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24. Das Ritterwesen. Die Städte.

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1. Entstehung des Rittertums. Das Rittertum hatte sich seit der Zeit König Heinrichs I. aus dem Reiterdienste entwickelt, der als besonders ehrenvoll galt. Ihm widmeten sich die Reichen und Adeligen, die den Kriegerstand zu ihrem Lebensberufe machten. Schwer gerüstet, von Kopf bis zu Füßen mit Eisen bedeckt, von Jugend auf im Gebrauche der Waffen geübt, waren sie den gemeinen Kriegern, die zu Fuße dienten, weit überlegen: fast einzig auf ihrer Anzahl beruhte die Stärke des Heeres. Von ihrem Reiterdienst erhielten sie den Namen Ritter. Die Ritter wohnten in Burgen, die meist auf Berghöhen, aber auch auf ebenem Lande erbaut waren (s.Tafel II u. III).

2. Edelknabe, Knappe und Ritter. Die Zeit der Kreuzzüge war die Blütezeit des Rittertums. Um diese Zeit bildeten die Ritter einen besondern Stand mit besondern Pflichten. Der Ritter mußte seine Ehre unbefleckt erhalten, der Kirche gehorsam sein und ihre Diener beschützen, den Schwachen und Bedrängten Beistand leisten und den Frauen Hochachtung und Höflichkeit erweisen. Die Aufnahme in den Ritterstand erfolgte erst nach langjähriger Vorbereitung. Vom siebenten Jahre an trat der Knabe als Edelknecht oder Page in den Dienst eines Ritters. Hier lernte er Zucht und Gehorsam, namentlich im Dienste der Edelfrau, wartete bei der Tafel auf und begleitete die Herrin auf die Jagd und auf Reisen. Daneben übte er sich fleißig im Reiten und in den Waffen. In seinem vierzehnten Jahre wurde der Edelknabe Knappe und empfing das Schwert, um fortan den eigentlichen Waffendienst in strengeren Übungen zu erlernen. Als Waffenträger folgte er jetzt seinem Herrn überall hin, zum heitern Kampfspiel und in den Ernst der Schlacht. Dem Herrn treu anzuhangen, im Kampfe sein Leben für ihn einzusetzen, das galt ihm als die erste seiner Pflichten. Nach siebenjährigem Knappendienste wurde der Jüngling zum Ritter geschlagen. Das war ein hohes Fest. Am Tage zuvor mußte der Knappe fasten und die Nacht unter andächtigem Gebete in der Kirche zubringen. Am Festtage leistete er dann vor einer glänzenden Versammlung von Rittern und Edelfrauen das feierliche Gelübde, der Ritterpflichten stets eingedenk zu sein, worauf ihm ein bewährter Ritter mit der flachen Klinge drei leichte Schläge auf die Schulter gab. Das nannte man den Ritterschlag. Nun wurden dem jungen Ritter außer dem Schwerte die übrigen Waffenstücke überreicht: die Lanze, der Helm mit Visier und Helmbusch, der Panzer, der gestickte Waffenrock, die farbige Schärpe, Handschuhe und goldne Sporen. Ein festliches Gelage beschloß den Tag.

3. Turniere. Zur Erhaltung ritterlichen Sinnes dienten besonders die Turniere. Das waren festliche Waffenspiele, die den Rittern Gelegenheit gaben, Proben ihrer Tapferkeit und Gewandtheit abzulegen und Ruhm und Beifall von einer schaulustigen Menge öffentlich einzuernten. Nur Ritter von untadeligen Sitten durften daran teilnehmen. Der Turnierplatz war von Schranken umgeben, hinter denen das Volk stand. Die Fürsten und Edelfrauen saßen auf reichverzierten Schaubühnen. Unter Trompetenklang und Paukenschlag ritten die ganz in Eisenpanzer gehüllten Ritter paarweise in die Schranken. Nun rief ein Herold das erste Fechterpaar zum Lanzenstechen auf. Mit eingelegter Lanze stürmten die beiden Kämpfer gegeneinander an, jeder suchte den andern vom Rosse zu werfen. Saßen sie beide fest im Sattel, so zersplitterten oft die Lanzen an den stählernen Brustharnischen; zuweilen flogen beide Ritter zur Erde, zuweilen wurde einer samt seinem Pferde rücklings zu Boden geworfen. Mancher brach dabei Arm und Bein oder gar den Hals. Nach dem ersten Kämpferpaare wurde das zweite aufgerufen, dann das dritte, vierte, und so ging es tage-, ja wochenlang fort. Manchmal rückten die Ritter auch in ganzen Scharen gegeneinander los. Nach dem Lanzenstechen folgte der Schwertkampf zu Fuß und zu Roß. Den Schluß machte ein sogenanntes Gesellenstechen zur Übung der Knappen.

4. Der Sieger Lohn. Wer sich beim Turnier am meisten hervorgethan hatte, erhielt aus den Händen der vornehmsten und schönsten Dame den Dank oder Preis, der in wertvollen Waffenstücken, einer goldnen Kette, einem kostbaren Ringe und dergleichen Schmuck bestand. Dann ward der Sieger feierlich in das Schloß geleitet. Hier nahmen ihm die Edelfrauen die schwere Rüstung ab und schmückten ihn mit Prachtkleidern. Bei dem Festmahle erhielt er den Ehrenplatz, und später beim Tanz eröffnete er den Reigen. Fürsten und vornehme Ritter entfalteten bei den Turnieren oft einen außerordentlichen Glanz. So setzte einst ein Graf als ersten Preis 100 000 Goldstücke aus, die der Sieger sogleich unter 100 Ritter verteilte. Ein anderer ließ auf dem Turnierplatze einen ganzen Baum von Silber mit goldnen Blättern aufpflanzen. Jeder Ritter, der seinen Gegner aus dem Sattel hob, erhielt zum Dank ein goldenes Blatt.

5. Die Ritterfrauen. Die heilige Elisabeth. Die Frauen der Fürsten und Ritter führten auf den einsamen Burgen ein ziemlich einförmiges Leben. An den ritterlichen Unterhaltungen und Belustigungen konnten sie nur selten teilnehmen; der Besuch eines Turniers war schon der umständlichen, oft gefährlichen Reise wegen eine schwierige Sache. Wohl aber ritten sie viel zur Jagd, den Falken auf der Faust, um mit diesem abgerichteten Raubvogel Reiher zu fangen (Reiherbaize). Sonst erzogen sie in der Abgeschlossenheit ihrer Frauengemächer (Kemnate) die Töchter, beaufsichtigten die weibliche Dienerschaft, übten sich in kunstvollen Stickereien und ließen sich von fahrenden Sängern Geschichten und Lieder vortragen. Auch der des Lesens und Schreibens kundige Burggeistliche war ihnen eine wichtige Persönlichkeit. Manche Frauen führten ein frommes, ganz der Nächstenliebe gewidmetes Leben. Unter diesen frommen Frauen ist besonders bekannt die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Sie war die Tochter eines ungarischen Königs und kam als Kind nach der Wartburg, an den heitern liederreichen Hof des Landgrafen Hermann von Thüringen, um zur Gemahlin seines Sohnes erzogen zu werden. In früher Jugend schon spendete sie Verlassenen und Hungrigen reiche Gaben, verschmähte für sich alle irdischen Genüsse und unterwarf sich frommen Bußübungen, ja schmerzhaften Geißelungen. Armen verfertigte sie Gewänder, Kranke pflegte sie. Nach ihres Gemahls Tode vom Schlosse vertrieben, ging sie mit ihren Kindern betteln. Sie starb, erst 24 Jahre alt, in Marburg (1231), wo über ihrem Grabe die schöne Elisabethkirche erbaut wurde.

6. Die geistlichen Ritterorden. Zur Zeit der Kreuzzüge, bei denen sich die Ritter besonders auszeichneten, entstanden in Palästina Vereinigungen, in denen sich das Rittertum mit dem Mönchwesen verband. Das waren die sogenannten geistlichen Ritterorden der Johanniter, der Tempelherren und der Deutschherren. Die Ordensherren legten die Klostergelübde der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams ab; als Ritter verpflichteten sie sich zur Verteidigung der Pilger und zum Kampfe gegen die Ungläubigen. Diese Ritterorden waren eine Zeitlang die Hauptstütze des Königreichs Jerusalem. Als das heilige Land den Christen verloren ging, siedelten sie nach Europa über, wo sie zum Teil noch lange fortbestanden. Am wichtigsten für uns Deutsche wurde der Orden der Deutschherren, die das heidnische Preußen eroberten (s. Nr.28,6).

7. Die Raubritter. Nach den Kreuzzügen geriet das Ritterwesen allmählich in Verfall. An die Stelle edler Rittersitte traten Gewaltthätigkeit und wüste Händelsucht. Manche Ritter lebten nur von Streit und Fehde, ja sie schämten sich selbst des Raubes nicht. Aus ihren festen, auf steilen Felsenhöhen gelegnen Burgen überfielen sie mit ihren Reisigen die Kaufleute, die zu Märkten und Messen zogen, und raubten ihnen alles, was sie hatten. An den Ufern der Flüsse forderten sie von den vorüberfahrenden Schiffen willkürliche Zollabgaben. Ihre unaufhörlichen Fehden gegeneinander zerrütteten den Wohlstand ganzer Gegenden. Die Städte konnten sich zwar hinter ihren Mauern und Gräben gegen Angriffe verteidigen, aber die Fluren des Landmannes wurden schonungslos verwüstet. Gegen solche Ungebühr gab es lange Zeit hindurch keine Abhilfe; denn die übermütigen Ritter wagten sogar, den Befehlen des Kaisers zu trotzen. Was der Stärkere durchsetzen könne, meinten sie, das dürfe er sich auch erlauben; der stärkern Faust müßten sich die Schwächern fügen. Man nennt diesen traurigen Zustand der Gesetzlosigkeit das Faustrecht. Das Rittertum verlor durch solche Ausartung seinen alten Ruhm. Erst als das Schießpulver erfunden und dadurch das Kriegswesen völlig verändert wurde, hörte die Bedeutung des Ritterwesens im Kriege nach und nach auf. Als Adelstand dagegen hat es sich bis heute erhalten.

8. Die Städte. Während das Rittertum sank, wurden die Städte größer und mächtiger. Um gegen Überfälle geschützt zu sein, waren sie mit starken turmgekrönten Ringmauern, mit Wall und Graben umschlossen. Die Straßen waren meist krumm und wegen ihrer Enge düster und schmutzig; die Häuser, anfänglich nur aus Holz und Lehm gebaut, bestanden aus mehreren übereinander gegen die Gasse vorragenden Stockwerken; sie waren einfach eingerichtet, wie es der herrschenden mäßigen Lebensweise entsprach. Im Gegensatz zu der Schlichtheit der Wohnhäuser stand nicht selten die Großartigkeit der öffentlichen Gebäude: der Rathäuser, Kaufhallen, Stadtthore, vor allem der Kirchen. Indes besserte der zunehmende Wohlstand auch den Bau der Privathäuser; man begann allmählich, sie aus Stein auszuführen, sie reicher und kunstvoller einzurichten und auszuschmücken. Auch die Straßen wurden allmählich breiter angelegt und gepflastert. Städte wie Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Köln und Wien wurden nicht allein wegen der Zahl und Macht ihrer Bevölkerung, sondern mit Recht auch wegen ihrer Schönheit gepriesen (s. Tafel III—VI).

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