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Kapitel 12

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Je mehr wir tranken, desto lauter schimpften wir über den Staat. Bis es an Freds Tür läutete.

Die Türglocke war schrill. Fred hatte sie auf die höchste Lautstärke gestellt, da er leicht schwerhörig war, aber noch keine Hörgeräte tragen wollte.

Alle verstummten. Die Angst stand uns ins Gesicht geschrieben. Die einen erblassten, die anderen rissen die Augen weit auf. Nur Max’ Miene veränderte sich nicht.

Es läutete noch einmal.

Fred stand auf und wankte zur Eingangstür.

Er öffnete nicht sofort.

Es läutete ein drittes Mal. Es fuhr einem durch Mark und Bein.

Vorsichtig guckte Fred durch den Spion, so zögerlich, als hätte er Angst, dass die Person auf der anderen Seite der Tür ihm mit einer Nadel ins Auge stechen könnte. Plötzlich zuckte er zurück und drehte sich zackig zu uns um. Auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen. „Nur mein Sohn.“

Zuerst holte ich tief Luft, da ich vor Schreck ganz vergessen hatte zu atmen, erst dann wunderte ich mich, dass Fred einen Sohn hatte. Von einem Sohn hatte er uns noch nie erzählt.

Ein großer, breitschultriger blonder Mann um die vierzig trat ein.

Fred führte ihn zum Tisch, stellte ihn vor und wurde dabei leicht rot. „Tommy kümmert sich um meine letzten Angelegenheiten“, erklärte er uns.

Dann nahm er seinen Sohn an der Schulter und brachte ihn nach nebenan. Wenig später hielt Tommy ein DIN-A4-Couvert in Händen und ließ sich von seinem Papa zur Wohnungstür begleiten.

„Wir sehen uns da oben“, sagte Tommy noch zum Abschied, zeigte mit dem Finger hoch zur Decke und ging heiter grinsend.

Fred setzte sich mit einem Räuspern wieder zu Tisch und stürzte ein Glas Wein hinunter. Er blieb stumm.

„Warum hast du uns nichts von deinem Sohn erzählt?“, wollte Anna wissen.

Es dauerte eine Weile, bis Fred sich durchrang, über Tommy zu sprechen. Die Sache war die, Tommy genierte sich für seinen Papa. Er hatte gleich nach der Schule jeden Kontakt zu ihm abgebrochen und Geld verdient. Wahrscheinlich hatte er die Nase voll gehabt von Freds unzähligen Projekten, die allesamt scheiterten. Und von den großen Hoffnungen, die Fred jedes Mal schürte, von seinen leeren Versprechungen, dass es jetzt endlich klappen würde und er diesmal ganz groß rauskäme. Es war ärgerlich, einen Vater wie Fred zu haben. Ein solcher Vater musste einem wie ein Betrüger vorkommen.

Als Fred uns mitteilte, seinem Sohn wäre es egal, wenn er stirbt, tat mir Fred dann doch leid. Fred hatte seinen Sohn nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder angerufen, um ihn als Sachwalter und Erben einzusetzen. Tommys erste Frage war gewesen: „Um wie viel handelt es sich denn?“ Als Fred ihm mitteilte, er wolle nächste Woche Sterbewohl schlucken, hatte Tommy nur bemerkt: „Na, wenn du das willst.“

„Dann hast du ihm nicht gesagt, dass wir gar nicht vorhaben zu sterben?“, wollte Marwa nun doch wissen.

Fred errötete wieder. Es wirkte merkwürdig auf mich, einen so alten Mann erröten zu sehen, und er tat mir erneut leid.

Fred wollte darauf nichts antworten.

Anna brachte es auf den Punkt. „Du vertraust ihm nicht.“

Fred verzog den Mund, ruckte auf seinem Stuhl hin und her. „Es wäre zu umständlich gewesen, ihm alles zu erklären“, brachte er schließlich hervor. Er hustete. „Wir haben nicht mehr so viel Zeit.“

Sterbewohl

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