Читать книгу Liebst Du mich auch? - Patricia B. McConnell - Страница 12

GEFÜHLE ALS PRIMITIVE VERBINDUNGEN ZWISCHEN GEHIRN UND KÖRPER

Оглавление

Trotz der Kontroverse »Was war zuerst – die Henne oder das Ei?« stimmen Neurobiologen darin überein, dass die primäre Funktion von Gefühlen darin besteht, das Gehirn mit dem Rest des Körpers in Verbindung zu halten. Gefühle sind eine Art Brücke zwischen dem »denkenden« Teil des Gehirns und dem Rest des Körpers und arbeiten darauf hin, dass der Organismus sich seinem Idealzustand nähert. Sie ermöglichen jedem von uns, vom preisgekrönten Neurobiologen bis hin zum hungrigen Bluthund, auf die Welt um uns herum zu reagieren – und zwar auf eine Art und Weise, die uns eben das ermöglicht.

Vor der Erfindung von Dingen wie Schokoladenpudding oder Keksen war dasjenige für uns gut, was uns ein gutes Gefühl verschaffte. Für Tiere, die in einer Umwelt mit beschränkten Ressourcen leben und in denen sie nicht wie wir die Gelegenheit haben, sich an guten Dingen allzu gütlich zu tun, trifft dies immer noch zu. Diese Grundregel funktioniert genauso gut anders herum: In der Wildnis ist das, was sich schlecht anfühlt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht gut für sie, also vermeiden sie es.

Eines der ersten Dinge, die man im Studium von Tierverhalten lernt, ist, dass Tiere zu Wohlbefinden und Komfort hin und von Schmerzen und Unwohlsein weg streben. Gefühle sind die Mechanismen, die Tieren diese Handlung ermöglichen. Sie sind ein Geigerzähler des Körpers, der das Gehirn informiert, was es als Nächstes tun soll. Haben Ihre Augen ein Raubtier hinter dem Busch da entdeckt? Dann ist es gut, wenn Ihr Herz zu rasen beginnt, mehr Blut zu Ihren Muskeln pumpt und Ihr Gehirn Ihnen sagt, dass Sie wegrennen sollten. Fühlen Sie sich zufrieden, behaglich und warm? Dann sind Sie vermutlich gerade in einer Umgebung, die gut und gesund für Sie ist.

Gefühle sind sehr grundlegende Dinge, die wir bei zahllosen Spezies in deren physiologischen Reaktionen, Ausdrucksverhalten, Gehirn und Neurochemie sehen können. Dies ist einer der vielen Gründe dafür, warum die Behauptung, Hunde hätten keine Gefühle, unlogisch ist – auch, wenn viele Menschen noch immer darauf beharren. Wenn genau jetzt etwas geschehen würde, was sowohl Sie als auch Ihren Hund in Angst und Schrecken versetzt, wären Körperhaltung und Ausdruck des Hundes ein ziemlich genaues Ebenbild dessen, was bei Ihnen zu sehen wäre. Diese Erkenntnis ist nicht neu – als Charles Darwin 1872 Der Ausdruck der Gefühle bei Mensch und Tier veröffentlichte, zögerte er nicht, darin die Haltung einer »verängstigten« Katze oder eines »bescheidenen« und anhänglichen Hundes zu beschreiben. In diesem Buch sagt Darwin, dass grundlegende Gefühle wie Angst und Ekel bei vielen Spezies nach außen hin gleich ausgedrückt werden. Obwohl es schon gut über hundert Jahre alt ist, wird dieses Buch noch immer in allen Kursen zu Evolution oder Verhaltenslehre verwendet, die diesen Namen verdienen.

Wo wir heute in der Lage sind, über die Beobachtung bloßer Verhaltensänderungen hinaus- und tief ins Gehirn hineinzusehen, haben wir herausgefunden, dass wir mit anderen Tieren sehr viel mehr als nur äußeres Ausdrucksverhalten teilen. In seinem Buch Affective Neuroscience argumentiert Jaak Panksepp, dass Säugetiere die gleichen grundlegenden gefühlsbezogenen Strukturen und die gleiche gefühlsbezogene Physiologie besitzen wie wir. Der für die Übermittlung von Gefühlen zuständige Gehirnbereich heißt limbisches System und ist von so grundlegender Bedeutung für sowohl Ihr Gehirn als auch das Ihres Hundes, dass es oft auch das »Säugetiergehirn« genannt wird.

Das limbische System ist tief in der Mitte Ihres Gehirns eingekuschelt, zwischen den wirklich primitiven Bereichen, die dafür sorgen, dass Ihr Kopf oben bleibt und Ihre Lungen arbeiten und den gewundenen, neueren Bereichen der Gehirnrinde, die Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen. Sowohl bei Ihnen als auch bei Ihrem Hund enthält es drei lebenswichtige kleine Strukturen, die Amygdala (oder Mandelkern), Hypothalamus und Hippocampus heißen. Die Amygdala fügt den ins Gehirn kommenden Informationen gefühlsmäßige Bedeutung hinzu und wurde früher als Kommandozentrale für die Gefühle Überraschung, Wut und Angst bezeichnet. Als wir mehr über die Komplexität des Gehirns erfuhren, stellten wir jedoch fest, dass dies bei weitem zu stark vereinfacht war. Aber andererseits passt fast alles, was wir über das Gehirn gelernt haben, in diese Kategorie. (Das Gehirn ist dermaßen kompliziert, dass es eigentlich unmöglich ist, ohne grobe Vereinfachungen darüber zu sprechen, also haben Sie Nachsicht mit mir.) Lassen wir es bei der Erklärung bewenden, dass die Amygdala eine wesentliche Rolle für Ihr Gefühlsleben spielt und die Amygdala Ihres Hundes eine wesentliche Rolle für das seine. Die Amygdala ist nicht nur wichtig zur Schaffung Ihrer eigenen Gefühle, sondern auch für das Erkennen von Gefühlen bei anderen. Menschen mit beschädigter Amygdala können nicht unterscheiden, ob der Gesichtsausdruck von jemand anderem Freude oder Wut zeigt.5 Wie wir später noch sehen werden, ist die Amygdala ein sehr geschäftiger Ort, wenn etwas geschieht, das Sie oder Ihren Hund erschreckt oder aufregt.

Die Amygdala reicht ihre emotionalen Beurteilungen an andere Strukturen weiter, die Erinnerungen vergleichen, Informationen an den Kortex (die Gehirnrinde) weitergeben oder je nach geschaffenem Gefühl die passenden Hormone ausschütten. Das System als Ganzes, das sowohl auf angeborenen Reaktionen als auf gespeicherten Erinnerungen basiert, war ein Hauptbeteiligter an meinen Gefühlen des Entsetzens, als ich realisierte, dass Luke in Gefahr war. Wir können nicht wissen, wie sehr Lukes innere Erfahrung der meinen ähnelte, aber er und ich hatten die gleichen Strukturen im Gehirn, die Angst übermitteln. Und eben diese Ähnlichkeit der Strukturen ist für viele die Argumentationsgrundlage, dass die Gefühle nichtmenschlicher Säugetiere denen von Menschen ähneln müssen.

Sicherlich ist Angst eines der grundlegendsten Gefühle überhaupt. Es ist schlecht vorstellbar, dass man ohne ein Gehirn, das einen bei Gefahr zur Vorsicht bewegt, in einer Welt voller Raubtiere und Giftpflanzen überleben könnte. Selbst Skeptiker in Sachen Gefühle bei Tieren stimmen zu, dass Angst eines der grundlegendsten Gefühle ist, eine Anpassungsreaktion für jedes Tier, das Entscheidungen treffen kann, um in der freien Natur zu überleben. Die meisten Biologen stimmen darin überein, dass die anderen »Grundgefühle« Zorn, Ekel und Freude sind. Diese primären Gefühle sind klar bei allen Individuen unserer eigenen Spezies zu sehen und werden immer auf ähnliche Weise ausgedrückt, egal, wo die Person ist oder zu welcher Kultur sie gehört.6 Drei dieser Grundgefühle – Angst, Wut und Glück – sind so wichtig für uns (und, wie ich argumentieren werde, auch für unsere Hunde), dass wir jedem von ihnen ein eigenes Kapitel widmen werden. Die Liebe als Cousine des Glücks verdient ebenfalls ihr eigenes Kapitel, was ja für ein Buch über Gefühle und unsere Beziehungen zu Hunden auch nur angemessen erscheint.

Neben diesen vier Grundgefühlen gibt es auch noch andere wie Schuldbewusstsein oder Stolz, die komplizierter zu sein scheinen. Vielleicht sind sie Kombinationen von Grundgefühlen, so wie Grün eine Kombination der Primärfarben Gelb und Blau ist. Manchmal wird auch argumentiert, dass zwar alle Säugetiere Angst, Wut und Freude erleben könnten, Gefühle wie Schuldbewusstsein oder Stolz aber höhere kognitive Fähigkeiten verlangen würden und nur von Menschen gefühlt werden könnten.

Wir werden über diese komplexeren Gefühle noch weiter hinten im Buch sprechen. Für den Moment ist vor allem wichtig, dass unsere Grundgefühle uns nicht vom Rest der Natur trennen, sondern uns mit ihr verbinden. Wie Diane Ackerman es in ihrem Buch An Alchemy of Mind formulierte, mögen wir zwar vielleicht sehr komplizierte Gehirne haben, aber die Gefühle, die darin gedeihen, sind roh und primitiv. Auf ihrer grundlegenden Ebene teilen wir ihr Erleben ganz gewiss mit unseren Hunden.

Liebst Du mich auch?

Подняться наверх