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DAS GEHT ALLE AN Hebammenmangel statt guter Hoffnung?

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Wir sind schwanger, wir gehen zur Vorsorge, wir kriegen ein Kind – was so einfach klingt, hat sich längst zu einem brisanten politischen Thema entwickelt. Denn natürliche Geburten sind unberechenbar, personalintensiv und dauern oft lange – aber sie bringen wenig Geld. Die Versorgung vor und nach der Geburt ist aufwendig, wird aber nicht leistungsgerecht bezahlt.

In den Jahren 1995 bis 2016 hat sich die Zahl der Betten in Geburtsstationen fast halbiert, von 57.800 im Jahr 1995 auf 30.128 im Jahr 20164. Krankenhäuser schließen ihre Geburtsstationen, weil vor allem natürliche Geburten als unrentabel gelten und schlicht weil Personal fehlt. Fast die Hälfte der im Kreißsaal tätigen Hebammen betreut häufig drei Geburten parallel, es können aber auch mal vier und mehr sein. Eine Eins-zu eins-Betreuung ist nicht zu leisten.

Auch Vor- und Nachsorge sind nicht mehr gewährleistet: Je nach Region finden nach Zahlen des Elternvereins Mother Hood zehn bis 50 Prozent der Schwangeren keine Hebamme. Dies steht in eklatantem Gegensatz dazu, dass jede Familie Anspruch auf die Hilfe einer Hebamme hat – und zwar gesetzlich vorgeschrieben (§ 24d und § 134a Sozialgesetzbuch V). Doch besonders in ländlichen Gebieten, aber auch in Großstädten, müssen sich Eltern sehr früh um Hebammenbetreuung kümmern, um noch Termine zu bekommen.

Vor allem im Wochenbett gibt es zur Hebamme keine Alternative. Sie kann Probleme frühzeitig erkennen, fachkundig beraten und behandeln. In einer Onlineumfrage unter 1000 Müttern5 gaben drei von fünf Frauen ohne Nachsorgehebamme an, dass sie sich im Nachhinein doch eine gewünscht hätten.

Kann man mit einem Neugeborenen bei Fragen nicht einfach in die Klinik, zum Frauen- oder Kinderarzt gehen? Oft bleibt nur diese Option, aber sie bedeutet Stress für Mutter und Kind und setzt sie einem erhöhten Infektionsrisiko aus6. Daher empfehlen wir, dass ihr euch sehr früh um eine Hebamme kümmert. Wer sich informieren oder engagieren möchte, findet hier Auskunft: www.mother-hood.de, hebammenverband.de, unsere-hebammen.de.

Wissenschaftscheck

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Man unterscheidet nicht invasive und invasive Verfahren der Pränataldiagnostik.

Pränataldiagnostik

Der erste Ultraschall, den die Mutterschaftsrichtlinien empfehlen, findet zwischen der neunten und der zwölften Schwangerschaftswoche statt. Dieses sogenannte »Ersttrimesterscreening« kombiniert verschiedene nicht invasive Untersuchungsmethoden, um zu sehen, ob sich das Kind gesund entwickelt. Dabei sucht das medizinische Personal auch nach Erkrankungen, Fehlbildungen oder Chromosomenstörungen. Die Frage lautet: Ist das Kind gesund?

Falls sich beim Ersttrimesterscreening Auffälligkeiten ergeben, die auf eine Chromosomenanomalie hinweisen, wird den Eltern angeboten, zwischen der elften und 14. Schwangerschaftswoche eine Nackentransparenz-Messung (NT) oder einen Bluttest durchzuführen.

Wichtig: Es wird zwar immer wieder gesagt, mit einer NT könne man sehen, »ob das Kind gesund ist«, aber das ist nicht korrekt. Der Test gibt nur Wahrscheinlichkeiten an und die Falsch-Positiv-Rate liegt bei etwa fünf Prozent. Das heißt: Fünf von hundert Föten wird ein Gendefekt bescheinigt, obwohl sie kerngesund sind. Und andersherum: Von den Kindern, die tatsächlich eine Trisomie-21-Anomalie haben, werden 75 von 100 gefunden – und 25 nicht. Um mehr Informationen zu bekommen, können Eltern eine Blutuntersuchung der Mutter durchführen, einen nicht invasiven pränatalen Bluttest (NIPT). Anhand einer Untersuchung des mütterlichen Bluts wird bestimmt, wie hoch das Risiko auf Trisomie 21 (Down-Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) und 13 (Pätau-Syndrom) ist.

Die Tests stehen in der öffentlichen Kritik: Behindertenverbände kritisieren beispielsweise, dass Eltern unzureichend über das Leben mit behinderten Kindern informiert werden und daher keine »freie« Entscheidung treffen können. Die Tests könnten zu Schwangerschaftskonflikten führen und den Rest der Schwangerschaft mit Sorgen und Ängsten überlagern.

Hundertprozentige Tests gibt es nicht

Wir sollten uns klar machen: Hundertprozentig sichere Tests gibt es nicht. Pränataldiagnostik und auch der vermeintlich sichere NIPT geben nur Wahrscheinlichkeiten an, keine Sicherheiten. Auch Mediziner sind nicht immer begeistert: Der NIPT soll bei älteren Schwangeren eine sehr hohe Treffsicherheit haben, doch bei unter 20-Jährigen sinkt seine Aussagekraft unter 50 Prozent. Sie könnten also genauso gut eine Münze werfen9.

Hinzu kommt: Der Test auf Trisomie 21 ist ein reiner Suchtest. Er hat keinerlei therapeutische Konsequenzen. Denn ein Kind mit dieser Anomalie ist voll lebensfähig.Patientenvereine kritisieren, er sei das Ergebnis einer medizinischen Sicht, die ein Kind mit Trisomie 21, 18 oder 13 als »vermeidbares Risiko« einstufe. Dazu passt, dass Eltern sich nach einem positiven Ergebnis auf Trisomie 21, 18 oder 13 zu rund 85 Prozent entscheiden, die Schwangerschaft abzubrechen. Eltern, die ihr behindertes Kind trotz Diagnose zur Welt bringen, berichten von Fragen danach, ob das Kind denn »hätte sein müssen«, und fühlen sich unter Rechtfertigungsdruck.

Bevor wir einem Test zustimmen, müssen wir uns also fragen: Sind wir uns klar darüber, was die Pränataldiagnostik für Dilemmata mit sich bringen kann? Können wir mit Wahrscheinlichkeiten umgehen? Haben wir die psychosoziale Betreuung und Beratung, die wir neben der rein medizinischen Beratung brauchen, wenn das Ergebnis unerwartet ausfällt?

Denn medizinisches Fachpersonal kann uns in diesem Fall nicht sagen, was »richtig« ist. Wir Eltern brauchen jemanden, der uns hilft herauszufinden, was für uns das Richtige ist. Reine Informationen helfen nicht, weil Ängste und Gefühle eine große Rolle spielen. Daher ist jetzt der Moment, um gemeinsam darüber zu sprechen: Wollen wir überhaupt Untersuchungen und, wenn ja, welche? Und was tun wir, wenn das Ergebnis nicht so ausfällt, wie wir es uns wünschen? Unsere Hebamme kann dabei eine wichtige Begleitung sein10.

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