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Brautschau

Tyrannok verbreitete weiterhin Angst und Schrecken in seinem Volk. Keiner war vor seinen Launen sicher. Es wurde noch schlimmer, als die fünf Familien aus seinem Reich getürmt waren.

Als seine Treiber, ohne Erfolg und mit Verlust, zurückkehrten, warf er die Drachenreiterbrigade ohne zu zögern, mitsamt den Drachen in den Kerker.

Wie konnte es geschehen, dass diese nichtsnutzigen Flüchtlinge seine bestens ausgebildeten Treiber dermaßen hinters Licht führten? Er musste sich unbedingt eine bessere Schutztruppe aufbauen.

Tyrannok brauchte Macht wie andere die Luft zu atmen. Das Schicksal der Flüchtlinge war ihm mittlerweile unwichtig. Er wollte keine weiteren Gefolgsleute für die Verfolgung verschwenden. Seine Gedanken kreisten im Moment um ein anderes Problem. Er brauchte Nachfolger seines Blutes. Doch Tyrannok hatte keine Gattin. Das sollte sich schnellstmöglich ändern. Der Anführer des Elfenvolkes jenseits des Flusses rief nach seiner rechten Hand. Der Elf mit der weißen Haut und den roten Augen stand seinem Herrscher in Boshaftigkeit in nichts nach. Die Nägel an seiner Hand waren lang und spitz, und er trug nur Kleidung in der Farbe von getrocknetem Blut.

»Machinor, mein treuester Untergebener, geselle Dich zu mir!«

»Mein wertester Herrscher, was erwünscht Ihr von mir?« erwiderte Machinor mit einer Stimme, die klang, als würden Metalle aufeinander reiben.

»Ich brauche eine Gemahlin. Am besten eine mit ein wenig Magie im Blut, und bevorzugt von edlem Geblüt! Ich will, dass Du Kundschafter aussendest, die nach heiratsfähigen Bräuten Ausschau halten.«

»Wie Ihr wünscht, mein wertester Herrscher.«

Tyrannoks engster Verbündeter machte sich gleich an die Arbeit, und schickte zwölf geeignete Kundschafter in alle Himmelsrichtungen. Sie durften nicht zurückkehren, ohne eine passende Zukünftige für Tyrannok zu finden. Das war nur einer der Haken an der ganzen Sache. Die Kundschafter bekamen natürlich nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung, um ihren Auftrag zu erfüllen. Sollten sie es nicht schaffen, würde ihnen die Rückkehr in Tyrannoks Reich verwehrt. Deshalb hatte Machinor nur solche Elfen ausgesucht, denen es daran gelegen war, heimzukehren. Am leichtesten wurde dies erreicht, wenn er Väter aussuchte, die ein hohes Bedürfnis empfanden, zu ihren Familien zurückzukehren, weil diese sonst keine langen Überlebenschancen ohne ihre Versorger hätten.

Nach zwölf Tagen kamen elf der Kundschafter mit mehr oder weniger willigen, heiratsfähigen, möglichen Bräuten zurück. Der zwölfte Mann hatte sich gleich von Anfang an abgesetzt. Er hatte Machinor erfolgreich vorgeschwindelt, wie schwer er seine Familie verlassen konnte. Seine Vorstellung war herzzerreißend. Doch dieser, sogar ein entfernter Verwandter Tyrannoks, wollte sich bloß von seiner Verantwortung loseisen. Seine Familie war ihm gleichgültig. Ihm war nur sein eigenes Wohl wichtig. Die Frau und die Kinder des Abtrünnigen mussten nun die unverdiente Strafe seinetwegen ertragen.

Das Jahr hatte schon die Zeit erreicht, in der die Sonne ihre Kraft verlor, und die Saat geerntet werden konnte. Tyrannok hatte aber kein Auge für die golden leuchtenden Blätter der Bäume, die vor den Fenstern seines Gemaches leuchteten. Er hatte nur eines im Sinn.

Die elf Zurückkehrenden wurden unvermittelt in den großen Saal von Tyrannoks Festung gebracht, wo sie sich in einer Reihe aufstellen mussten. Ein Schreiber des Herrschers hatte vorgehend die Namen, das Alter und die Familienabstammung notiert.

Die Elfendamen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Manche schauten verschüchtert umher, oder gar zu Boden. Andere wütend und frustriert. Die eine oder andere konnte sogar mit einem stolzen Blick aufwarten. Keiner der Kundschafter wusste, welche der Anwesenden von Tyrannok als geeignet empfunden wurde. Allesamt hatten sie jedenfalls Magie im Blut. Das war die einzige Voraussetzung.

Tyrannok betrat den Saal und alle Anwesenden warfen sich zu Boden, um ihm Respekt zu zollen. Dies verlangte er jederzeit. Ein kurzes Räuspern zeigte an, dass man sich wieder erheben durfte. Nur die elf Heiratskandidatinnen blieben am Boden. Sie kannten Tyrannok noch nicht. Der tyrannische Herrscher schritt zu der ersten in der Reihe. Erstaunlich galant bat er diese, sich zu erheben. Eine schüchterne, am ganzen Körper schlotternde Elfin stand vor ihm. Sie war nicht schlecht anzusehen, doch das mangelnde Selbstbewusstsein missfiel ihm. Sie wurde aus dem Saal geführt. So geschah es auch mit der zweiten und dritten Elfin. Die eine war zu groß, die andere zu alt und zu dick. Die vierte gefiel ihm vom Aussehen, doch als sie angesprochen wurde, antwortete sie mit einer tiefen, männerähnlichen Stimme. Enttäuscht schickte er auch diese raus. Die fünfte und sechste Elfin in der Reihe entpuppten sich als Zwillinge. Eine glich der anderen auf´s Haar. Das irritierte Tyrannok so, dass er überhaupt nicht mehr genauer hinschaute, oder gar Fragen an sie stellen wollte. Auch die beiden wurden zu den wartenden Kundschaftern zurückgebracht. Die siebte Elfin schaute dem Herrscher der Stadt jenseits des Flusses mit herausforderndem Blick direkt in die Augen. Sie hatte katzenartige schwarze Augen, eine etwas große Nase und einen Mund mit schmalen Lippen, die ihn nun frech angrinsten. Tyrannok schaute die respektlose Elfin nun von Kopf bis Fuß genauer an. Dann nickte er und ging weiter. Die Achte missfiel ihm gleich. Sie war ungepflegt und ihre Füße wirkten, als hätte ein Troll einst ihre Gene gekreuzt. Nun war die neunte Elfin an der Reihe. Sie war ihm von Anfang an aufgefallen. Seit er den Saal betreten hatte, konnte sie keine Sekunde lang stillgestanden haben. Sie war ohne Unterlass in Bewegung. Das hübsche Elfenmädchen schien unbegrenzte Energien zu besitzen. Er konnte kein Fünkchen Müdigkeit an ihr erkennen, obwohl sie sicher eine weite Reise hinter sich hatte. Der Kundschafter, der sie mitgebracht hatte, sah nicht halb so frisch aus. Tyrannok nickte auch ihr zu, und ging zu der zehnten Elfin. Bei ihr schien überhaupt nichts zu stimmen. Sie wurde gleich rausgeführt. Das Beste kommt stets zuletzt, dachte Tyrannok bei sich. Eine wunderschöne, junge Elfendame blickte ihm entgegen. Sie senkte weder den Blick, noch blickte sie respektlos. Die Schönheit schaute ihn einfach nur desinteressiert an. Das forderte ihn auf sonderbare Weise heraus. Er wollte zu seinem eigenen Erstaunen ihr Interesse wecken. Deshalb nickte er auch ihr zu.

Er wäre nicht Tyrannok, sollte er die mögliche Zukünftige nicht erst schwersten Prüfungen aussetzen.

Als Erstes mussten sie ihm vorführen, dass sie wirklich Magie im Blut hatten. Immerhin war es die einzige Forderung, die er stellte.

Die schwarzäugige Elfin zog durch ihren bloßen Blick, sein Schwert aus der Scheide, und ließ es in der Luft, mit der Spitze auf ihn gerichtet, schweben. Dann schickte sie es zurück an seinen angebrachten Platz. Ein süffisantes Lächeln lag während der ganzen Zeit auf ihren Lippen. Dann sprach sie unaufgefordert.

»Reicht meine Vorstellung der Magie, der Herr?« Auch wenn ihm ihr respektloses Benehmen missfiel, die Beherrschung ihrer magischen Kräfte, imponierte ihm durchaus.

»Sprich mich stets mit wertester Herrscher an!« wies Tyrannok die erste Anwärterin an. »Und sprich nur, wenn ich Dich dazu auffordere!«

Jetzt schenkte die Elfin mit der etwas zu großen Nase dem tyrannischen Herrscher einen beleidigten Blick.

»Ich bin von edlem Geblüt, mit Magie gespickt. Ich spreche, wann es mir gefällt, werter Herrscher! Soweit mir bekannt ist, seid Ihr per Alleingang und ohne jegliches, edles Blut auf diesen Thron gelangt. Eine überaus bemerkenswerte Tat, der ich größten Respekt zolle. Mich dürstet auch nach Macht! Das war der Grund, wieso ich dieser Aufforderung, herzukommen, überhaupt nachkam!« Sie schaute ihre Konkurrentinnen siegessicher an.

Während Tyrannok die zwei weiteren Hoffnungsträgerinnen auf ihre Magie prüfte, landete Apollonia mit Serah in einem unbesiedelten Gebiet der weiten Ebene. Mit einigen herumliegenden Stöckchen bauten sie sich für die Nacht einen stabilen Unterstand. Die Lichtelfin warf eine große Plane aus wetterfestem Material über das Gerüst, die sie mit ein paar wenigen Handgriffen daran befestigten. Serah sammelte Moos und formte es zu einer bequemen Liegelandschaft darunter. Ihr weniges Gepäck verstauten sie auch darin. Die Lichtelfin legte vorsorglich einen Kreis aus winzigen Steinchen. Holz lag genug herum, um für Wochen ein wärmendes Feuer zu nähren. Einige wenige Bäume standen in der Nähe ihres gewählten Übungsplatzes. Sie trugen noch etwas Laub.

»Setz dich, werte Serah. Wir werden uns jetzt zunächst ein wenig stärken. Du wirst Kraft brauchen. Wärme Dich ein wenig an unserem Feuer.«

Nebula hatte kurz vorher die Zweige in ihrer Feuerstelle entzündet. Die Waldamazone rieb ihre Hände aneinander, um sie zu wärmen. Es war schon empfindlich kalt geworden. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Sie schlang ihre Arme um ihre Knie und starrte müde in die Flammen. Auch Apollonia hing ihren Gedanken nach. Die Lichtelfin plagten in letzter Zeit beängstigende Visionen, die sie nicht zu deuten vermochte. Sie schaffte es nicht, die Botschaft aus ihnen zu lesen. Jeder Schlaf wurde zur Qual. Apollonia traute sich kaum noch, die Augen zu schließen. Die Veränderungen, die Arturion und Serah an ihr wahrnahmen, rührten daher. Die Lichtelfin wirkte tagsüber in ihrem Beisein oft müde und abwesend. Das kam vom mangelnden Schlaf. Fielen ihr tagsüber die Augen zu, konnte sie wenigstens für kurze Zeit traumlos ruhen. Doch es reichte nicht. Ihre Kräfte schwanden. Sie hätte zu gerne mit jemandem ihre Last geteilt, so wie es Quirion und Teauh nun taten. Die vorangehende Heilerelfin war erkrankt, da sie ihre Bürde mit niemandem teilen konnte. Apollonia konnte es ihr jetzt zu gut nachempfinden. Aber ihr eigenes Wohl stand nun nicht im Vordergrund. Sie musste die fünf Auserwählten ausbilden. Die Lichtelfin unterlag denselben Pflichten dem Volk des strahlenden Tales wie alle andern auch. Sie war eine von ihnen.

Es wurde mittlerweile schon recht früh dunkel. Die Sterne leuchteten hell auf sie nieder, und der schmale Mond leistete ihnen Gesellschaft. Der Himmel war klar, was eine kalte Nacht versprach. Poesia und Nebula lagen eng an ihrem Zelt, um die beiden Elfinnen ein wenig von der kühlen Luft zu schützen. Irgendwann würde das Feuer versiegen. Meisterin und Lehrling schlupften auf ihr gemütliches Bett aus Moos. Es dauerte nicht lange, und sie verfielen in tiefen Schlaf. Anfänglich konnte Apollonia ein wenig traumlos schlafen, doch dann fing es wieder an. Ein Film von wirren Bildern spielte sich vor ihren Augen ab. Ein seltsam aussehender Drache, fremde Elfen, eine magisch wirkende Statue, dann hässlich lachende Elfinnen, die sie zu verhöhnen schienen, aber auch ein Elfenmädchen, mit langem blonden Haaren und den Augen des Frühlingshimmels. Apollonia erwachte schweißgebadet. Sie sass senkrecht auf ihrem Moosbett, und ihr Herz schlug wild in ihrer Brust. Mit großen Augen schaute sie ängstlich auf das tief schlafende Elfenmädchen nieder. Serah war nicht aufgewacht. Sie musste sich zusammenreißen. Ihr Los war es, das Volk mit ihren Visionen zu unterstützen und zu leiten. Wenn ihre Aufgabe erfüllt war, und die fünf Erwählten die Magien der fünf Elemente beherrschten, wartete eine weitere wichtige Pflicht auf sie. Das war das Einzige, was sie erkennen konnte. Der Rest war in ein Labyrinth ihrer Gedanken gehüllt.

Sie legte sich erst wieder hin, als sich ihr Herzschlag normalisiert hatte. Kurz vor Sonnenaufgang verfiel sie nochmals in einen kurzen, traumlosen Schlaf.

Im Festungssaal Tyrannoks führten die zwei weiteren Elfendamen ihre Kunst der Magie vor. Die Katzenäugige Elfin konnte mit ihrer Vorstellung und ihren Worten einen guten Vorsprung erreichen. Das spornte die Konkurrentinnen umso mehr an.

Das hübsche Energiebündel entschied sich, Tyrannok das Gefühl zu geben, selbst Magie zu besitzen. Er hob plötzlich vom Boden ab, und schwebte schwerelos in der Luft.

»Ihr müsst eure Arme bewegen wie die Schwingen eines Greifers. Dann könnt Ihr fliegen, werter Herrscher!« meinte sie mit honigwarmer Stimme.

Tyrannok tat wie geheißen. Er vergaß für einen Moment die Welt um sich und flog durch seinen Saal. Ihn überkam ein Gefühl, das er nicht deuten konnte. In seiner Engstirnigkeit konnte er nicht erkennen, dass er das erste Mal in seinem Leben Glück empfand. Er konnte nur fühlen, dass er davon nicht genug bekommen konnte. Die Elfendame begleitete ihn die ganze Zeit schwebend durch den Saal.

Als sie zurück bei den weiteren Anwärterinnen waren, ließ sie ihn mit einer galanten Bewegung ihrer linken Hand wieder vorsichtig zu Boden gleiten. Tyrannok hätte sich am liebsten gleich für dieses Energiebündel entschieden. Aber es wartete noch eine Herausforderung auf ihn. Und er konnte keiner Herausforderung widerstehen. Die kühle Gleichgültigkeit der dritten im Bunde ließ ihn nicht kalt. Eine interessante Taktik, um sein Interesse zu schüren. Er war gespannt, mit welcher magischen Darbietung sie ihn für sich gewinnen wollte. Tyrannok hätte sich nicht gewundert, wenn sie den Boden zu seinen Füßen in Eis verwandelt hätte. Es ging eine faszinierende Kälte von ihr aus.

Quintarrh

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