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Wer ist bei der Geburt dabei?

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Auch wenn wir jetzt noch nicht entscheiden können, wo das Kind zu Welt kommt, sollten wir schon jetzt anfangen, uns mit der Frage zu beschäftigen, wer dabei sein soll. Will ich als Vater bei der Geburt dabei sein? In den letzten Jahren ist es fast schon zur gesellschaftlichen Norm geworden, dass Väter bei der Geburt dabei sind. Dafür gibt es gute Gründe: Viele Väter finden es schlichtweg toll, live dabei zu sein, wenn ihr Kind zur Welt kommt. Was für die Geburt noch wichtiger ist: Die meisten Frauen finden es unterstützend, wenn eine nahe Bezugsperson präsent ist – und diese Rolle kann natürlich der Partner gut übernehmen. Wenn das Tandem aus Mutter und Vater funktioniert, gibt das der Gebärenden Sicherheit und hilft ihr durch den Geburtsprozess.

Wenn der Vater bei der Geburt dabei sein will, kommt schon die nächste Frage: »Wie bekomme ich unter der Geburt Unterstützung?« Es kann durchaus vorkommen, dass über längere Phasen der Geburt keine Hebamme für das Paar Zeit hat, beispielsweise weil im Krankenhaus gerade Schichtwechsel, Stress oder Überlastung ist. Wenn der Vater gerade jetzt eine Pause braucht und seine Partnerin nicht allein lassen will, kann es guttun, durch eine weitere Person entlastet zu werden, zum Beispiel durch eine professionelle Doula (Geburtsbegleiterin), die da ist, wenn der Vater mal nicht mehr kann.

Eines soll nicht verschwiegen werden: Kein Mann muss bei der Entbindung dabei sein. Umso wichtiger ist es, frühzeitig entsprechend Unterstützung zu organisieren. Kinder zur Welt zu bringen, war in der Menschheitsgeschichte über Jahrtausende reine Frauensache, erst seit relativ kurzer Zeit sind bei uns immer mehr Väter dabei.

Daraus die Verpflichtung abzuleiten, dass jeder Vater bei der Geburt dabei sein muss, macht wenig Sinn. Jeder Mann sollte sich offen fragen können: »Traue ich mir das zu? Kann ich meine Frau unterstützen?« Wenn ein Vater hier starke innere Widerstände spürt, sind Partnerin, Hebamme oder enge Vertraute die besten Gesprächspartner, um im Lauf der nächsten Monate eine Entscheidung zu treffen.

CHECKLISTE

Woche 0 bis 12

 Feststellung der Schwangerschaft

 Entscheidung: Gehen wir gemeinsam zur Vorsorge?

 Sich freuen, erschrecken, enge Vertraute anrufen – miteinander reden

 Hebamme für Vorsorge, Geburt und Wochenbett suchen

 Bei Bedarf Beratung in Anspruch nehmen

 Geburtsorte (Geburtshäuser, Kreißsäle) anschauen, zu Info-Abenden gehen

 Kontakt zu anderen Eltern aufnehmen

 Kontakt zu anderen Vätern/Vaterfiguren herstellen

SO SIEHT ES

NICOLA | KLAUS

Schaff dir ein Dorf – von Anfang an!

»Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen« – kaum jemand hat diesen Satz nicht schon gehört. Aber wo ist es hin, unser Dorf? Als Single ist ein Dorf auch viel weniger wichtig: Wir haben Freunde, eine Clique vielleicht, aber haben wir Menschen, die wir in eine chaotische Wohnung lassen, wenn wir 40 Grad Fieber haben und dringend eine heiße Suppe brauchen? Bevor ich Kinder hatte, standen nur meine Eltern für solche Notfalleinsätze zur Verfügung.

Aber mit Kindern geht das nicht mehr. Da brauchen wir Menschen, die sowohl unsere Baby-Begeisterung als auch unsere Sorgen und Nöte teilen. Die verstehen, warum wir beim Anblick unseres süßen Babys in glucksende Verzückung ausbrechen und sich genau wie wir fragen, welche Tragetücher und Wickel-Lifehacks die besten sind. Und die wir im Notfall nachts um vier und auf dem Zahnfleisch kriechend anrufen können, damit sie vorbeikommen und einen untröstlich weinenden Säugling in den Schlaf tragen. Man könnte vielleicht denken: Also bitte, solche Hilfe brauchen nur alleinrziehende Eltern. Aber denken wir auch dran, dass unser zweiter Elternteil vielleicht mal lang arbeiten muss, auf Geschäftsreise ist oder schlicht eine Auszeit braucht, und schwups, stehen wir allein da.

Vielen Eltern wird das erst bewusst, wenn das Kind schon da ist. Oft treffen wir jetzt alte Freunde ohne Kinder kaum noch und bald gar nicht mehr, weil unsere Themen und Lebensrhythmen nicht mehr zusammenpassen: Während die anderen arbeiten, sind wir mit dem Baby unterwegs und wünschen uns Kontakt. Wenn die anderen von der Arbeit kommen und Zeit hätten, fängt bei uns schon die Abendroutine an und es geht Richtung Bett, und zwar oft für alle, denn so ein Tag mit Baby kann einen ganz schön schlauchen. Eltern in Elternzeit haben nicht »frei«, es ist eher wie ein Arbeitstag, nur ohne Kaffeetrinken, Meetings oder Mittagspause! Es kann unfassbar anstrengend sein, den ganzen Tag völlig präsent zu sein, immer fremdgesteuert von den Bedürfnissen eines hilflosen kleinen Wesens und den Grenzen des eigenen Körpers, der essen, schlafen und ruhen muss.

Daher hier ein wichtiger Tipp: Baut euch euer Dorf rechtzeitig! Trefft euch mit den Eltern aus dem Geburtsvorbereitungskurs auch außerhalb des Kurses, geht zusammen Babysachen einkaufen, tauscht euch unter Vätern aus. Gerade für Väter ist es wichtig, dass sie das Dorf zu ihrem eigenen Projekt machen. Sonst rutscht der Vater in eine passive Rolle, die euch nicht weiterbringt. Väter brauchen eine eigene Gruppe, wir nennen es: eine eigene Väterbande.

SO SIEHT ES

NICOLA | KLAUS

Vater werden – eine Heldenreise

Frodo Beutlin verlässt das Auenland nur widerwillig, aber sein Auftrag ist so wichtig, dass er ihn nicht ablehnen kann. Wir kennen sie alle: Die Heldenreise, die archetypische Grundstruktur aller richtig guten Mythen, Märchen, Romane und Hollywood-Blockbuster. Ich sage: Auch Vater werden ist eine Heldenreise. Hier im Schnelldurchlauf die wesentlichen Schritte – und was wir Väter daraus für uns mitnehmen können:

Erster Akt: In der Sicherheit seiner gewohnten Welt ereilt den Helden der »Ruf zum Abenteuer« – in unserem Fall in Form eines profanen Pappstreifens, der verkündet: Du wirst Vater! Oft weigert sich der Held zunächst, den Ruf anzunehmen. Er zieht sich in sich selbst zurück oder mit den alten Kumpels noch einmal um die Häuser. Manchmal braucht es auch einen kleinen Schubs von einem Mentor. Er bekennt sich zu seiner Vaterschaft und überquert so die Schwelle in eine andere Welt, die der werdenden Väter. Nun gibt es kein Zurück mehr – einmal Vater, immer Vater.

Zweiter Akt: Auf der Reise in die Vaterschaft muss unser Held Prüfungen bestehen: Infoabende in Kliniken und über Hypnobirthing, Schwangerschaftsyoga und Nestbauattacken. Er lernt neue Freunde kennen (im Geburtsvorbereitungskurs) und trifft auf Feinde, die sich rückwirkend als Helferwesen entpuppen: etwa die unfreundliche Dame am Tresen der Klinik, die dem Helden beibringt, wie man(n) sich mutig für die Belange seiner Familie einsetzt. Zum Schluss wird es noch mal richtig eng: Der Held muss alle seine Kräfte aufbieten und gewinnt im finalen Countdown den Schatz – in unserem Fall das Baby im Kreißsaal. Jetzt kann er mit Frau und Kind die Rückreise in die alte Welt und Heimat antreten.

Dritter und letzter Akt: An der Schwelle zur alten Welt erwartet den Helden eine letzte Prüfung: Das Wochenbett. Hier muss der Held noch einmal alles geben, sich um Frau und Kind kümmern, lästige Verwandte abwimmeln und gute Freunde als Unterstützer gewinnen, bevor die Welt von seinem Schatz, dem Baby, und seiner Transformation zum Vater profitieren kann. Allerdings hat das Heldenleben damit längst kein Ende, denn das Muster der Heldenreise wird sich ständig wiederholen: Immer wieder wird uns ein »Ruf« ereilen (Koliken, Zähne, Laufen, Kita, Einschulung). Wir werden wieder aufbrechen und Prüfungen bestehen müssen. Mit der Zeit werden wir lernen, dass wir immer wieder neue Freunde und Unterstützer finden und die vermeintlichen Feinde in Wahrheit Helferwesen sind, mit deren Hilfe wir uns weiterentwickeln.

YOU HAVE A NEW MESSAGE

»Alkohol, Drogen und Kinder – das passt nicht zusammen. Ich brauche euch wach und anwesend, sonst kann ich mich nicht richtig entwickeln. Wenn das schwerfällt, habt Vertrauen und holt euch Hilfe.«

Vater werden

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