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Der KriegspilotIn Feindes Mitte gelandet.

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Abenteuerliche Erlebnisse zweier Fliegeroffiziere.

Nach Schilderung eines Teilnehmers an seine Mutter.

Es war am letzten Freitag. Mein Freund v. K. und ich hatten an dem Tage bereits zwei Flüge unternommen, davon einen gegen den Feind und gute Erkundungen zurückgebracht. Da bekamen wir nachmittags um 5 Uhr nochmals den Befehl, loszufliegen. Nachdem wir uns bei sehr unsichtigem Wetter hochgeschraubt hatten, flogen wir in der vorgeschriebenen Richtung in Feindesland. Wir hatten bereits die möglichst günstigen Erkundungen gemacht und waren auf dem Rückfluge.

Da plötzlich ein Knall.

Der Motor stand!

Es wurde uns mit Entsetzen klar, dass ein feindliches Geschoss unsere gute treue Maschine in das Motorherz getroffen hatte.

Es blieb uns nichts übrig, als sofort die Notlandung in dem sehr hügligen feindlichen Gelände vorzunehmen. Wir überschlagen uns infolgedessen, ohne jedoch Schaden zu nehmen.

Als wir etwa 15 Meter über der Erde schwebten, sahen wir von den umliegenden Feldern eine Anzahl Bauern mit erhobenen Sensen und Mistgabeln unter lautem Geschrei auf uns zukommen. Gelandet, sprangen wir aus dem Apparat. Die Pistole gegen die rasenden Bauern vorhaltend, erreichten wir rückwärts gehend den 200 Meter entfernten Wald, wo wir in dichtem Farrenkraut und Gestrüpp versteckt die völlige Dunkelheit erwarteten. Wir vergruben unsere sämtlichen Papiere und Karten bis auf eine, die wir für den Rückmarsch zu gebrauchen dachten. Dann gingen wir langsam bis zum Waldesrand vor und schlichen einige Schritte weiter, als plötzlich zwei Gestalten wenige Meter vor uns aufsprangen, uns anriefen und im selben Augenblick auch schon feuerten.

Wir machten einen Sprung seitwärts ins Dickicht und ich stürzte in eine steile, etwa 12 Meter tiefe Schlucht. Mein Fall wurde aber durch Dornengebüsch abgeschwächt, so dass ich, wenn auch arg geschunden, doch mit heilen Gliedern herunterkam. v. K., welcher den Abgrund bemerkte, setzte sich und rutschte hinunter. Da saßen wir nun zusammengekauert und horchten auf die vielen Stimmen, die von allen Seiten herunterschallten. Der ganze Wald schien von Männern und Frauen umstellt. Plötzlich ertönte der Ruf „Attention!“, und sofort ging ein fürchterliches Feuer los. Die Kugeln und Schrotkörner pfiffen über unsere Schlucht hinweg. Das Rufen und Schießen dauerte wohl zwei Stunden, dann schienen sich die Bauern zurückzuziehen. Wir warteten noch einige Zeit und gingen dann in der Schlucht weiter, bis wir endlich mit größter Anstrengung den steilen, aus lockeren Felsstücken bestehenden Abhang hinaufklommen. Wir gingen oben ein Stückchen weiter, und sofort brach ein närrisches Feuer los, doch legten wir uns flach in ein nahes Kornfeld und schlichen uns endlich weiter.

Als es hell wurde, verkrochen wir uns wieder in das Unterholz des Waldes. Entsetzlich langsam verging der Tag. In der darauffolgenden Nacht marschierten wir acht Stunden. Als der Sonntagmorgen graute, kam es zu unserem Bewusstsein, dass wir im Kreis gegangen waren und nur zwei Kilometer geschafft hatten. Bei dem vollkommen bedeckten Himmel hatten wir die Richtung verloren; doch sank uns darüber keinesfalls der Mut, wir marschierten vielmehr in Deckung des Waldes der aufgehenden Sonne entgegen. Vom Hunger und hauptsächlich vom Durst gepeinigt, leckten wir den Tau von den Blättern und kauten die unreifen Brombeeren. Nach einer Stunde Marsch kamen wir an den Waldrand und sahen vor uns die Biwakfeuer der feindlichen Truppen. Wir mussten nun wiederum in den schützenden Wald zurück. Später kletterte ich auf einen Baum und beobachtete das von Süden nach Norden vorgehende Armeekorps. In der Annahme, die Unsrigen seien geschlagen, verloren wir fast alle Hoffnung. Auch hatten uns die Anstrengungen und Entbehrungen seelisch und körperlich derart heruntergebracht, dass wir anfingen, ernstlich daran zu denken, uns gefangen zu geben. Wir überlegten bereits, was wir den Leuten in unserem besten Französisch sagen würden. Schließlich aber trösteten wir uns mit dem Gedanken, dass es unseren armen Kameraden in Südwest noch viel schlechter ergangen war als uns, und wir beschlossen, noch eine Nacht auszuhalten. Von einem Rübenfeld hatten wir tags zuvor nur eine einzige Rübe mitgenommen, diese wurde genau eingeteilt und nur, wenn wir sehr vom Hunger gequält wurden, gönnten wir uns ein Stückchen. Wir sprachen dabei viel von Berlin, den sorglosen jungen Tagen, die wir zusammen verlebt. Da wir bei unsern Märschen durch Sumpfe und Bäche gewatet, waren wir bis über die Knie durchnäßt, trotz der glühendheißen Tage waren die Nächte sehr kühl und feucht. Wir versuchten, aneinandergeschmiegt zu schlafen, um wenigstens eine Seite immer etwas anzuwärmen. Den nächsten Morgen wurde uns das Aufstehen sehr schwer, besonders ich litt an fürchterlichen Schwindelanfällen.

Es war Dienstag gegen Abend, von ferne drang Kanonendonner herüber, und als wir wieder von einem Baume Ausschau hielten, begriffen wir, dass unsere Truppen siegten. O Mutter, unsere dankbare Seligkeit!

Wie stiegen da unsere Hoffnungen!

Trotzdem konnten wir nicht aus unserem Versteck, denn in unmittelbarer Nähe standen französische Vorposten, und in dem etwa 200 Meter entfernten Dorfe biwakierten zwei Schwadronen der feindlichen Kavallerie, die aber im Laufe der Nacht durch unsere Artillerie zum Rückzuge gezwungen wurden.

Den letzten Rest unserer kostbaren Rübe hatten wir mittags verzehrt und infolge des brennenden Durstes ans den Pfützen getrunken. Wir bekamen dabei mehr Erde als Wasser in den Mund. Die folgende Nacht war das Furchtbarste von allem. Wir hatten beide Fieber, ich litt an allen möglichen Wahnvorstellungen. Am Morgen konnten wir uns kaum mehr auf den Beinen halten, dazu klagte v. K. über heftige Schmerzen im linken Knie. Mit meiner letzten Willenskraft kam ich aber doch noch auf einen Baum, sah jedoch nichts. Da plötzlich hörte ich in meiner unmittelbaren Nähe die guten, echtdeutschen Worte: „Scher dich doch ran, du dummes Luder!“ Wie elektrisiert starrten wir uns an. Es war kein Zweifel, wir hatten beide das gleiche gehört. Wohl nie hat mich diese bei unserem Militär beliebte Redensart so geradezu „berauscht“. Ich kam sehr schnell von meinem Baume herunter. Vorsichtig gingen wir dem Laute der Stimmen nach und kamen alsbald an eine Chaussee, auf der eine Fernpatrouille marschierte. Sofort winkten wir mit unseren inzwischen feldgrau gewordenen Taschentüchern und riefen: „Nicht schießen!“ Denn in unserem zerfetzten und heruntergekommenen Zustand hätten unsere Kameraden uns für alles Mögliche halten können. Der Zwieback und der Schluck Wein aus der Feldflasche, den wir dann bekamen, schmeckte uns besser als die größte Delikatesse. Nachdem wir die Richtung unserer Truppen erfahren hatten, mussten wir allein auf der Chaussee ungeschützt noch ¾ Stunden uns weiterschleppen.

Wie wir hingekommen sind, weiß ich kaum mehr, jedenfalls wurden wir aber von den Unsrigen mit Jubel begrüßt und beglückwünscht. Unser Abteilungsführer rief immer wieder: „Ich hatte ja die Hoffnung, euch wiederzusehen, nicht aufgegeben, ich kenne doch meine Jungens!“ Dann war es rührend, wie alle Leute sich überboten, uns etwas Gutes zu tun. Der eine brachte eine geröstete Kartoffel, der andere ein Ei, und ein guter Landwehrmann brachte mir seine letzte Zigarette. Dann aßen wir Fleisch, Kommissbrot, alles, was wir bekommen konnten. Das war leichtsinnig, trotzdem bekam es uns aber immer noch verhältnismäßig gut. Schließlich packte uns der Abteilungsführer in ein Auto und beim Abschied sagte er uns dann: „Und nun bleibt ihr einige Tage in T., schlaft euch aus, erholt euch und kommt mir bald gesund mit einem neuen Apparat zurück!“

Nun sind wir seit gestern hier. v, K. sind heute zwei Schrotkugeln aus dem Knie geschnitten worden, das stark eiterte. Sonst geht es uns aber gut bis auf arge Schlaflosigkeit infolge der etwas überreizten Nerven, und so hoffe ich, in den nächsten Tagen wieder wohlauf zu sein und gebe Dir dann weitere Nachrichten. Einstweilen aber grüße ich Dich und alle daheim sehr innig! Dein Junge

(Südd. Ztg. Stuttgart.)

Im Kampf ums Vaterland 1914

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