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Ungarn und Montenegriner an der Drina.

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Wenn die flusstäler der Drina, Lim, Tara und vieler anderer Gewässer, die durch das wildzerklüftete Gebirgsgelände Serbiens, Bosniens und Montenegros rauschen, erzählen könnten — was alles würde an kämpfereichen Ereignissen zu hören sein!

In jenen Gegenden fanden die erbittertsten Nahkämpfe statt, die man sich denken kann.

Es liegt in der landschaftlichen Gestaltung jener Länder, dass die Flinte oft mehr zum Stechen und Schlagen als zum Schießen benützt wurde und dass man von den Bäumen und Felsen, aus Höhlen und Felsspalten schoss. Doch manchmal geschahen noch ganz andere Dinge, die jeder Beschreibung spotten. Von den wildesten Leidenschaften entfesselt, wurden die Serben und Montenegriner zu Tieren, denen jedes Mittel zur Vernichtung des Angegriffenen recht ist. Oft rangen einzelne miteinander auf Leben und Tod, bissen sich, zerfleischten sich mit Messern, stießen sich gegenseitig in Abgründe, tauchten mit Gewalt den Kopf des Schwächeren unter Wasser, bis seine Lebenszeichen erloschen und quälten sich auf jede erdenkliche Weise.

In einer besonders gebirgsreichen Gegend an der Drina wollten ungarische Truppen eine teilweise von Bäumen bestandene Anhöhe nehmen und gingen mit aufgepflanztem Bajonett gegen die Montenegriner zum Sturm vor.

Der anführende Offizier schwenkte den Degen: „Hurra! Es lebe unser Kaiser!“

Siegen — oder sterben, das war die Losung.

Mit Löwenmut stürmte die ungarische Infanterie die steinige Anhöhe hinan, obwohl in nicht geringer Entfernung unausgesetzt ganze Salven niederprasselten und die Reihen der Ungarn bald zahlreiche Lücken aufwiesen, noch bevor die schneidigen Magyaren dazukamen, ihrerseits den Feind zu schwächen. Um so größer wurde ihre Wut und das Bestreben, die Stellung der Montenegriner zu erreichen.

Diese hatten sich nämlich hinter einen natürlichen Erddamm versteckt, so dass nur ihre ausgelegten Gewehrläufe und Bajonette zu sehen waren.

Doch die Situation änderte sich im Handumdrehen.

Als die Montenegriner die Ungarn in nur geringer Entfernung auf sich zukommen sahen, sprangen sie auf, gaben noch ein paar Schüsse ab und flüchteten dann mit Katzengeschwindigkeit die noch steilere Anhöhe hinauf, die oben ebenfalls von Montenegrinern besetzt war. Den Söhnen der Berge gelang es, ohne allzu große Verluste die Berglehne zu erklimmen.

Nun prasselten die Geschosse in doppelter Anzahl auf die nachrückenden Ungarn. Nicht genug damit, wälzten die Montenegriner auch noch große Steine und Felsstücke hinab, die sich gleich Lawinen auf die Verfolger stürzten und viele der Helden zermalmten oder verwundeten.

Doch die Ungarn ließen sich auch durch diese Gefahren nicht davon abbringen, die Berglehne bis zur höchsten Höhe zu erklimmen, mochten gleich zahlreiche Kameraden das Geröll mit ihrem Blute netzen.

Unter unsäglichen Schwierigkeiten und der Aufbietung aller Kräfte gelang es den tapferen Vorwärtsstürmern, endlich auch hier die Montenegriner zu fassen. Höher ging es nun nicht mehr! Wohl oder übel mussten sich die Montenegriner zum Nahkampfe stellen, wollten sie nicht den im Rücken liegenden, noch steileren Abhang zur Flucht benützen; denn der Kamm war schon auf beiden Seiten von den Ungarn besetzt.

Es wäre ja nun den Montenegrinern nicht darauf angekommen, einen Nahkampf mit Bajonett und Kolben zu liefern. Wäre nur das eine nicht gewesen: sie befanden sich den Ungarn gegenüber in starker Minderheit! Was wollten die dreihundertfünfzig Montenegriner gegen achthundert Ungarn ausrichten?

Der Zorn der Ungarn dagegen war aufs höchste gestiegen und sie ließen den Söhnen der Berge nicht viel Zeit zum Überlegen. Krach! sausten auch schon die Kolben auf den Feind nieder und auch das haarscharfe Bajonett tat seine Schuldigkeit.

Die umdrängten Montenegriner retirierten immer mehr dem steilen Abhange zu und konnten sich der wütend heranstürmenden Ungarn nicht erwehren. Obwohl sie sich tapfer verteidigten, verringerte sich ihre Zahl zusehends.

Schon nach wenigen Minuten erkannten sie die Unmöglichkeit, den Ungarn standzuhalten, und wollten sie nicht sämtlich gefangengenommen werden oder mit durchstochenem Leib, zertrümmertem Schädel auf der Walstatt bleiben, so mussten sie schleunigst sehen, wie sie den steilen Rücken des Berges hinabklimmen konnten, um sich in Sicherheit zu bringen.

Das war nun freilich eine äußerst schwierige Arbeit. Der Berg fiel an einigen Stellen so steil ab, dass das Terrain einem Abgrunde gleichkam. Aber was half’s ——: hinunter! Rette sich, wer kann!

Die Ungarn, die eben erst unter den Salven und Felsstürzen der Montenegriner zu leiden gehabt hatten und etwa hundert brave Kameraden opfern mussten, konnten nun Vergeltung üben und die Fliehenden mit Geschossen und rollenden Steinen überschütten.

Die Szenen, die sich abspielten, waren entsetzlich. Hier geriet ein Montenegriner ins Rutschen, überschlug sich und langte als zerschmetterte Leiche zwanzig Meter tiefer an. Dort brach ein anderer unter dem ungarischen Geschosshagel zusammen. Da wieder rollten dem abwärts Fliehenden Steine nach, die ihn im Sinne des Wortes „steinigten“. Selbst der, der am besten diese gefährliche Leistung überstand, hatte an allen Ecken und Enden seines Körpers Beulen und Hautschürfungen. Kaum hundertundachtzig Mann vermochten sich, über und über mit Schmutz und Schweiß bedeckt, teilweise blutend und hinkend, unten in Sicherheit zu bringen, ohne wohl so bald wieder den Wunsch zu verspüren, mit den Ungarn ins Handgemenge zu kommen.

Eben wollte der anführende Offizier der Ungarn seinen so unerschrocken vorgegangenen Mannschaften ein anerkennendes Wort sagen, als am Ufer der Drina neue Scharen von Montenegrinern auftauchten.

„Zurück!“ rief der Offizier, „wir suchen hinter jenem Erdwall Deckung, hinter dem vorhin die versagten Montenegriner lagen!“

Vorsichtig klommen die Ungarn die erreichte Anhöhe wieder hinab.

Doch sie kamen nicht weit.

Links und rechts aus dem schützenden Walde fielen Schüsse, zuerst einzeln, dann in Massen.

Sofort wurde nach drei Seiten Stellung genommen und dann ging es unerschrocken vor.

Fünf Minuten später gab es nicht nur auf halber Höhe der Lichtung, sondern auch links und rechts im Walde das heißeste Handgemenge. Diesmal standen aber den Ungarn nicht dreihundertundfünfzig, sondern etwa dreizehnhundert Montenegriner gegenüber! Dazu kam, dass die Ungarn teilweise schon sehr ermattet waren. Die durchgeschwitzten Uniformen klebten ihnen am Leibe. Wie sollten sie jetzt mit der Überzahl fertig werden?

Mit dem Mute der Verzweiflung stürzten sie sich auf den Feind. Bald war jeder Fußbreit Boden heiß umstritten. Massenhaft sanken Freund und Feind verwundet oder leblos nieder, kollerten dort ein Stück übers harte Gestein und ließen ihr warmes Blut über Moos und Erde rinnen. Die Luft war von Pulverdampf erfüllt; das Stöhnen der Verwundeten mischte sich schauerlich in das Knallen der Gewehre und in die dumpfen Schläge mit dem Kolben. Zwar gingen die Ungarn mit Todesverachtung drauf, um sich des anstürmenden Feindes zu erwehren, aber auch die Montenegriner stellten ihren Mann. Vorzüglich verstanden sie es, sich hinter Baumstämmen und Felsen zu verbergen.

Während der Kampf auf der halben Höhe des Berges unentschlossen hin und her tobte, versank die Sonne hinter dem bergigen Ufergelände der Drina und die Dämmerung breitete ihre grauen Schleier aus. Die ersten Sterne funkelten am Himmel.

Mancher der Kämpfenden hatte schon mehrfach Verletzungen erlitten, ohne seine Kameraden im Stich zu lassen; jeder Ungar wollte unter Aufbietung seiner letzten Kräfte dazu beitragen, die Montenegriner in die Flucht zu schlagen. Hunderte von Toten und Verwundeten lagen umher und noch immer hatte keine Partei irgend etwas erreicht. —

Der Offizier der ungarischen Truppen sah, dass sich seine Leute nur noch mühsam aus den Beinen halten konnten und nahe daran waren, zusammenzubrechen. Es ging einfach nicht mehr. — Was sollte er tun?

Da kam ihm ein Gedanke.

Er sammelte etwa hundert Mann und stellte ihnen die Aufgabe, die Montenegriner durch einen Bluff zu schrecken. Leise Anordnungen wurden gegeben. Darauf stiegen die hundert Mann, einzeln und vom dunklen Wald gedeckt, hinauf zur Höhe. Indessen wurde auf der Berglehne weitergekämpft.

Die Montenegriner hatten nicht das geringste von dem Abgange der hundert Ungarn gemerkt und setzten mit ermatteten Kräften das blutige Handgemenge fort.

Wie erschraken sie aber, als plötzlich von der Höhe hundert

Schüsse krachten und unter brausendem Hurra! eine ganze Menge Ungarn, deren Zahl man im Dunkel unmöglich feststellen konnte, den kämpfenden Ungarn zu Hilfe eilten.

Hei, das wirkte!

Ohne noch weiter ein entscheidendes Resultat herbeiführen zu wollen, gaben die Montenegriner den Kampf auf, sammelten sich und zogen ab. —

Der Mond stieg übers Gelände und sein bleiches Licht fiel auf eine ungarische Fahne, deren Schaft von zusammengetragenen Steinen aufrechtgehalten wurde. Um diese Fahne lagen in weiter Runde bis hinunter zur rauschenden Drina und hinauf zur Bergeshöhe Tote,

Verwundete und Schlafende, die kurz vorher, überwältigt von Müdigkeit, zusammengebrochen waren.

Im Kampf ums Vaterland 1914

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