Читать книгу Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft - Origenes - Страница 39
ОглавлениеVorrede.
1.
Wer glaubt und überzeugt ist, daß Gnade und Wahrheit durch Jesum Christum geworden, und daß Christus nach seinem eigenem Ausspruch (Joh. 14, 6.) die Wahrheit ist, 1 der sucht die Anweisung zu einem seligen Leben gewiß nirgend anders als in den Worten und in der Lehre Christi. Unter Christi Worten verstehen wir aber nicht bloß die, welche er in seiner menschlichen Erscheinung gesprochen: denn auch vorher war Christus als göttliches Wort in Moses und den Propheten. Ohne dieß göttliche Wort, wie konnten sie weissagen von Christo? Zum Beweis dafür wäre leicht aus den heiligen Schriften zu zeigen, daß Moses und die Propheten von Christi Geist erfüllt sprachen und thaten, wie sie gethan; allein wir bemühen uns, das vorliegende Werk in möglichster Kürze abzufassen. Daher mag es an dem einzigen Zeugniß von Paulus im Brief an die Hebräer (11, 24—26.) genügen: „durch den Glauben wollte Moses, da er groß ward, nicht mehr ein Sohn der Tochter Pharao’s heißen, und erwählte lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, weil er die Schmach Christi für größeren Reichthum hielt als die Schätze Aegyptens.“ Daß er aber auch nach seiner Erhöhung in seinen Aposteln geredet hat, davon zeugt ebenfalls Paulus (2 Kor. 13, 3.): „oder 2 verlanget ihr Zeugniß von dem, der in mir redet, von Christus“?
2.
Weil jedoch viele Christusbekenner nicht bloß in unwichtigen Dingen, sondern in sehr wesentlichen Punkten nicht übereinstimmen, über Gott, über den Herrn Jesum Christum, oder über den heiligen Geist, jedoch nicht über diese allein, sondern auch über gewisse erschaffene Geister, 3 theils Himmels-Fürsten, theils heilige Mächte, wie über Gewalten und göttliche Kräfte, so schien es mir nothwendig, vorerst für diese im Einzelnen sichere Grenzen und Grundsätze zu bestimmen; sodann auch über Anderes Untersuchungen anzustellen. Ich bin bei den mancherlei Vorspiegelungen von Wahrheit unter Griechen und Ausländern ganz davon abgestanden, sie bei Solchen zu suchen, die sie durch falsche Voraussetzungen begründen wollen: weil ich erkannt habe, daß Christus der Sohn Gottes und von ihm allein die Wahrheit zu erkennen und so ist auch da, wo so Viele meinen, das Aechtchristliche zu haben, und doch großentheils von den Früheren gänzlich abweichen, daneben auch die ursprüngliche Lehre, wie sie von den Aposteln überliefert wurde und noch in den Kirchen gilt, bewahrt worden ist, nur das als Wahrheit anzuerkennen, was in keinem Punkte dieser Urlehre widerspricht. 4
3.
Nur ist dabei zu bemerken, daß die Apostel, wenn sie im Glauben an Christus predigten, über manche Lehrgegenstände auch denen, die an Erforschung göttlicher Wissenschaft weniger Antheil zu nehmen schienen, alle nöthigen Aufschlüsse ertheilten, wobei sie jedoch die Untersuchung der Gründe ihrer Behauptungen denen überließen, die mit besondern Geistesgaben, namentlich der Unterredung, der Weisheit und der Wis- senschaft ausgerüstet wären; von Andern dagegen nur sagten, daß sie seyen, nicht aber, wie und aus welchen Gründen? offenbar, um den Nachdenkendern unter ihren Schülern, die zugleich Liebhaber der Weisheit waren, Stoff zur Uebung zu geben, woran sie ihre Geisteskräfte zeigen könnten, sofern sie sich für die Mittheilung der Weisheit fähig und tüchtig machten.
4.
Beispiele der erstern Gattung, die nach der apostolischen Lehre als entschieden vorgetragen werden, sind folgende: „Daß Ein Gott sey, der Alles erschaffen und geordnet, und aus dem Nichtseyn 5 Alles in das Daseyn gerufen hat: Gott, der von der ersten Erschaffung und Ordnung der Welt der Gott aller Gerechten war, Adams, Abels, Seths, Enos, Enochs, Noah’s, Sem’s, Abrahams, Isaaks, Jakobs, der zwölf Erzväter, des Moses und der Propheten; und daß dieser Gott in den letzten Tagen, wie er durch seine Propheten vorher verheißen hatte, unsern Herrn, Jesum Christum gesandt habe, zunächst um Israel, dann aber nach der Untreue des israelitischen Volkes auch die Heiden zu berufen. Dieser gerechte Gott und gute Vater unsers Herrn Jesu Christi hat selbst das Gesetz, die Propheten und die Evangelien gegeben, insofern er Gott der Apostel, und des Alten und Neuen Bundes Gott ist.“ „Daß eben dieser Jesus Christus, der gekommen ist, vor aller Erschaffung aus dem Vater geboren sey. Nachdem er dem Vater bei der Weltschöpfung gedient (denn durch ihn ist Alles geschaffen, Joh. 1, 3., 6 hat er in den letzten Tagen sich selbst erniedrigt und ist Mensch geworden im Fleische, obgleich er Gott war, und auch der Menschgewordene blieb, was er als Gott war. 7 Er nahm einen Leib an, dem unserm ähnlich, bloß darin verschieden, daß er von einer Jungfrau und aus dem heiligen Geiste geboren war.“ „Daß dieser Jesus in Wahrheit geboren worden und gelitten habe, und nicht bloß zum Scheine, sondern in der That eines wirklichen Todes gestorben sey. Denn er ist wahrhaftig von den Todten auferstanden und nach der Auferstehung mit seinen Jüngern umgegangen, und dann erst erhöhet worden.“ Zudem hat man dem Vater und Sohn auch noch den heiligen Geist an Ehre und Würde gleichgestellt. Nur ist dar- über nicht ganz entschieden, ob er geschaffen oder unerschaffen, 8 oder ob er gleichfalls für Gottes Sohn zu halten sey oder nicht. Dieß muß erst, so viel möglich, nach der Schrift untersucht und gründlich erforscht werden. So viel jedoch wird in den Kirchen bestimmt gelehrt, daß derselbe Geist jeden der heiligen Männer, Propheten und Apostel, erleuchtet habe, und daß nicht ein anderer Geist in den Alten, ein anderer in denen gewesen, die während der Erscheinung Christi erleuchtet wurden.
5.
Ferner wird gelehrt: „daß die Seele, nachdem sie aus der Welt geschieden, ihr eigenthümliches Wesen und Leben beibehalten und ihrem Verdienste gemäß werde belohnt werden; und zwar soll sie ewiges Leben und Seligkeit erlangen, wenn ihre Handlungen dieses gestatten: oder dem ewigen Feuer und den Strafen anheimfallen, wenn ihrer Sünden Schuld sie dazu verdammt. Daß aber auch eine Zeit der Todtenerweckung erscheinen werde, da eben dieser Körper, der in Verwesung gesäet, unverweslich auferstehen wird“ (1. Kor. 15, 42.). Auch das ist nach der Kirchenlehre gewiß, „daß jede vernünftige Seele freie Willensbestimmung habe, und in einem Kampfe mit dem Teufel und seinen Dienern und andern feindlichen Mächten begriffen sey, weil diese sie in Sünden verwickeln wollen, wir dagegen uns von dieser Last zu befreien streben.“ Eine deutliche Folge hievon ist, daß wir nicht einer Nothwendigkeit unterworfen sind, die uns immerhin wider unsern Willen zwänge, Gutes oder Böses zu thun. Denn wenn wir im Besitze eines freien Willens sind, so können zwar einzelne Mächte uns zur Sünde reizen, andere dagegen zu unserem Heile unterstützen; keineswegs aber sind wir durch ein Verhängniß gezwungen, recht oder unrecht zu handeln, wie diejenigen meinen, die dem Lauf der Gestirne entscheidenden Einfluß auf menschliche Handlungen, sowohl freie als unfreie zuschreiben. Ueber den Ursprung der Seele hingegen, ob sie nämlich mit dem Samen, so daß die Keime ihres Wesens in dem leiblichen Samen eingeschlossen lägen, 9 oder auf anderem Wege entstehe: ob dieser Entstehungsgrund ein geschaffener (endlicher) oder unerschaffener (unendlicher) sey, und ob sie von außen dem Körper einverleibt werde, darüber hat die Kirchenlehre nichts Entschiedenes aufgestellt.
6.
Von dem Teufel und seinen Dienern und von den feindlichen Mächten behauptet die Kirchenlehre nur das Daseyn: über Wesen und Ursprung derselben hat sie sich nicht ausgesprochen. Unter dem Volke 10 herrscht die Meinung der Teufel sey ein Engel gewesen und habe nach seinem Falle auch viele andere Engel zum Abfalle beredet, 11 die nunmehr seine Engel genannt werden.
7.
Ferner lehrt die Kirche, daß diese Welt geschaffen sey und einen bestimmten Anfang in der Zeit habe, auch im Verlauf ihrer Verwesung werde wieder aufgelöst werden. Was aber vor der Welt gewesen, oder nach der Welt seyn werde, darüber ist das Volk nicht genau unterrichtet, denn in der kirchlichen Lehre kommt keine klare Bestimmung darüber vor.
8.
Nach diesem (lehrt sie), daß die heilige Schrift von dem göttlichen Geiste geschrieben sey, und neben dem in die Augen fallenden Sinn noch einen tiefern, der Menge verborgenen Sinn habe. Denn das Geschriebene sind Zeichen gewisser Geheimnisse und Bilder göttlicher Dinge. Darin ist die ganze Kirche einverstanden, daß das ganze Gesetz geistig zu verstehen sey; allein, auf was das Gesetz hinweise sey nicht Allen bekannt, sondern nur solchen, denen in Bezug auf Weisheit und Erkenntniß eine besondere Gnade des Geistes zu Theil würde.
9.
Die Benennung ασωματος (unkörperlich) ist nicht allein im gemeinen Sprachgebrauch, 12 sondern auch in der heiligen Schrift unbekannt. Wollte man uns aus dem Buche „die Lehre Petri“ die Stelle anführen, wo der Herr sagt: ich bin nicht ein körperloses Gespenst; 13 so würde ich antworten, daß jenes Buch nicht unter die kirchlich geltenden Schriften 14 gehört; und es wäre zu zeigen, daß es weder von Petrus, noch von einem andern göttlich erleuchteten Manne herrührt. Dieß auch zugegeben, so ist der Sinn von ασωματος in jener Stelle nicht derselbe, wie bei griechischen und ausländischen Schriftstellern, wenn die Weltweisen von unkörperlicher Natur sprechen. Denn hier heißt „körperloses Gespenst“ in dem Sinn, daß die Gestalt oder der Umriß eines gespenstischen Wesens nicht unserm festern und sichtbaren Körper ähnlich ist; und nach dem Sinne des Verfassers würde die Stelle so viel sagen: er habe nicht einen Körper, wie die Gespenster, von Natur fein und dünn wie die Luft, der deswegen von dem Volke für unkörperlich gehalten und so genannt werde, sondern es habe einen festen und handgreiflichen Leib. Im gemeinen Leben nennt der Unerfahrene freilich Alles, was nicht von der Art ist, körperlos; wie man die uns umgebende Luft unkörperlich nennen will, weil sie kein solcher Körper ist, der angetastet und festgehalten werden kann und dem Drucke widersteht. Untersuchen wir nun, ob vielleicht unter einem andern Namen dasselbe, was die griechischen Philosophen unkörperlich nennen, in der Schrift vorkommt. Selbst von Gott fragt sich, ob er körperlich 15 und auf gewisse Art gestaltet zu denken sey: oder ob er ganz anderer Natur als die Körper sey; was in der öffentlichen Lehrform nicht bestimmt bezeichnet wird. Das Nemliche ist auch in Absicht auf Christus und den heiligen Geist, wie überhaupt von jedem vernunftbegabten Wesen zu untersuchen.
10.
Auch das enthält die kirchliche Lehre, daß es gewisse Engel Gottes und gute Mächte gebe, die ihm zu Vollbringung der Erlösung der Menschen dienen. Wann sie jedoch geschaffen, welcher Art und welchen Ortes sie seyen, 16 wird nirgends bestimmt gesagt. Ebenso wird über das Belebtseyn oder die Leblosigkeit der Gestirne 17 öffentlich nichts gelehrt. Dergleichen Hauptsätze (εοιχεια) nun müssen zu Grunde gelegt werden, nach der Anweisung: „zündet euch das Licht der Erkenntniß an“ ( Hosea 10, 12.), wenn man nach Anlage derselben ein zusammenhängendes Ganzes (εν σωμα) construiren will: in dem Maße, daß das Wahre in jedem Einzelnen durch klare und bündige Schlüsse gesucht, und theils mit Belegen aus der Schrift, theils durch strenge Folgerungen, wie gesagt, als ein Ganzes dargestellt wird.