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c) Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB
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Auffällig ist, dass die Fachgerichte im Zusammenhang mit den Ehrdelikten die Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Verteidigerverhalten nicht bereits im objektiven Tatbestand ziehen, sondern vielmehr die Prüfung auf der Rechtfertigungsebene vornehmen.[68] Nach Wohlers ist dies u.a. dem Umstand geschuldet, dass die Fachgerichte der Judikatur des BVerfG zur Bedeutung der Meinungsfreiheit im Rahmen von Verteidigerverhalten Rechnung tragen wollen. Den unter Verwendung eines sehr differenzierten begrifflichen Instrumentariums stark auf den konkreten Einzelfall abstellenden Vorgaben der verfassungsrechtlichen Rspr. lässt sich im Rahmen des § 193 StGB sehr viel einfacher entsprechen als etwa durch die teleologische Reduktion des objektiven Tatbestandes.[69]
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§ 193 StGB enthält für die Beleidigungstatbestände besondere Rechtfertigungsgründe. So sind u.a. Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, nur insoweit strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
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Ehrverletzende Äußerungen, die in Kenntnis ihrer Unwahrheit oder trotz offenkundiger Unhaltbarkeit gemacht werden oder herabsetzende Äußerungen, zu welchen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben, die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen, sowie beleidigende Wertungen, die auf grob leichtfertiger Prüfung der Schlüssigkeit von Tatsachenbehauptungen beruhen, sind durch § 193 StGB nicht gedeckt.[70] Der Rechtsanwalt darf nicht leichtfertig für seinen Mandanten ehrkränkende Schlussfolgerungen tatsächlicher Art ziehen oder ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein die Gegenpartei oder Zeugen verdächtigen, Straftaten begangen zu haben.[71]
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Der Verteidiger sollte niemals andere Verfahrensbeteiligte in Gesprächen mit seinem Mandanten oder Dritten oder in entsprechenden Schreiben schmähen. Solche beleidigenden Äußerungen sind Straftaten, die nicht durch § 193 StGB gedeckt sind, das sie nur bei Gelegenheit der Verteidigung getätigt werden.[72] Der Verteidiger wird zu beachten haben, dass das Mandatsverhältnis zwischen Strafverteidiger und Beschuldigtem keinen generell „beleidigungsfreien Raum“ begründet, da es sich um eine geschäftsmäßige und nicht durch persönliche Bindung geprägte Beziehung handelt.[73] Zudem ist die Vertraulichkeit in diesem Verhältnis nur einseitig abgesichert, da nur der Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 2 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.