Читать книгу Erzählungen aus der deutschen Geschichte - Otto Adalbert Hoffmann - Страница 23
1 5. Karls des Großen Lebensweise und Tod.
Оглавление1. Karls äußere Erscheinung. (s. Bildertafel VII). Karl war von starkem Körperbau und hoher Gestalt. Er hatte eine gewölbte Stirn, große lebhafte Augen, blondes Haar und freundliche heitere Gesichtszüge. Mochte er stehen oder sitzen, stets war seine Erscheinung voll Hoheit und Würde. Unablässig übte er sich im Reiten und Jagen, und im Schwimmen that's keiner ihm zuvor. Seine Kleidung war einfach: auf dem Leibe trug er ein leinenes Hemd, das von seinen Töchtern gesponnen und gewebt worden war, darüber ein Wams mit Seidenbesatz, im Winter auch noch um Schultern und Brust einen Überwurf von Otterfell. Sein Oberkleid war ein kurzer dunkelgrüner Mantel. Immer sah man ihn mit dem Schwerte umgürtet, dessen Griff und Gehenk von Silber oder Gold war. Bei besondern Festlichkeiten trug er einen reich mit Edelsteinen besetzten Degen. Von ausländischer Kleidung, mochte sie noch so kostbar sein, wollte er nichts wissen. An hohen Festen erschien er in einem golddurchwirkten Kleide, in Schuhen mit Edelsteinen besetzt, in einem Mantel, den eine goldne Spange zusammenhielt, das Haupt geschmückt mit einer goldnen Krone, die von Diamanten erstrahlte; an den Werktagen aber unterschied er sich in seiner Tracht kaum von dem übrigen gewöhnlichen Volke.
2. Karls Lebensweise. Speise und Trank genoß Karl mäßig; vor Trunkenheit hatte er den größten Abscheu. Gastereien gab er sehr selten. Seine gewöhnliche Mahlzeit bestand aus vier Gerichten, außer dem Braten, den die Jäger an Spießen auf die Tafel brachten. Das war seine Lieblingsspeise. Während des Mahles hörte er gern ein Musikstück; gewöhnlich ließ er sich aus einem Buche von den Thaten der alten Könige vorlesen. Nach Tische ruhte er zwei Stunden, dagegen unterbrach er den Nachtschlaf vier- oder fünfmal. Da stand er wohl vom Lager auf, trat ans Fenster und schaute voll Andacht zu den Sternen hinauf, die am dunklen Himmel glänzten. Beim Ankleiden unterhielt er sich mit seinen Freunden, ließ auch wohl Geschäftsleute oder Kläger vor und entschied ihre Händel auf der Stelle. Er sprach viel und gern und wußte sich über alles sehr klar und gut auszudrücken.
3. Karls geistige Bestrebungen. Rastlos war Karl bemüht, seinen Geist auszubilden. Da er als Knabe nicht schreiben gelernt hatte, so setzte er sich als Mann noch hin, um die Buchstaben nachmalen zu lernen; ja er hatte in seinem Bett unter dem Kopfkissen Tafeln und Blätter liegen, auf denen er sich nachts, wenn er aufwachte, im Schreiben übte. Doch seine des Schwertes gewohnte Hand brachte es darin nie zu großer Fertigkeit. Eifrig las er fromme Bücher und Heldengeschichten. Seine Muttersprache war ihm teuer. Die alten deutschen Volks- und Heldenlieder ließ er sammeln. Doch sprach er auch ganz geläufig lateinisch, und im Griechischen konnte er wenigstens ein Buch verstehen. Wie sehr er die Wissenschaften liebte, zeigte er durch die hohe Achtung und Ehre, die er gelehrten Männern erwies. Manche zog er an seinen Hof und verkehrte mit ihnen wie mit Freunden. Sie waren zugleich die Lehrer seiner Söhne; denn er hielt darauf, daß diese nicht nur alle ritterlichen Übungen lernten, sondern auch in den Wissenschaften unterrichtet wurden. Seine Töchter mußten sich nach guter alter Sitte mit Wollarbeiten, Spinnen und Weben beschäftigen; dabei wurde ihre geistige Bildung nicht vergessen. Seine Tochter Emma vermählte er sogar mit dem gelehrten Geschichtschreiber Einhard.
4. Karls Wirken in der Ferne. Frommen Sinnes, wie er war, besuchte Karl täglich, früh und nachmittags, die Kirche. In Aachen baute er einen prachtvollen Dom. Seine Wohlthätigkeit erstreckte sich nicht allein auf die eignen Unterthanen, sondern seine milden Gaben gingen sogar über das Meer, nach Jerusalem und nach Afrika hin, wo er von notleidenden Christen hörte. Darum hauptsächlich unterhielt er Freundschaft mit den Königen jener entfernten Länder, daß diese Wohlthaten den armen Christen unter ihrer Herrschaft desto sichrer zukämen. Und die Könige der Araber in Asien uud Afrika, ehrten den großen Christenkaiser, schickten Gesandte an ihn und brachten Geschenke dar. Der mächtigste Herrscher des Morgenlandes schickte ihm einen Elefanten von wunderbarer Größe, köstliche Gewürze, ein prächtiges Zelt und eine Uhr, die durch ihre künstliche Einrichtung in Erstaunen setzte. War es 12 Uhr mittags, so sprangen an der einen Seite Thüren auf; 12 Reiter ritten hervor und an der andern Seite wieder hinein. Karls Gegengeschenke bestanden in Pferden, trefflichen Jagdhunden, feiner Leinwand und andern Weberarbeiten, welche die fränkischen Frauen sehr geschickt zu fertigen verstanden.
5. Karls Pfalzen. Karl hatte keine bestimmte Residenz. Er war bald hier, bald dort; am liebsten jedoch wohnte er zu Aachen und zu Ingelheim am Rhein. Dort hatte er sich prachtvolle Schlösser (Pfalzen) erbaut. Aachen schätzte er wegen der warmen Bäder, die schon den alten Römern bekannt waren. Während seiner letzten Lebensjahre wohnte er beständig dort.
6. Karls Ende. Die letzten Jahre des großen Kaisers waren durch schmerzliche Verluste getrübt. Zwei treffliche Söhne starben ihm, nur sein jüngster Sohn Ludwig blieb übrig. Als nun der Kaiser fühlte, wie seine Kräfte abnahmen und sein Ende herannahte, versammelte er in Aachen die Großen seines Reiches und stellte ihnen seinen Sohn als Nachfolger in der Kaiserwürde vor. Dann begab er sich in vollem Kaiserschmucke, die Krone auf dem Haupte, mit Ludwig und der ganzen Versammlung in die Kirche und kniete in stillem andächtigem Gebete vor dem Altare, auf dem eine goldene Krone lag. Dann ermahnte er seinen Sohn mit lauter Stimme vor allem Volke, Gott zu fürchten und zu lieben, für die Kirche zu sorgen, sich gegen seine Schwestern allezeit gütig zu erweisen, sein Volk zu lieben wie seine Kinder, die Armen zu unterstützen, getreue und gottesfürchtige Beamte anzustellen, sich selbst aber vor Gott und Menschen jederzeit vorwurfsfrei zu halten. „Willst du das alles erfüllen, mein Sohn?" fragte zuletzt der Greis. Ludwig versprach es mit Thränen. „Wohlan denn, so setze dir selbst die Krone auf, und stets möge sie dich an dein Versprechen erinnern." Ludwig that es unter lautem Weinen des Volkes. Nicht lange danach ward Karl krank und starb (814). „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist," waren seine letzten Worte. Im Dome zu Aachen wurde er bestattet. Man setzte den Leichnam auf einen goldnen Stuhl, hing ihm ein goldnes Kreuz und eine Pilgertasche um, schmückte sein Haupt mit der Krone, gab ihm einen Kelch in die Hand und legte ein goldnes Evangelienbuch auf seine Kniee. 72 Jahre war der Kaiser alt, als er starb, 46 Jahre hatte er regiert.