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Flucht nach Ägypten, Kindermord und Rückkehr nach Galiläa

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Wer sich das Matthäusevangelium etwas genauer anschaut, wird entdecken, dass darin immer wieder, offen oder versteckt, auf Mose angespielt wird, genauer: dass Parallelen zwischen ihm und Jesus aufgezeigt werden. Das geschieht sicher nicht zufällig, sondern ganz bewusst mit einem theologischen Hintergedanken. Im fünften Buch Mose, im Deuteronomium, steht ein gewichtiges Wort, das dem Mose in den Mund gelegt wird: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören.“48

Offensichtlich soll Jesus im Evangelium des Matthäus zunächst neben, später aber im weiteren Verlauf immer deutlicher über Mose gestellt werden.

 Mose war der Anführer des alten Bundesvolkes – Jesus ist der Anführer des neuen Bundesvolkes.

 Mose galt als Vermittler der Offenbarung Gottes und als Lehrer Israels. Er hatte dem Volk vom Berge Sinai die Zehn Gebote Gottes gebracht. Vielleicht kannte Matthäus sogar einen im hellenistischen Judentum entstandenen Mose-Roman, in dem dieser als Lehrer der Menschheit, genialer Mensch und als der ideale Fromme geschildert und in dem sein Tod als Auffahrt in den Himmel gefeiert wird49 – Jesus wird in der Bergpredigt das neue Gesetz des Gottesvolkes verkünden, und er wird glorreich in den Himmel auffahren.

Von der Kindheit des Mose wird in der Bibel erzählt, dass er durch einen feindseligen König, einen ägyptischen Pharao, verfolgt wurde. Als der nämlich feststellte, dass das Judenvolk in Ägypten immer zahlreicher wurde, ordnete er an, dass alle neugeborenen Jungen der Hebräer zu töten sind.50 Aus einer anderen Quelle erfahren wir sogar, der Pharao habe von seinen Schriftgelehrten gesagt bekommen, dass unter den Hebräern ein Junge geboren werde, der die Ägypter vernichten und Israel mächtig machen werde. Der Befehl des Pharao, alle hebräischen Jungen gleich nach der Geburt zu töten, gilt hier allein der Tötung dieses angekündigten Rebellen.51 Mose wird auf wunderbare Weise gerettet.52 Auch hier erzählt eine außerbiblische Quelle etwas anderes: Gott sei dem Vater des Mose im Schlaf erschienen und habe ihm dessen Rettung angekündigt.53 Weil der inzwischen erwachsene Mose eine Verfolgung durch den Pharao fürchtet, flieht er in ein fremdes Land.54

Entsprechende Parallelen zu Mose zieht Matthäus in seiner Erzählung über die ersten Lebensjahre des Jesuskindes. Offenbar war ihm die im Judentum verbreitete Regel bekannt: „Wie der erste Erlöser (= Mose), so der zweite Erlöser (= der Messias).“ Die Sache hatte nur einen Haken: Mose kommt aus Ägypten, Jesus aus Betlehem bzw. Nazaret.

Aber Matthäus weiß auch dafür eine Lösung: Die Anordnung des Königs Herodes, in Betlehem und Umgebung alle männlichen Kinder bis zu zwei Jahren ermorden zu lassen, zwingt Josef, Maria und Jesus zur Flucht nach Ägypten. Und von dort kann Matthäus nun Jesus – wie einen zweiten Mose – nach dem Tod des Herodes ins Land Israel zurückkommen lassen. Das alles belegt Matthäus mit Zitaten aus dem Alten Testament: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn berufen“,55 „So spricht der Herr: Ein Geschrei ist zu hören, bitteres Klagen und Weinen, Rahel weint um ihre Kinder, und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind dahin“,56 „Er wird Nazoräer genannt werden.“57

War Jesus in Ägypten? Es ist schon höchst unwahrscheinlich, dass er in Betlehem geboren wurde. Erst recht betrifft das einen dort praktizierten Kindermord und die daraus für die junge Familie erwachsenden Folgen – Flucht nach Ägypten und (nach dem Tod des Herodes) Rückkehr nach Nazaret.

Jesus ist im Matthäusevangelium nun dort angelangt, von wo seine spätere Tätigkeit ihren Ausgang nehmen wird.

Jesus von Nazaret

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