Читать книгу Quintarrh - Patricia Gasser - Страница 17
ОглавлениеDie Bittsteller
In der Ebene, am Fuße des strahlenden Tales wurde der Wolkenbruchdrachen mit Hilfe sämtlicher Elfen vorsichtig auf die extra dafür hergestelle Matte gerollt. Visnimbor fehlte noch jegliche Kraft, um dabei selbst zu agieren. Ihn quälten starke Schmerzen. Mit den Seilen Rasmoks sicherten sie den versehrten Drachen, damit er beim Transport nicht von der Matte stürzen konnte. Juwen und Arturion baten ihre Drachen, eine der beiden starken Weidenstangen in den Schlaufen der Matte zu ergreifen, und ihn vorsichtig in ihre Siedlung zu befördern. Serah begleitete den verletzten Drachen gemeinsam mit den ersten Elfen aus der Stadt jenseits des Flusses in Richtung des strahlenden Tales. Liuson und Deliahs Drachen trugen jeweils drei Elfenkinder auf ihren Rücken mit sich. Während ihres kurzen Fluges in Richtung ihrer Heimat wurden sie von dicken Wolken umringt. Serah konnte ihn förmlich riechen. Den Schnee. Als die erste Gruppe der Flüchtlinge in der Fari-Siedlung landete, fielen die ersten Flocken. Es war eigentlich noch ein wenig zu früh für den Wintereinbruch. Vielleicht hatte sich die Natur doch noch nicht ganz von den Emotionen Misterions erholt. Und es gab dadurch gelegentliche Rückfälle. Aber darüber wollte sich Serah nun keine Gedanken machen.
Die Ankunft blieb natürlich nicht unbemerkt. Als Amnision und Heron den verletzten Drachen vorsichtig abgesetzt hatten, kümmerte sich Teauh, der mit Serah zurückgeflogen war, gleich um Visnimbor. Quirion kam ihm gleich zur Hilfe. Er war mittlerweile wieder zurück. Er war längere Zeit in einer anderen Siedlung beschäftigt gewesen, weshalb ihn Serah zuvor nicht finden konnte. Quirion wies die beiden Drachen an, den verletzten Drachen ein weiteres Mal zu transportieren. Diesmal gleich in die Nähe ihres Domizils, wo sie all ihre Heiltränke aufbewahrten. Einige helfende Elfen bauten ungefragt einen schützenden Unterstand für den Patienten. Er hielt immer noch krampfhaft das Ei in seinen Krallen fest. Quirion flößte Visnimbor eine entspannende Tinktur ein, damit sie das Drachenei heil aus seinen Klauen entfernen konnten. Teauh war auf der Suche nach Arion. Man konnte es kaum Glauben, aber der lümmelte immer noch gemütlich im heimischen Häuschen rum, und las ein Buch nach dem anderen. Da fand ihn der zweite Heilerelf. Teauh erzählte Arion in wenigen Worten, was geschehen war. Der sprang gleich auf, und eilte zusammen mit Teauh aus dem Haus. Sie schnappten sich Celerio und liefen gemeinsam zu Quirion, der mit Hilfe einiger weiteren Elfen das Drachenei aus Visnimbors Klauen entfernt hatte. Der Wolkenbruchdrache schlief nun in seinem geschützten Lager und erholte sich dabei von seinem Trauma. Celerio wurde dazu verdonnert, das Drachenei solange auszubrüten, bis sich auch der Eisenpanzerdrache in ihrer Siedlung befand.
Nicht nur der verletzte Drache wurde freundlich empfangen, auch die ersten Elfenkinder wurden gleich versorgt. Als Serah sich sicher sein konnte, dass man sich um alle kümmerte, flog sie gemeinsam mit Liuson und Deliah zurück, und holte weitere Flüchtlinge. Es schneite nun unentwegt in dicken, weichen Flocken. Es war kalt und die Sicht war durch das dichte Schneegestöber erschwert. Aber sie fand mit Hilfe von Poesias gutem Orientierungssinn den Platz in der Ebene wieder. Diesmal unterstützte auch der Eisenpanzerdrache den Tross. Er wählte Stefok als seinen Reiter, der gleich seine restliche Familie auf Caprizelon lud. Die beiden jüngeren Söhne waren schon bei der ersten Fuhre mit dabei. Er half seiner Frau, und dem ältesten Sohn, aufzusteigen. Pretonia und Conspirion nahmen erneut einige der Flüchtlinge mit auf den Rückflug. Mit Hilfe von Heron und Amnision konnten sie beim letzten Flug alle restlichen Elfen eskortieren, bis auf ein Elfenmädchen. Sie sollte bei Apollonia und Nebula mitfliegen. Sie warteten, bis alle den verhängnisvollen Platz in der Ebene am Fuße des strahlenden Tales verlassen hatten. Auf dem Boden sammelte sich schon eine dichte Decke aus Schnee, als die Lichtelfin mit Nebula und Valerin, eingehüllt in eine zusätzliche Wand aus Nebel, den Heimkehrenden folgte.
Es verstrich kaum Zeit, da war von den Spuren der Elfen nichts mehr zu erkennen. Die weiße Pracht hatte sie alle zugedeckt, oder sie wurden von den wild herum wuselnden Gnurfen verwischt, die nach Essbarem suchten.
Auf dem Rückflug mussten die Elfen und Drachen nun gegen einen frisch aufkommenden eisigen Wind ankämpfen, der ihnen erbarmungslos die kalten Eiskristalle in ihre Gesichter blies. Die Drachen kämpften mit allen Kräften gegen den aufkommenden Wintersturm. Apollonia war heilfroh, dass der verletzte Wolkenbruchdrache schon in Sicherheit war. Nun mussten sie nur noch ihre Gäste heil in ihre Siedlung bringen. Valerin, das Elfenmädchen aus der Stadt jenseits des Flusses, klammerte sich eisern an Apollonia fest, um nicht weggeweht zu werden. Die Berührung des Elfenkindes löste in der Lichtelfin eine neue Vision aus. Sie musste sich sehr konzentrieren, um trotz der Bilder, die nun vor ihrem inneren Auge aufblühten, den Weg zurück in ihre Siedlung nicht zu verfehlen. Es war nicht leicht, gegen die Vision anzukämpfen. Nebula flog zügig gegen den immer stärker werdenden Wind an, bis sie endlich die Fari-Siedlung erblicken konnte. Die Nebeldrachendame verlor an Höhe und segelte dann, trotz der widrigen Umstände, elegant zu Boden. Erleichtert stieg die Lichtelfin von Nebula und half Valerin ebenso abzusteigen. Die Eltern des Elfenmädchens warteten schon ungeduldig und schlossen sie erleichtert in ihre Arme. Die Flüchtlinge standen dicht beisammen und zitterten am ganzen Körper. Die Strapazen der letzten Tage holten sie nun ein. Sie waren alle unversehrt an ihrem Ziel angekommen, dafür waren sie alle sehr dankbar. Nun mussten sie darauf vertrauen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Serah hatte nach ihrer Ankunft in der heimatlichen Siedlung gleich nach ihren Eltern gesucht. Ihr Vater musste schnellstens darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass sie Gäste hatten. Sie flog mit Poesia zu ihrem Häuschen und versuchte ihr Glück erst mal zu Hause. Da waren sie aber nicht zu finden.
Kusion und Triziah befanden sich schon seit der Ankunft der ersten Flüchtlingskinder im »Drachennest«, wo sie sich mit Hilfe von weiteren Elfen ihrer Siedlung um die Neuankömmlinge kümmerten. Die aufgeregten Elfenkinder erzählten den Bewohnern der Fari-Siedlung schon beinahe ihre ganze Lebensgeschichte, ohne dass ihre Eltern sie daran hindern konnten. Die standen nun mit den restlichen Flüchtlingen frierend im Schneegestöber. Doch man ließ sie nicht lange in der Kälte stehen. Sie wurden von Arion, dem älteren Bruder Serahs in die Versammlungshalle, das »Drachennest«, wie sie bevorzugt genannt wurde, gebracht, wo schon die ersten von ihnen betreut wurden. Als die vielen Neuankömmlinge durch die Tür in den Saal traten, wurde es Kusion etwas mulmig zu Mute. Wo sollten sie all diese Elfen in dieser unwirtlichen Jahreszeit bloß unterbringen? Häuschen konnten sie derzeit unmöglich bauen. Es standen auch nicht genug annehmbare Unterkünfte in ihrer Siedlung zur Verfügung. Jetzt sah Kusion auch Apollonia. Sie kam mit leichten Schritten auf ihn zu.
»Kusion, Oberhaupt des strahlenden Tales, wir haben Euch ein paar Gäste mitgebracht. Sie waren auf dem Weg in unser strahlendes Tal, als mir ein verhängnisvoller Fehler unterlief. Ich ließ Deine Tochter die Magie des Windes, in diesem Falle, die des Wirbelsturmes üben, wodurch der Wolkenbruchdrache dieser Elfen mitgerissen und verletzt wurde. Er wird gerade von Teauh und Deinem Sohn gepflegt. Ich bin untröstlich. Diese fünf Familien haben es verdient, dass wir uns um sie kümmern, denn ihnen wurde durch mich Leid angetan.«
»Nicht nur durch Dich, geehrte Lichtelfin!« Serah trat zu ihrem Vater. »Es war meine mangelnde Kontrolle, die diese Misere heraufbeschworen hatte. Diese großzügigen Elfen aus der Stadt jenseits des Flusses hegen trotzdem keinen Groll gegen uns.«
»Nun denn, Elfen der Stadt jenseits des Flusses, wer ist Euer Anführer?«
Annelin trat hervor. Sie erzählte mit wenigen Worte die grausame Geschichte ihres Volkes unter der Herrschaft Tyrannoks. Dann geschah etwas Seltsames. Die heimliche Anführerin der fünf Familien vollführte ein unbekanntes Handzeichen in der Luft, wodurch sich alle Flüchtlinge niederknieten, und Kusion hoffnungsvoll anschauten, als Annelin weiter sprach.
»Geehrtes Oberhaupt des strahlenden Tales, alle Hoffnung gebührt nun Euch. Ihr kennt nun unsere Geschichte. Wir legen unser Leben in Eure Hände, und versprechen Euch, uns an Eure Sitten und Regeln zu halten, sofern Ihr uns die Ehre erweist, uns Eurem Volk anschließen zu dürfen.«
»Geehrte Gäste, wir können Euch nicht allzu viel bieten. Wir leben ein bescheidenes Leben. Es ist uns zur Zeit nicht möglich, eine angemessene Unterkunft zu bieten. In unserer Siedlung steht nur ein Häuschen frei. Bauen können wir zu dieser Jahreszeit unmöglich. In den umliegenden Siedlungen ist noch das eine oder andere Häuschen frei. Das müsste ich zunächst auskundschaften. Solange müsstet ihr mit unserem »Drachennest«, dieser Versammlungshalle hier, vorliebnehmen. Sobald die Wetterverhältnisse es erlauben, werde ich mich um eine angemessene Unterkunft für jede Familie kümmern.«
»Seid gedankt, geehrtes Oberhaupt des strahlenden Tales! Das ist mehr, als wir zu wünschen hofften. Alles ist besser, als weiterhin unter der Schreckensherrschaft Tyrannoks zu leben! Wir werden uns alle nützlich machen, und unsere Fähigkeiten zum Wohle aller zur Verfügung stellen. Ihr sollt Eure Entscheidung nicht bereuen!«
Einige Elfenfrauen brachten nun einen Kessel dampfender Suppe in das »Drachennest«. Tische, Stühle und Bänke wurden zusammengerückt, und dann nahmen die fünf Familien gemeinsam mit Kusion und seinem Volk die erste Mahlzeit in ihrer neuen Heimat ein.