Читать книгу Das Herz der Feuerinsel - Nicole-C. Vosseler - Страница 15

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Vom Hotel Des Indes am Molenvliet war es noch eine lange Fahrt bis zum Koningsplein, aber eine, die mit einer bezaubernden Aussicht aufwarten konnte. Ein nobles Hotel reihte sich an das nächste; breite Straßen führten an eleganten Geschäftshäusern vorbei und an in tropischen Gärten zurückgesetzt stehenden Wohnhäusern, die man guten Gewissens als Villen bezeichnen konnte. Danach wurde es ruhiger, fast ländlich; Baumriesen spendeten kühlen Schatten, und in ihren Kronen sangen Vögel und schrillten Zikaden. Der Wagen bog links ab, und eine große, an den Rändern baumbestandene Freifläche dehnte sich auf Jacobinas rechter Seite aus.

»Koningsplein«, erklärte Budiarto stolz über die Schulter hinweg. »Tuan de Jong sagt, holländisch Stadt Uutreckt passt rein.«

Jacobina brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, dass er Utrecht gemeint hatte, und schmunzelte dann über so viel charmante Übertreibung, wenn dieser unbefestigte Platz auch tatsächlich von riesenhaften Ausmaßen war.

Der Wagen bog erneut ab und rollte eine verwunschen wirkende Straße entlang, mehr ein Feldweg, der zwischen dem Koningsplein auf der einen und prachtvollen Gärten auf der anderen Seite hindurchführte, deren Laubbäume und Palmen immer wieder weiße Hausfassaden hervorblitzen ließen.

»Willemskerk«, erklärte Budiarto mit wissendem Nicken, doch der säulenumstandene Kuppelbau, an dem sie vorüberfuhren, glich für Jacobina mehr einem Observatorium denn einer Kirche.

Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, als der Wagen auf einen Zufahrtsweg einscherte, der sich anmutig durch einen saftig grünen Rasen wand. Jacobina streckte den Kopf unter dem Verdeck hervor und bewunderte den großzügigen Garten mit seinen vielfältigen Bäumen und den Sträuchern, die in üppiger roséfarbener, primelgelber und türkischroter Blüte standen, und rote, weiße und blaue Blumen quollen aus den Schalen hervor, die auf Steinsockeln den Wegesrand zierten. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als das Wohnhaus mit dem rostroten Ziegeldach näher kam, das einzige zweigeschossige weit und breit. Die glatte Fassade mit den hohen, rechteckigen Fenstern und den weiß lackierten Holzläden wirkte schlicht und dadurch umso erlesener. Schmucklose Säulen umliefen das untere Stockwerk und bildeten eine luftige Veranda, und in der Mitte der Hausfront führten Steinstufen zur Eingangstür hinauf, die nach innen offen stand.

Eine einheimische Frau in bunt gemustertem Wickelrock und passender langärmliger Bluse kehrte gerade den Boden. Als der Wagen vorfuhr und dann hielt, reckte sie den Kopf, ließ den Reisigbesen fallen und rannte ins Haus. Und auch der kleine Junge im Matrosenanzug, der gerade noch gelangweilt auf den Stufen herumgeturnt war, sauste ihr hinterher.

Kaum dass Budiarto ihr aus dem Wagen geholfen hatte, kamen vier junge Männer in lockeren Hemden und Hosen angelaufen und nahmen sich unter Lächeln, Nicken und Selamat-datang-Rufen des Gepäcks an. Aus der Haustür trat eine einheimische Frau in smaragdgrüner Bluse und Wickelrock; das jettschwarze Haar zu einem strengen Knoten hochgesteckt und die Hände vor dem Schoß zusammengelegt, lächelte sie Jacobina entgegen.

»Terima kasih, vielen Dank«, verabschiedete sich Jacobina von Budiarto mit einem der wenigen malaiischen Ausdrücke, die sie kannte, holte tief Luft, packte ihre Reisetasche fester und ging die Stufen hinauf.

»Selamat datang, noni van ter Beck«, begrüßte die Frau sie, legte die Handflächen gegeneinander und verbeugte sich vor ihr. »Ich Ratu. Bitte. Kommen hier.« Mit einer einladenden Geste begleitete sie Jacobina ins Haus und bedeutete ihr mit weiteren Handbewegungen, kurz zu warten. »Nyonya besar gleich hier«, sagte sie mit einem Kopfnicken und entfernte sich mit kleinen, anmutigen Schritten.

In der weitläufigen Halle mit ihren Säulen war es kühl, Weiß war die vorherrschende Farbe; eine geschnitzte und bunt bemalte Truhe, verschiedene Tischchen und Rattanstühle und eine Kommode aus dunklem Holz bildeten einen harmonischen Kontrast, und eine hohe Bodenvase in Blau und Gold, zum Bersten mit langen exotischen Blütenrispen gefüllt, bot einen Blickfang. Die vier jungen Männer schleppten Jacobinas Gepäck die Treppe hinauf, warfen über die Schulter hinweg immer wieder Blicke zu ihr herunter, nickten und lächelten, und Jacobina lächelte unsicher zurück.

»Fräulein van der Beek, wie schön!«, erklang eine Frauenstimme, und Jacobina drehte sich um. Lachend und in schwungvollem Schritt kam nyonya besar, die Herrin des Hauses, auf sie zu. »Margaretha de Jong, guten Tag. Hatten Sie eine gute Reise?« Sie sprach mit einem schweren Zungenschlag, der die Akzente des holländischen Singsangs verschob und manche Laute schärfte.

»Ja, vielen Dank«, erwiderte Jacobina und drückte die Rechte, die Frau de Jong ihr herzlich entgegenstreckte. Sie wusste nicht, wohin sie schauen sollte; statt eines Kleides oder Rock und Bluse nach westlicher Manier trug Frau de Jong einen einheimischen Wickelrock in Weiß und Blau, der ihr nicht einmal bis zu den Knöcheln reichte, und eine lose, langärmlige Bluse aus einem dünnen weißen Baumwollstoff, unter dem ihr Hemdchen durchschien. Und sie war barfuß.

Jacobina zwang sich, ausschließlich in das Gesicht von Frau de Jong zu schauen, die nur wenig älter sein mochte als sie selbst, Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig. Ein sehr hübsches Gesicht war es, mit fein geschnittenen, zart gebräunten Zügen, einem geschwungenen Mund von natürlichem Rot und umrahmt von mahagonidunklem Haar, das zu einem ähnlich strengen Knoten frisiert war wie bei Ratu. Und das Saphirblau der Augen wiederholte sich in den blauen Steinen der filigranen Ohrgehänge aus Gold, die bei jeder der temperamentvollen Bewegungen Frau de Jongs pendelten und schaukelten.

»Bitte entschuldigen Sie, dass keiner von uns Sie abgeholt hat«, sagte Frau de Jong und unterstrich ihre Worte mit einem offenen Lachen; eine lebenssprühende Energie ging von ihr aus, die Jacobina gefiel. »Mein Mann wurde auf die Schnelle in die Garnison bestellt, und ich habe Gäste.« Wie auf Geheiß hörte Jacobina von draußen Frauenstimmen, die vergnügt durcheinanderredeten. »Aber Budiarto hat Sie ja gut hergebracht. Ach, ich rede und rede – Sie wollen sich gewiss frisch machen!« Freundlich legte sie Jacobina die Hand auf den Oberarm. Unwillkürlich presste Jacobina die Arme enger an den Körper; sie hoffte, nicht allzu unangenehm zu riechen, nassgeschwitzt wie sie war. »Ratu zeigt Ihnen das Zimmer.« Frau de Jong nickte der Bediensteten zu, die sich mit gefalteten Händen im Hintergrund gehalten hatte. »Kommen Sie einfach wieder runter, wenn Sie fertig sind, ja?«

Während sie Ratu die Treppen hinauf folgte, sah Jacobina Frau de Jong hinterher, die mit gerafftem Wickelrock durch die Halle ging; nicht ganz so anmutig wie Ratu, aber immer noch mit einer geschmeidigen Eleganz, trotz ihrer bloßen Füße.

»Reise lang, ja?«, erkundigte sich Ratu mitfühlend.

»Ja, sehr«, entgegnete Jacobina. Aufmerksam besah sie sich den langen Korridor mit dem glänzenden dunklen Holzboden und den weißen Türen. Eine davon stand offen, und hier machte Ratu halt und wies einladend in den Raum dahinter. »Hier noni van ter Beck. Da«, sie deutete auf die gegenüberliegende Tür, »nyo Jeroen und non Ida.« Die Kinder, derentwegen sie hier war; bislang nur zwei Namen ohne Gesicht und ohne Persönlichkeit. Jacobina nickte. Sie trat über die Schwelle und sah sich flüchtig in dem dämmrigen Raum um.

»Helfen?«, fragte Ratu und wies auf die säuberlich aufgestapelten Koffer und Hutschachteln.

»Nein, danke, geht schon.«

»Wenn brauchen – bitte hier«, erklärte Ratu und zeigte ihr die Klingel für das Personal; dann legte sie die Hände gegeneinander und verneigte sich, bevor sie sanft die Tür hinter sich schloss.

Geraume Zeit stand Jacobina einfach nur da und ließ die Augen durch das Zimmer schweifen. Es war nicht übermäßig groß, aber durchaus geräumig. Gegenüber dem breiten Bett unter dem zurückgeschlagenen Moskitonetz, das den Winkel links der Tür einnahm, hatten ein Waschtisch mit Spiegel und ein Schrank Platz gefunden, alles aus dem schön gemaserten Holz, das Jacobina schon in der Halle bewundert hatte, und unmittelbar neben das Fenster war ein kleiner Sekretär nebst Stuhl gerückt. Die de Jongs hatten wirklich an alles gedacht. Ein kleines Lächeln umspielte Jacobinas Mund. Mein neues Zuhause.

Sie stellte die Reisetasche auf den Boden, nahm ihren Hut ab und legte ihn auf den obersten der Koffer. Schritt um Schritt durchwanderte sie das Zimmer, ließ hier und dort ihre Finger über eine polierte Oberfläche gleiten, drückte prüfend die abgespreizten Finger in die Matratze und warf einen Blick in den Schrank. In einem der Fächer lagen zwei sorgsam gefaltete Blusen von derselben Art, wie Frau de Jong sie trug, und darunter ein rot und braun gemusterter Stoff, wohl einer dieser Wickelröcke. Jacobina schloss die Schranktür und ging zum Fenster. Eine Porzellanvase mit einem Bund tropischer Blumen schmückte den Sekretär, und ein Zweig mit fuchsiafarbenen Blüten war auf dem Tablett daneben arrangiert. Verlangend sah Jacobina den Glaskrug an, der bis zum Rand mit einer trüben Flüssigkeit gefüllt war, in der kleingeschmolzene Eisstückchen schwammen. Eingedenk der Verhaltensregeln, die ihr Henriks Apothekerfreund in Bezug auf Essen und Trinken eingeschärft hatte, zögerte Jacobina noch, schluckte aber unwillkürlich trocken; die Zunge klebte ihr am Gaumen. Kurzerhand schenkte sie sich das Glas voll. Frisch schmeckte das Getränk, zu gleichen Teilen süß, sauer und würzig, und sie musste sich beherrschen, nicht alles in einem Zug herunterzustürzen, sondern in kleinen Schlucken zu trinken.

Jacobina trat näher an das Sprossenfenster, das nach innen aufstand. Sie löste den Riegel des Fensterladens, schob einen Flügel ein Stück auf, spähte hinaus und öffnete ihn dann weiter. Schwül schlug ihr die Mittagsluft entgegen, aber es war die Aussicht, die ihr den Atem stocken ließ. Von ihrem Fenster aus sah sie über weite Rasenflächen und in voller Blüte stehende Hortensiensträucher hinweg direkt in die Kronen alter, dicht belaubter Bäume, aus denen die hellen Klänge des Zikadengesangs herüberzitterten. Einzelne Baumstämme waren von Farbtupfern übersät: Orchideen in Violett, Weiß und Kanariengelb, die sich als bunte Girlanden um die graue Baumrinde wanden. Jeden Tag werde ich das von nun an sehen. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe. Jacobina fühlte sich wie im Paradies angekommen, während sie einfach nur dastand, in den Garten schaute und langsam ihr Glas leertrank.

Erst das Lachen der Frauen auf der Veranda unter ihr holte sie in die Wirklichkeit zurück und erinnerte sie daran, dass sie zum Arbeiten hier war und nicht zum Vergnügen. Rasch verschloss sie den Fensterladen, und in plötzlicher Eile hastete sie im Zimmer hin und her, um sich zu waschen, neu zu frisieren und umzuziehen.

Aufrecht, in dunkelblauem Rock und weißer Bluse, jeder Zoll das, was sie sich selbst unter einer Hauslehrerin vorstellte, ging sie die Treppe hinunter, an deren Fuß Ratu bereits auf sie wartete.

»Bitte«, sagte sie zu Jacobina und wies mit der flachen Hand auf eine weitere einheimische Frau, an die sich links und rechts die beiden Kinder schmiegten. Mit klopfendem Herzen ging Jacobina auf sie zu und mit einem Anflug von schlechtem Gewissen, weil die Kinder wohl schon länger hier ausharrten, während sie oben herumgetrödelt und die Aussicht genossen hatte.

»Ist Melati«, erklärte Ratu. »Babu von nyo Jeroen und non Ida. Seit Geburt.«

Melati, die Kinderfrau, blickte ausdruckslos, als Jacobina sie zaghaft begrüßte. Sie war noch jung, wenn auch nicht auf ein genaueres Alter zu schätzen, denn sie hatte Spuren von Müdigkeit und Kummer in ihrem flächigen Gesicht und in den dunklen Augen. An der rechten Hand hielt sie den kleinen Jungen im Matrosenanzug, der bei Jacobinas Ankunft so schnell im Haus verschwunden war. Ein schmales Kerlchen mit verblüffend scharf geschnittenen Zügen und großen, dichtbewimperten blauen Augen. Sein braunes Haar war bis dicht auf die Kopfhaut heruntergeschoren, und immer wieder kratzte er sich mit der freien Hand verstohlen an der Hosennaht oder unter der Achsel, wo ihn der Matrosenanzug offensichtlich kniff. Seine Schwester war nur halb zu sehen, furchtsam drückte sie sich so eng an ihre babu, dass sie fast dahinter verschwand. Bis eine gute Handbreit unters Kinn reichte ihr das blonde Haar, in das eine weiße Schleife gebunden war; weiß wie das luftige Kleidchen mit Puffärmeln, das sie trug, und in ihrem runden Gesicht, das gerade erst den Babyspeck verlor, leuchteten die gleichen blauen Augen wie die ihres Bruders. Die leichte Bräune der beiden Kinder ließ darauf schließen, dass sie sich viel im Freien aufhielten.

Jacobina hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie tun oder was sie sagen sollte. Auch nicht, was von ihr erwartet wurde – sollte sie sich mit den Kindern anfreunden oder ihnen als Respektsperson begegnen? Der Schweiß brach ihr aus und lief ihr den Rücken hinab, und dass Melati und Ratu schweigend zusahen, machte es nicht besser. Wahrscheinlich war es grundfalsch, das zu tun, aber da Jacobina es sich furchteinflößend vorstellte, wenn man so klein war wie die beiden und jemand so Hochgewachsenes wie sie selbst vor einem stand, ging sie in die Knie.

»Du bist also Jeroen«, sprach sie den Jungen unsicher lächelnd an. Er nickte nur, und eine beklemmende Stille setzte sich in der Halle fest, ungeachtet der fröhlichen Stimmen draußen auf der Veranda. »Und du musst Ida sein.« Das kleine Mädchen blickte ihr verängstigt entgegen. Erst jetzt sah Jacobina die Puppe, die Ida umklammert hielt und die größtenteils durch Melatis Wickelrock verdeckt wurde. »Und wie heißt deine Puppe?« Ida sah fragend zu Melati hinauf, die ihr auf Malaiisch etwas zuflüsterte.

»Lo … la«, piepste das Mädchen Jacobina gehorsam entgegen.

»Lola? Das ist ein ganz besonderer Name. Ist bestimmt auch eine ganz besondere Puppe.« Jacobina kam sich täppisch vor, wie einer jener Erwachsenen, die sich leutselig auf eine Stufe mit Kindern stellten, dabei aber nur herablassend und unnatürlich wirkten. Aber nachdem Melati dem Mädchen erneut etwas zugeraunt hatte, zog Ida verlegen eine Schulter hoch, drückte ihre Wange dagegen und zeigte ein schüchternes Lächeln. Mit gekrümmtem Zeigefinger wies sie dann auf Jacobina, die sofort verstand. »Ich bin Fräulein van der Beek. Jacobina van der Beek.«

»Bi…na«, quietschte Ida vergnügt und zeigte dabei ihre weißen Zähnchen.

Jacobina lächelte. »Ja, Bina. Mein großer Bruder nennt mich so. Ich habe auch einen großen Bruder, genau wie du.« Sie nickte in Richtung von Jeroen, der sie mit regloser Miene anstarrte. »Darf ich mir Lola denn mal ansehen?«, wandte sie sich wieder an Ida, und nach einem weiteren Einwurf Melatis schüttelte das kleine Mädchen so heftig den Kopf, dass seine blonden Haare flogen und die Schleife in Schieflage geriet, lächelte aber dabei. Aus dem Augenwinkel sah Jacobina, wie Jeroen plötzlich angespannt wirkte und sich gleichzeitig bemühte, nicht allzu sehr herumzuzappeln. »Ich … ich hab oben ganz viele Sachen«, platzte er mit feinem Lispeln heraus, das Holländisch hörbar ungewohnt im Mund. »Willst du sehen?«

Fragend sah Jacobina erst Ratu, dann Melati an, und als ihren verhaltenen Mienen abzulesen war, dass sie darin zumindest kein Tabu sahen, nickte Jacobina. »Sehr gerne.«

Jeroen spurtete los und rannte die Treppen hinauf; über seine Schulter hinweg rief er seiner Schwester etwas auf Malaiisch zu, und zögerlich setzte sich diese an Melatis Hand in Bewegung.

Im Spielzimmer der Kinder vergaß Jacobina alles um sich herum, während Jeroen ihr seine Sammlung an Zinnsoldaten vorführte, seine Eisenbahn und sein Schaukelpferd, Ida dann doch Lola herzeigte und, nachdem Jacobina sie gebührend bewundert hatte, auch das schöne große Puppenhaus mit den winzigen Bettchen, Tischchen und Tellerchen. Melati ging irgendwann hinaus und brachte Limonade und Kekse für die Kinder und Jacobina und überließ sie dann ganz sich selbst. Jeroen sprach nur leidlich Holländisch, Ida so gut wie keines, wenn sie auch manches zu verstehen schien, und so verständigten sie sich mehr schlecht als recht in beiden Sprachen, vor allem aber mit Blicken, Gestik und Mimik. Jeroen hatte längst seine Schuhe ausgezogen und einfach an Ort und Stelle liegengelassen, dann seiner Schwester geholfen, sich ihrer ebenfalls zu entledigen, und weil es sich auf dem Boden schlecht damit kauerte, war Jacobina ihrem Beispiel gefolgt.

Sie war gerade dabei, zum wiederholten Mal unter den gespannten Blicken der beiden einen möglichst hohen Turm aus Bauklötzen zu errichten, den Jeroen danach unter Gepolter umzuwerfen gedachte. Ein Vergnügen, das die Kinder jedes Mal in den höchsten Tönen kreischen und lachen ließ; »noch mal« war womöglich die erste Vokabel, die die kleine Ida auf Holländisch zu sprechen lernte. Unvermittelt ruckte Jeroens Kopf hoch; »Papa!«, brüllte er aus vollster Kehle, sprang auf und rannte zur Tür.

Jacobina zuckte zusammen, erschrak noch einmal, als der Turm unter ihrer fahrigen Bewegung mit dem letzten Holzklotz krachend einstürzte, und wieder, als ihr Blick auf den Mann in schwarzblauer Uniform fiel, der mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und ihnen wohl schon seit einiger Zeit zugesehen hatte. Lachend ging er in die Knie und breitete die Arme aus, fing darin erst seinen Sohn auf, danach seine Tochter, die sich ebenfalls auf die Beinchen gestellt hatte und auf ihn zugelaufen war. Er küsste beide auf die Wange und erhob sich dann mit Ida auf dem Arm. Jeroen umklammerte mit beiden Ärmchen den Oberschenkel seines Vaters und schmiegte sein Gesicht daran. »Mein Papa«, verkündete er stolz. »Der Held!«

Jacobina rappelte sich ungeschickt auf; das Gesicht erhitzt und die Frisur zerzaust, deutete sie einen Knicks an. »Guten … Guten Tag, Mijnheer.« Mit zittrigen Knien wartete sie darauf, auf der Stelle wieder nach Hause geschickt zu werden, zumindest aber eine Rüge erteilt zu bekommen, den ersten Nachmittag als Hauslehrerin mit Spielereien vergeudet und sich gleich zu Anfang jede Möglichkeit verbaut zu haben, dass die Kinder sie ernst nahmen.

Der Major musterte sie eindringlich aus Augen, klarblau wie der Himmel an einem frostigen Morgen, die halb verborgen waren unter einer starken, hervorspringenden Brauenpartie. Von mittelgroßem Wuchs und breitschultrig, wirkte er kräftig, fast bullig, aber wie der Sitz seiner Uniform verriet, war er eher muskulös als korpulent, und sein kurz gehaltenes welliges Haar und der Bart glänzten rötlich, in der Farbe von altem Cognac. Es war ein herbes Gesicht, das Jacobina entgegensah, mit eckigen, geradezu groben Konturen, ein Gesicht, das einem Respekt abnötigte. Die tiefen Linien beiderseits seiner Mundwinkel, der scharfe Kniff über der Nasenwurzel und die strahlenförmigen Gravuren unter den Augen ließen ihn deutlich älter wirken als Frau de Jong, Anfang, Mitte vierzig vielleicht.

»Fräulein van der Beek, nehme ich an«, ließ er sich schließlich vernehmen, mit einer grollenden Stimme, die jedoch nicht unfreundlich klang, und streckte ihr die Rechte entgegen; er sprach dasselbe schwerfällige Holländisch wie seine Frau. Jacobina stolperte über die Bauklötze, die sie für den Moment vergessen hatte, und kam taumelnd vor ihm zu stehen.

»Major Vincent de Jong«, stellte er sich vor und drückte ihr mit seiner Pranke fest die Hand. »Angenehm.« Sein Blick schweifte über das Durcheinander aus Bauklötzen, Schuhen, Puppen und Zinnsoldaten, das sich über den Boden verteilte, und um seinen Mund zuckte es. »Wie ich sehe, haben Sie sich gleich nach Ihrer Ankunft in die Arbeit gestürzt.«

Jacobina setzte zu einer Entschuldigung an, aber Ida kam ihr zuvor.

»Noch maaal«, piepste sie den neu gelernten Ausdruck und kuschelte sich an den Hals ihres Vaters.

Vincent de Jong lachte, ein dröhnendes, polterndes Lachen, und drückte seine Tochter an sich. »Ihre Methode scheint auf jeden Fall jetzt schon erfolgreich, Fräulein van der Beek.« Ernster fügte er hinzu: »Das hatten wir uns in etwa unter Ihrer Aufgabe vorgestellt. Dass Sie sich mit den Kindern beschäftigen. Sie beim Spiel anleiten, mit ihnen malen oder singen und dass die beiden dadurch die Sprachen lernen. Vor allem Holländisch.« Er sah auf Jeroen hinab und strich ihm über den Kopf, ließ seine Finger über die Ohrmuschel des Jungen gleiten und schließlich auf dessen Wange ruhen; es rührte Jacobina an, wie liebevoll dieser vor Kraft strotzende, eisern wirkende Mann mit seinen Kindern umging. »Wir geben uns zwar Mühe, Holländisch mit ihnen zu sprechen, aber bei meiner Frau und mir ist die Muttersprache nicht mehr so frisch. Dafür sind wir schon zu lange hier. Und wir sind beide sehr eingespannt, sodass die zwei den ganzen Tag fast nur Malaiisch hören.« Der Major schien zu zögern, dann sah er Jacobina unverwandt an. »Es entspricht sicher nicht den sonstigen Gepflogenheiten … Aber meine Frau und ich würden uns freuen, wenn Sie mit uns zu Abend essen. Dann können wir uns auch gegenseitig ein bisschen kennenlernen und vielleicht noch die eine oder andere Formalität besprechen.«

»Sehr gerne, Herr Major«, erwiderte Jacobina und deutete einen Knicks an.

»Wir essen um acht.« Er nickte ihr kurz zu, nahm Jeroen bei der Hand und wandte sich halb zum Gehen, blieb dann jedoch noch stehen. »Ach, und Fräulein van der Beek …« Seine Stirn hatte sich in wulstige, grimmig wirkende Falten gelegt, um seine Mundwinkel aber zuckte es. »Lassen Sie bloß diese Knickserei sein. Wir sind nicht bei Adels.«

Jacobina unterdrückte ein Lächeln. »Ja, Herr Major.«

Sanftes Lampenlicht flutete den hohen, weitläufigen Raum und sammelte sich auf dem Blumenbouquet in der Mitte des ovalen Tischs. Porzellan, Kristall und Silber glänzten auf dem weißen Damasttuch, und das sanfte Klingen des Tafelbestecks klang noch feiner vor dem Lied der Zikaden, das durch die Fenster hereinströmte. Zimtdunkle, tomatenrote und sonnengelbe Currys aus Gemüse, Früchten und Fleisch standen in Schüsseln auf dem Tisch; gebratene Bananenscheiben, gebratenes Huhn und Ente, in kleine Stücke geschnitten, gedämpfter Fisch und Meeresfrüchte, dazu gab es Reis und sämige Saucen in Rot und Grün – die berühmte rijsttafel, die Reistafel Ostindiens, die das in Weiß und Braun gehaltene Speisezimmer mit einem starken, nuancenreichen Aroma erfüllte, gleichermaßen fruchtig-süß wie pfeffrig.

»Schmeckt es Ihnen nicht?«, erkundigte sich Frau de Jong besorgt.

Auf ihrem Platz gegenüber schrak Jacobina auf; tatsächlich hatte sie nur in dem Reis auf ihrem Teller herumgestochert, auf dem einer der Bediensteten nach genauen Anweisungen des Majors eine Auswahl der Speisen angerichtet hatte. Mechanisch hatte sie seither ein bisschen von ihrer Reise erzählt, höfliche Allerweltsbemerkungen von sich gegeben und mit halbem Ohr den Erwiderungen der de Jongs zugehört. »Doch, es schmeckt vorzüglich!«, beeilte sie sich zu beteuern.

»Das können Sie wohl kaum beurteilen«, ließ sich Herr de Jong vom Kopfende des Tischs vernehmen. Seine Augen funkelten im Lampenschein des Speisezimmers, und sein Mund verzog sich halb aufwärts, als er mit dem Zeigefinger auf Jacobinas unangetastet gebliebenen Teller deutete. »Dazu hätten Sie erst einmal probieren müssen.«

Jacobina wurde rot; plötzlich fühlte sie sich den Tränen nahe, nachdem der erste Tag ihres neuen Lebens in Batavia doch bislang ein solch schöner, vielversprechender gewesen war. Zumindest, bis Ratu ihr auf ihre Bitte hin das Badezimmer gezeigt hatte, das sich unten befand, im hinteren Teil des Hauses. Den Raum mit seinen bemalten Wänden, den hohen Spiegeln und dem Marmorboden, der Topfpalme und den Orchideen in großen Steingutkübeln hatte sie zwar als sehr hübsch und vor allem als angenehm kühl empfunden – zu ihrem Entsetzen hatte ihr dann jedoch gedämmert, dass eine malaiische Bedienstete beim Bad zugegen sein würde. Das noch sehr junge Mädchen hatte sich nicht fortschicken lassen und mit entschiedener Gestik und Mimik darauf beharrt, Jacobina beim Auskleiden zu helfen. Vor die Wahl gestellt, sich vor einer Fremden auszuziehen oder verschwitzt zu bleiben, hatte Jacobina schließlich nachgegeben. Dasselbe Mädchen war es auch gewesen, das unermüdlich mit einem Holzeimer Wasser aus der Zisterne in der Ecke geschöpft und Jacobina damit übergossen hatte, während sie auf einem Lattengestell aus Holz stand und sich wusch, das Wasser unter ihr über den Boden plätscherte, sich in einer Ecke sammelte und gurgelnd durch einen Abfluss verschwand. Jetzt fühlte sich Jacobina zwar sauber und erfrischt, und sie mochte den blumigen Duft, den die Seife und das Öl, das das Mädchen ihr hinterher mit Nachdruck gereicht hatte, auf ihrer Haut und in ihrem Haar hinterlassen hatten, aber sie fühlte sich auch bis ins Mark bloßgestellt. Fast wie zuletzt während ihrer Reise, als sie seekrank gewesen war.

»Hier ist alles sehr fremd für Sie, nicht wahr?«, kam es behutsam von Frau de Jong. In ihrem Kleid nach europäischer Mode, fußlang und schmal in Creme und Blau, mit enger Taille und ellenbogenlangen, rüschenbesetzten Ärmeln, das Haar zu raffinierten Schlaufen und Kringeln aufgesteckt, wirkte sie auf Jacobina reifer und ernster als tagsüber in Wickelrock und Bluse und auch ein bisschen strenger.

»Ja. Entschuldigung«, murmelte Jacobina; sie fürchtete, sich mit diesem Neuanfang in der Fremde mehr zugemutet zu haben, als sie zu meistern in der Lage war. Und die Angst, sich zu blamieren und womöglich schamgesenkten Hauptes nach Hause zurückkehren zu müssen, war übermächtig.

»Dafür müssen Sie sich doch nicht entschuldigen!«, rief Frau de Jong mit einem herzlichen Lachen aus. »Das geht jedem so. Ich hatte am Anfang auch meine Schwierigkeiten. Sie werden sich schneller daran gewöhnen, als Sie glauben!«

Jacobina nickte; ihre Anspannung ließ ein wenig nach, und sie belud ihre Gabel mit Reis und Gemüse. »Leben Sie schon lange hier?«, fragte sie; gleich darauf schnappte sie verstohlen nach Luft, und ihre Augen wurden feucht, denn das scharf gewürzte Gemüse brannte ihr auf der Zunge.

Frau de Jong nahm ihr Weinglas auf und überlegte. »Sechs Jahre sind es mittlerweile. Bei meinem Mann ist es noch viel länger.« Fragend sah sie Herrn de Jong an.

Der Major, der selbst zum Essen seine Uniform trug, hatte den beiden Frauen mit aufgestützten Ellenbogen und verschränkten Händen zugehört und griff nun wieder zu seinem Besteck. »Mehr als zwanzig Jahre. Als blutjunger Soldat bin ich geradewegs von der Militärakademie nach Ostindien gegangen. Zuerst in den Dschungel von Borneo, um dort gegen die Aufständischen zu kämpfen. Dann ging es fast zehn Jahre zwischen Borneo, Magelang und Batavia hin und her, und danach war ich gut zwei Jahre im Krieg in Atjeh.«

Über die Kämpfe in Atjeh, ein Sultanat an der nördlichen Spitze Sumatras, hatte Jacobina in der Zeitung gelesen, und ihr Vater und Henrik hatten viel darüber diskutiert. Ein blutiger Krieg war es gewesen, in dem die Niederländer in zwei dicht aufeinanderfolgenden Feldzügen Atjeh, strategisch günstig gelegen und reich an Pfeffer und Palmöl, als Teil Niederländisch-Ostindiens beansprucht und schließlich dem Kolonialreich einverleibt hatten. Jüngst erst hatte Julius van der Beek geunkt, dass dieser Krieg noch lange nicht vorbei sei und irgendwann weiteren Blutzoll fordern würde. Mit einem Mann am Tisch zu sitzen, der diese Gefechte hautnah miterlebt hatte, stimmte Jacobina nachdenklich, und sie fragte sich, was Vincent de Jong dort wohl alles gesehen und erlitten hatte.

»Das Militär hat in meiner Familie eine lange Tradition«, fuhr er zwischen zwei Bissen fort. »Haben Sie auch Offiziere in Ihrer Familie?«

Jacobina senkte rasch den Blick auf ihren Teller; es berührte sie unangenehm, dass der Major gerade sein Messer ableckte. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sowohl die van der Beeks als auch die Steenbrinks, die Familie meiner Mutter, sind alle entweder im Handel tätig oder Bankiers.«

»Bei mir ist es ähnlich«, sagte Frau de Jong. »Mein Vater hatte einen gut gehenden Tuchhandel, bevor er sich zur Ruhe setzte und die Firma verkaufte. Firma Achterkamp in Amsterdam.« Ihr Lächeln hellte sich weiter auf. »Ich komme aus derselben Stadt wie Sie, Fräulein van der Beek! Am liebsten wäre es meinem Vater gewesen, ich hätte einen Nachfolger für die Firma geheiratet, aber ich hatte schon immer eine Schwäche für Männer in Uniform.« Liebevoll, fast bewundernd sah sie den Major an.

»Meine Schwester hat uns miteinander bekannt gemacht, als ich auf Heimaturlaub war«, erzählte Herr de Jong. »Sie war der Ansicht, mit fast vierzig sei es für mich allerhöchste Zeit, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Und ich konnte tatsächlich dieses liebreizende Geschöpf«, er fing den Blick seiner Frau auf und nahm ihre Hand, »dazu überreden, mit mir nach Java zu kommen.«

Frau de Jong lachte. »So viel Überred…« Sie sah Jacobina an. »Heißt das so – Überredungskunst?« Als Jacobina bejahte, fuhr sie fort: »So viel Überredungskunst hat es ja nicht gebraucht.« Verlegen, wie es schien, entzog sie ihm ihre Hand, und der Major bedeutete den im Hintergrund bereitstehenden Bediensteten, den Tisch abzuräumen.

»Da wir es eben von Geschäften und Banken hatten«, ergriff er wieder das Wort. »Ich habe mir überlegt, ob ich nicht in Ihrem Namen ein Konto bei der Javaschen Bank eröffnen und Ihr vereinbartes Gehalt dort einzahlen soll. Mit einer Vollmacht könnten Sie dann jederzeit darüber verfügen, und was Sie nicht gleich brauchen, bekommt noch ein bisschen Zinsen.«

»Das wäre sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank«, erwiderte Jacobina glücklich. Ihr erstes eigenes Geld; kein Geld, um das sie bitten oder über das sie Rechenschaft ablegen musste. Und keines, das sie erst mit einer Heirat erhalten und über das dann doch ihr Ehemann verfügen würde.

»Ich hoffe, Sie halten uns nicht für knauserig oder unhöflich«, sagte Frau de Jong, als die Bediensteten Früchte, bunte Süßigkeiten und einen aufgeschnittenen Kuchen zum Dessert servierten und Champagner in die schlanken Kristallflöten einschenkten, »dass wir Ihnen heute nur zwei Gänge anbieten. Sonst gibt es bei uns natürlich immer die üblichen vier bis fünf …«

»Wenn wir zuhause sind«, warf der Major ein, in einem Tonfall, der gleichermaßen amüsiert klang wie eine gewisse Schärfe in sich trug.

Frau de Jong lachte. »Ja, wir sind leider viel unterwegs, vor allem abends. Das bringt die Stellung meines Mannes mit sich. Und wir haben auch oft Gäste. Wir dachten nur, heute würde der Abend zu lang für Sie mit einem so ausgiebigen Dinner. Sie sind bestimmt sehr müde nach der langen Reise.«

Der Major hob sein Champagnerglas und sah Jacobina an. »Noch einmal in aller Form: Willkommen in unserem Haus, Fräulein van der Beek.« Seine harten Züge entspannten sich ein wenig, und auch seine durchdringenden Augen zeigten sich milder. »Schön, dass Sie bei uns sind.«

Jacobina stand am Fenster ihres Zimmers und sah in die Nacht hinaus. Ihre Lider waren schwer, und obwohl die feuchte Hitze des Tages kaum nachgelassen hatte, fröstelte sie vor Müdigkeit, aber sie konnte sich nicht von diesem Anblick lösen. Pudrig drang der Lichtschimmer der Lampen von der Veranda herauf und dämpfte das Funkeln der Sterne, und finster zeichneten sich die Umrisse der Bäume gegen den tintendunklen Himmel ab. Hier war die Nacht nicht geräuschlos und tot wie in Amsterdam; hier war sie lebendig, erfüllt von einem fortwährenden Rascheln und Knistern, dem ausgedünnten Zikadenklang und den heiseren Schreien eines Vogels, unheimlich, aber nicht bedrohlich. Egg-eu. Das seltsame Geräusch ließ sie aufhorchen, doch sie war zu ermattet, um wirklich zu erschrecken. Egg-eu. Es kam aus ihrer unmittelbaren Nähe. Egg-eu. Aufmerksam ließ sie die Augen durch den Raum wandern. Ein kleiner Schatten huschte über die Wand, auf die Zimmerdecke zu, und als könnte er fühlen, dass Jacobina ihn erspäht hatte, erstarrte er plötzlich. Sie betrachtete die graue Echse, vom Kopf bis zur Schwanzspitze nicht länger als die Spanne zwischen Daumen und kleinem Finger, die regungslos an der Mauer klebte, und Jacobinas Mundwinkel bogen sich aufwärts.

Mit verschränkten Armen lehnte sie sich wieder an den Fensterrahmen. Die Luft war schwer und balsamisch, berauschend wie eine Droge und stärker noch als der perlende Champagner, der ihr so schnell zu Kopf gestiegen war. Wie in einem Märchen kam sie sich vor oder wie in einem Roman, und das Wissen, dass das hier, dieser Anblick, die Stimmung, diese Nacht wirklich und wahrhaftig waren, machte sie auf eine stille Weise einfach glücklich.

Das Herz der Feuerinsel

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