorien reichten von getrockneten Bestandteilen einer mysteriösen Pflanze, die von den Ureinwohnern für heilig gehalten oder wenigstens für medizinische Zwecke verwendet worden war, bis hin zu ausgefalleneren Attentatsverschwörungen eines Verräters der Romanov-Ära. Selbst Dr. Fischer spielte mit und steuerte eine an den Haaren herbeigezogene Story einer Invasion durch Außerirdische bei, die mithilfe eines kosmischen Elements die gesamte Menschheit zu unterjochen gehofft hatten.

Gareth hörte allen aufmerksam zu und war genauso gespannt wie alle anderen, leistete aber keinen Beitrag zu der zunehmenden Ausgelassenheit der Verschwörungstheoretiker. Er war sich nicht sicher, was in den Behältern war, wusste aber, dass es gar nicht von Belang war.

Es ist nur eine Frage der Zeit, sagte er sich wieder. Sie sollten inzwischen längst hier sein.

Wie aufs Stichwort vernahm er jetzt das ferne Wummern von Helikopterrotoren. Es klang tief und sanft vibrierend und schien eher von seiner Körpermitte auszugehen als von einer Maschine, die noch meilenweit entfernt war. Als das Geräusch irgendwann lauter wurde, wurden einige der Studenten ebenfalls darauf aufmerksam.

»Hey, seid mal kurz leise … könnt ihr das auch hören?«, fragte einer der Studenten. Alle wurden daraufhin still und nur das prasselnde Feuer in ihrer Mitte war noch zu hören.

Ein paar Sekunden darauf sagte jemand: »Ist das ein Hubschrauber? Hier draußen in der Einöde?«

Gareth sah, wie Dr. Fischer angestrengt lauschte – er kann es wahrscheinlich noch nicht hören, dachte Gareth, aber das kommt noch.

Plötzlich riss Dr. Fischer die Augen auf und Gareth stand auf, um seine Rolle zu spielen. »Das ist tatsächlich einer. Seltsam, ich frage mich, wo die hinwollen?«

Gareth entschuldigte sich nun bei der Gruppe und lief zu einem der Fahrzeuge ihrer dreiteiligen Kolonne. Dort öffnete er die Beifahrertür und bückte sich, um seinen Arm in die Lücke zwischen Sitz und Fahrzeugboden zu schieben.

Er tastete kurz blind umher und fand dann, was er gesucht hatte. Langsam zog er seinen Arm wieder zurück, bis die Innenraumlampe des Wagens das kleine Gerät beleuchtete.

Es war schwarz und silber, und bestand aus Plastik mit kleineren Metallkomponenten. Eine kleine Gummiantenne ragte an der Seite des rechteckigen Gehäuses heraus, direkt über einem winzigen Knopf. Er betätigte ihn, hielt ihn gedrückt und wartete, bis ein rotes LED-Licht aufleuchtete.

Erledigt.

Es war schon erstaunlich, wozu Technologie heutzutage fähig war. Der winzige GPS-Sender war nun aktiviert und der herannahende Helikopter würde nicht mehr länger die vermutete Position des Archäologen-Teams ansteuern, sondern ihren tatsächlichen Standort. Ihre groben Koordinaten waren schon vor Monaten in den universitätsinternen Foren gepostet worden, aber selbst Dr. Fischer hatte nicht genau gewusst, wohin ihre Suche nach den verschollenen Russen sie letztendlich führen würde.

Aus diesem Grund hatte die Firma jemanden vor Ort gebraucht.

Gareth Winslow war ins Boot geholt worden, um das Team in Sachen IT und Verwaltungstechnik zu unterstützen. Aufgaben, die bis vor ein paar Jahren in der Archäologie gar nicht existiert hatten, als der Großteil der Daten noch per Post verschickt und per Hand dokumentiert worden war. Getrieben von seinem Interesse an Archäologie und befähigt durch seinen Bachelor-Abschluss in Informatik hatte er dabei geholfen, eine Reihe von Software-Werkzeugen zu entwickeln, die Archäologen, Geologen und Geografen dienlich waren.

Und da er derjenige war, der das Programm geschrieben hatte, war er natürlich der perfekte Student für dessen Bedienung. Das Bewerbungsgespräch mit Dr. Fischer war äußerst kurz ausgefallen. Sie hatten sich begrüßt, Dr. Fischer hatte ihn gefragt, ob er Interesse daran hatte, auszuhelfen, und schon war Gareth engagiert gewesen.

Erst nachdem die Planung für den Ausflug begonnen hatte, war Gareth von der Firma kontaktiert worden. Ein dubioser Kerl im schwarzen Anzug war eines Tages an seiner Wohnungstür aufgetaucht und hatte ihm einen Scheck überreicht.

Es war der dickste Scheck gewesen, den Gareth jemals im Leben gesehen hatte, noch dazu mit seinem Namen darauf, und er hatte nicht das Geringste getan, um ihn zu verdienen.

»Nach der Exkursion gibt es noch einen davon«, hatte der Mann gesagt.

»Für was denn?« Gareth wusste, dass jeder seinen Preis hatte, aber er wollte bestimmt nicht zum Mörder dafür werden.

»Keine Bange«, sagte der Mann, der Gareths Verunsicherung bemerkt hatte. »Es ist nichts Illegales. Die Firma handelt ausschließlich mit Informationen und wir haben ähnliche Abmachungen mit einigen anderen Ausgrabungs- und Forschungsprojekten auf der ganzen Welt.«

»Und welche Firma wäre das genau?«, hatte Gareth gefragt.

»Die Firma«, hatte der Mann erwidert.

Gareth hatte nur genickt, immer noch unter Schock stehend wegen der Summe auf dem Scheck.

»Okay, na gut. Ich kann mit einem geheimnisvollen Gönner durchaus leben, aber warum wenden Sie sich nicht direkt an die Uni oder an den Expeditionsleiter, Dr. Fischer?«

»Wir wollen keinen Rechtsstreit, falls etwas von Wert gefunden werden sollte, Sie verstehen das bestimmt. Außerdem möchten wir, dass die Exkursion so glatt wie möglich abläuft, ohne irgendwelche Zwischenfälle. Kapiert?«

»Schon klar. Es soll niemand neidisch werden, dass ich bei einer so unwichtigen Ausgrabung so viel Geld verdiene.«

Der Mann nickte. »Gut, Sie haben es verstanden. Wie gesagt, die Firma ist bereit, einen weiteren Scheck in derselben Höhe für Sie auszustellen, sofern Sie später Bericht über die aktuellen Funde erstatten.« Er achtete darauf, dass Gareth ihn für den letzten Teil ansah. »Sie haben ja noch ein paar Tage bis zur Abreise. Ich schlage vor, Sie lösen den Scheck ein, damit Sie wissen, dass wir es ernst meinen. Später erhalten Sie dann Ihre Anweisungen.«

Gareths Hand hatte während der gesamten Konversation gezittert, doch als der Mann fertig war, hatte er plötzlich an Selbstvertrauen gewonnen. »Alles klar, ich bin dabei.«

Das war nun über eine Woche her und Gareth war immer noch berauscht von dem Wissen, was in einer Woche auf seinem Bankkonto eingezahlt werden würde. Genug Geld, um seinen Studentenkredit abzubezahlen und immer noch eine Weile davon leben zu können. Er ging im Geiste die Liste der Instruktionen durch, die er erhalten hatte, nachdem er den Scheck eingelöst hatte, um sicherzugehen, dass er auch nichts vergessen hatte.

Es war eine kurze Liste.

1. Teilnahme an der Exkursion, ohne Verdacht zu erregen.

2. Im Falle von profitablen oder anderweitig bemerkenswerten Funden, Details an unten stehende E-Mail-Adresse senden.

Der Rest des Anschreibens war eine einfache Haftungsverzichtserklärung gewesen, dass durch die Annahme und Einreichung des Schecks die Firma von jeglicher Haftung befreit ist, blablabla …

Er hatte die gewünschte E-Mail mittels seines Laptops und der Satellitenverbindung abgeschickt, gleich nachdem er Dr. Fischer aus dem Tagebuch vorgelesen hatte. Darin hatte Gareth kurz erwähnt, dass sie eine Art pulvrige Substanz gefunden hatten, die vermeintlich zum Ableben des gesamten russischen Expeditionsteams geführt hatte, und dass sie glaubten, in der nahe gelegenen Höhle noch mehr davon zu finden. Er hatte beinahe sofort eine Antwort erhalten. Sie war einfach gehalten gewesen.

Wir nähern uns Ihrer ungefähren Position. Da die beigefügte Batterie nicht lange halten wird, nutzen Sie das Gerät bitte erst, wenn unser Eintreffen ersichtlich wird, damit wir Ihre genaue Position ermitteln können.

Wow, dachte Gareth. Diese Jungs sind wirklich auf Zack.

Nun, da der Abwind des Hubschraubers immer mehr zunahm, würden sie in wenigen Minuten da sein. Muss ich noch irgendwas vorbereiten?

Er legte das Gerät wieder unter den Sitz und schloss die Tür. Als er sich dem Lagerfeuer zuwandte, sah er, wie Dr. Fischer und die Studenten herumstanden und in den Himmel starrten, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Hubschrauber kam.

»Da ist er!«, rief jetzt der koreanische Student. Gareth hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihre Namen zu lernen, denn er wusste, dass sie alle mit leeren Händen heimkehren würde, also gab es auch keinen Grund, Teil des Teams zu werden.

Sie alle blickten jetzt in die Richtung, in die er zeigte. Südwesten, knapp über den Bäumen. Wenn sie nicht auf dem sanft abfallenden Hügel gestanden hätten, hätten sie den Vogel überhaupt nicht sehen können.

Gareth beobachtete den wachsenden Umriss am dämmrigen Himmel. Er war dunkel, fast schwarz, aber das konnte auch an den Lichtverhältnissen liegen. Er wirkte geradezu elegant, anders als die üblichen Verkehrsmaschinen, die er in Städten hatte herumfliegen sehen. Er war flacher und militärischer, wie ein Stealth-Bomber.

Der Heli war nun fast da. Er glitt sanft über die Baumspitzen, wurde dann langsamer und begann mit dem Landeanflug. Wo, zur Hölle, wollen die denn landen?, fragte sich Gareth. Er sah sich auf ihrer kleinen Lichtung um. Die Autos, Zelte und das Lagerfeuer waren großzügig über das Gelände verteilt und er konnte sich nicht vorstellen, wie ein Helikopter dieser Größe hier Platz zum Landen finden sollte.

Der Pilot sah die Lichtung offenbar ein wenig anders. Gareth sah zu, wie er die Maschine geschickt zu einem Punkt weniger als zwanzig Meter vom Feuer entfernt manövrierte und direkt über einer Grasfläche absetzte. Die Kufen berührten kurz darauf elegant den Boden und kamen ohne die leichteste Erschütterung zum Stehen.

Noch bevor der Helikopter den Boden berührt hatte, sprangen drei Männer heraus. Ganz in Schwarz und mit silberner Körperpanzerung bekleidet, hielten sie sofort auf die Gruppe von Studenten zu, während der Pilot seine Landung zu Ende brachte.

Er war über den Lärm der Rotoren zwar nur schwer zu hören, aber der erste Mann brüllte trotzdem: »Gareth Winslow?« Er hielt kurz inne, sah jeden Studenten einzeln an und wartete auf eine Reaktion.

»H…hier drüben«, rief Gareth unsicher.

Die drei Männer liefen zu ihm und trafen ihn auf halbem Weg zwischen den Wagen und dem Lagerfeuer.

»Gareth Winslow?«, fragte der Mann erneut. Gareth nickte. »Gut. Bringen Sie mich zu der Fundstelle.«

»Was soll das?«, fragte Dr. Fischer aufgebracht. »Was ist hier los?«

»Das geht Sie überhaupt nichts an«, erwiderte einer der Männer. »Gareth, gehen wir, na los.«

Gareth dachte an seine Abmachung und trat sofort in Aktion. »Okay, kommen Sie. Es ist etwa vierhundert Meter zwischen den Bäumen hindurch.«

Er ging voraus, und die drei Männer und der Rest der Gruppe folgten ihm. Als sie sich der Höhle näherten, hielt einer der Männer Gareth an der Schulter fest. »Warten Sie«, sagte er.

Gareth sah, wie er die kleine Höhle zuerst betrat und eine Minute später wieder herauskam. Dann nickte er den anderen beiden aus dem Hubschrauber zu und stieß wieder zu ihnen. Kurz darauf sprach er die verwirrten Studenten und den Professor an. »Wer leitet diese Expedition?«

Dr. Fischer hob die Hand. »Ich! Würden Sie mir bitte sagen, was hier los ist?«

Der Mann musterte Dr. Fischer abwertend. »So so. Wissen Sie, was sich in dieser Höhle befindet?«

»Ich … ich schätze schon. Wir haben sie heute Morgen durch Zufall entdeckt. Was auch immer dort drin ist, hat das verschollene russische Expeditionsteam umgebracht, dessen Überreste wir hier zu finden gehofft hatten.«

»So viel ist mir schon klar, Dr. Fischer. Ich habe Sie aber gefragt, ob Sie wissen, was genau sie umgebracht hat.«

Dr. Fischer dachte einen Moment lang nach und erwiderte dann: »Ich habe ein paar Vermutungen, aber nichts, was ich jetzt schon mit Überzeugung behaupten könnte.«

»Ich verstehe.« Der Mann marschierte zurück durch die Gruppe, gefolgt von den beiden anderen Männern. Dort gab er seine Befehle, ohne sich umzudrehen. »Markiert die Position und haltet die Koordinaten fest.« Die Männer nickten, machten auf der Stelle kehrt und eilten zurück zur Höhle.

Gareth befand sich am hinteren Ende der Versammlung und sah dabei zu, wie der Anführer wieder in den Helikopter stieg. Er hörte, wie er den Professor vom Inneren des Hubschraubers aus erneut ansprach. »Dr. Fischer, würden Sie bitte einsteigen? Ihre Erfahrung und Expertise bezüglich der Fundstücke aus der Höhle ist für uns von großem Wert.«

»Ich glaube nicht, dass dies …«

Der Mann schnitt ihm abrupt das Wort ab, indem er eine Pistole aus einem Holster an seiner Hüfte zog und sie direkt auf Dr. Fischers Gesicht richtete. »Lassen Sie es mich umformulieren, Professor, damit es nicht so … optional wirkt.«

Dr. Fischer schluckte und begann dann, in den Helikopter zu steigen. »Was ist mit den anderen? Mit den Studenten?«, fragte er.

Die zwei Männer kehrten zurück, anscheinend fertig mit ihrer Aufgabe, und sprangen in den Hubschrauber. Gareth sah sich unter den erschrockenen Studenten um und kämpfte gegen eine zunehmende Welle von Übelkeit.

Was habe ich nur getan?, dachte er. Der Helikopter, besetzt mit dem Piloten, den drei Männern und ihrem Professor, hob jetzt einen Meter vom Boden ab. Die verwirrten Studenten begannen aufgeregt zu rufen.

»Das können Sie nicht machen!«

Einer der Männer erschien jetzt an der offenen Tür des Fluggeräts und stellte Augenkontakt mit Gareth her, während er etwas vom Boden aufhob. Dieses Etwas schwenkte gestützt von einer Art Halterung herum, bis es sich kurz außerhalb der Kabine befand.

Gareth gefror das Blut in den Adern.

Es war ein Gewehr. Ein riesiges Gewehr. Gareth erkannte die gigantischen Patronen, die zu einer Goldkette des Todes zusammengefasst waren. Er stolperte panisch einen Schritt zurück und versuchte Worte zu formen. Wir müssen hier weg, wollte er sagen.

Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er fühlte, wie er abhob und heftig nach hinten gepresst wurde, als er ein neues Geräusch bemerkte. Eine Art rat-tat-tat-tat-Laut. Mit jeder Kugel, die den Lauf verließ und in einen der Studenten eindrang, sah er die Mündung der Waffe aufblitzen. Er wollte seine Augen schließen, aber das war gar nicht notwendig.

Denn jetzt wurde alles um ihn herum schwarz.

DER ENIGMA-VIRUS

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