Читать книгу Quintarrh - Patricia Gasser - Страница 7

Оглавление

Die Flucht

Gewittergeladene Wolken ballten sich unheildrohend über den Flüchtigen, als diese in einer sommerlichen Nacht aus ihrer Heimat flohen. Geduckt und darauf achtend, möglichst wenige Geräusche zu verursachen, schlichen sie durch die dusteren Gassen der Stadt jenseits des Flusses. Allen voran ging eine drahtige blonde Elfin, gefolgt von ihren beiden Kindern, die vor Angst am ganzen Körper zitterten. Nervös stolperten noch weitere Familien hinter den Dreien her. Annelin trieb sie alle unbarmherzig voran.

„Los, wir haben nur die eine Chance!“ zischte sie die Nachkömmlinge an.

Im spärlichen Licht des Mondes führte die Elfin ihren Trupp gezielt durch die verwinkelten Gassen der Elfenstadt, dabei warfen die umliegenden Häuser unheimliche Schattenbilder auf den Weg und ängstigten sie noch mehr.

„Ahh!“ schrie eines der Elfenkinder, das aus Versehen in den Rinnstein mit eklig riechendem Abwasser trat. Das Schuhwerk war nun nass und jeder Schritt ließ ein schmatzendes Geräusch hören.

„Weiter!“ flüsterte der Vater. „Schau, wo Du hinläufst!«

„Psst! Ihr seid viel zu laut“, kam eine rügende Stimme von hinten.

Die Anspannung war beinahe greifbar. Die lang geplante Flucht musste gelingen. Keinen Tag länger hielten sie es noch unter der Gewaltherrschaft ihres selbsterwählten Oberhauptes Tyrannok aus.

Annelin hob die Hand als Zeichen anzuhalten. Über ihnen flog ihr Drache Visnimbor, der sie auf ihrer riskanten Reise begleitete. Er musste tief fliegen, was nicht ungefährlich war, bei der Dunkelheit, die sie umfing. Die Häuser der Stadt hatten spitzzulaufende Dächer, die leicht den Bauch eines unvorsichtigen Flugwesens aufschlitzen konnten. Die Elfin mit dem Haar von reifem Weizen hatte etwas gehört. Aufmerksam lauschte sie in die Nacht hinaus. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging der Marsch weiter. Sie hielt sich auffordernd einen Finger auf die Lippen, ein Zeichen, dass sie weiterhin so leise wie möglich sein sollten. Mit der anderen Hand winkte sie den Trupp voran. Rempelnd kam der Tross wieder in Bewegung.

„Lauf schon!“ raunzte eins der Elfenkinder seinen kleinen Bruder an, der im Stehen eingeschlafen zu sein schien. Widerwillig setzte sich dieser in Bewegung. „Etwas schneller, wenn´s geht. Sonst verlieren wir die anderen.«

Auf dem bisherigen Weg begleitete sie ein andauernder beißender Geruch, der von auf den Straßen und Gassen umherliegenden und geschundenen Elfen ausging. Die in Lumpen gekleideten Heimatlosen kauerten in jeder geschützten Nische oder auf jedem trockenen Fleck. Die Anführerin war darauf vorbereitet und führte ihren Tross dementsprechend über und um die lebendigen Hindernisse. Plötzlich schnellte eine Hand aus dem Nichts und packte eines ihrer Kinder am Knöchel und hielt es fest. Es kam nicht mehr weiter und ruderte panisch mit den Armen. Einen Schrei konnte es gerade noch unterdrücken, indem es sich beide Hände auf den Mund presste. Schwer atmend und ums Gleichgewicht ringend wandte es sich an Annelin.

„Mutter, hilf mir!“ sagte es gerade so laut, dass es noch zu hören war. Die Anführerin war schon um die nächste Ecke gewischt, war aber gleich umgedreht, als sie die Worte ihrer Tochter hörte.

„Lass sofort los, oder ich hetz Euch Tyrannok auf den Hals!“ hörte man sie drohen.

„Nein, nein, nicht Tyrannok!“ kam eine jammernde Stimme aus dem Dunkeln.

„Dann lass uns weiterziehen!“

„Ich lass ja schon los!« murmelte es aus dem Nichts und die Hand, die die Fessel des Kindes festhielt, ließ endlich los.

„Geht es Dir gut? Kannst Du laufen?“ wandte Annelin sich an die erschrockene Tochter.

„Mhm“, wimmerte sie nur und ging dabei versuchsweise ein paar Schritte.

„Los, wir müssen weiter!“ raunte sie den Flüchtenden zu und an ihre Tochter gewandt. „Es ist nicht mehr weit zum Fluss. Du musst jetzt noch ein wenig tapfer sein. Sobald wir den Fluss überquert haben und uns im angrenzenden Wald ein wenig ausruhen können, kümmere ich mich um deinen Knöchel.“

Annelin setzte sich wieder in Bewegung und die Familien folgten ihr und tatsächlich nach kurzer Zeit hatten sie den Fluss erreicht. Doch eine böse Überraschung erwartete sie.

„Wo ist die Brücke?“ fragte eins der Kinder. Fassungslos sahen sie auf die Trümmer, die einst die Brücke über den Fluss war.

„Planänderung! Wir müssen rüber fliegen.“

Einer der Elfenmänner, der sich meist um den Gemeinschaftsdrachen kümmerte, rief Visnimbor, den Wolkenbruchdrachen zu ihnen. Dieser landete sachte und legte seine weiten Schwingen an seinem sturmfarbenen Drachenkleid an. Die Strecke war nicht weit, so dass sie ein paar Elfen mehr pro Flug auf ihn setzten als gewöhnlich. Der Drache drückte sich kräftig vom Boden ab und flog seine Passagiere umgehend an die gegenüberliegende Uferseite. Sie wusste nicht von der zerstörten Brücke und hoffte nun, dass der erste Teil ihres Planes ohne weitere Hindernisse erfüllt werden konnte und sie nicht am Ende doch noch in die Fänge Tyrannoks und seiner Schergen geriet, zu denen nun auch ihr Gatte gehörte. Sie hatte keine Zeit weiter ihren Gedanken nachzuhängen, denn nun war sie und die restlichen Flüchtigen an der Reihe den Fluss zu überqueren. Als sie auf dem Drachen durch die Luft segelte, warf sie noch einen letzten Blick auf die Stadt ihrer Pein und sandte ihr ein hoffnungsvolles: „Auf Nimmerwiedersehen, Stadt des Grauens. Alles ist besser als das, was wir verlassen!“ zu.


Kaum setzte der Drache am Flussufer auf, da schellten die Alarmglocken der Stadt jenseits des Flusses. Jemand musste die Flüchtigen gesehen und verpfiffen haben.

„Wer uns wohl verpfiffen hat?“ fragte eins von Annelins Kindern.

„Keiner wusste von unserem Plan“, war ihre einzige Antwort. Doch sie hätte ihre Hand nicht dafür ins Feuer gehalten. „Lasst uns verschwinden. Wir nutzen den dichten Laubwald und die Dunkelheit. Da können sie uns nicht allzu leicht finden! Rennt!“

Auf dem Flug auf die andere Flussseite war Visnimbor ein wenig zu hoch geraten, womit er einen Wolkenbruch auslöste. Zudem wurde es plötzlich ziemlich windig.

Die Familien sammelten ihre Kräfte und eilten hinter der Anführerin hinterher. Keuchend rannten sie gemeinsam in den Wald und selbst Visnimbor folgte ihnen. In der Luft wäre er zu leicht zu entdecken gewesen. Aber er war auf dem Landweg nicht besonders schnell. Die Elfen rannten eine Weile durch den dichten Regen hinter Annelin her, doch sie war ausdauernder als die meisten und hielt nach einer Weile im Lauf inne. Obwohl sie dank ihrer hervorragenden Kondition kaum außer Atem war, musste sie sich rücksichtsvoll um die anderen kümmern. Sie hatten eine kleine Lichtung erreicht, wo sie im Schein des Mondes, und trotz des kräftigen Regens, ein wenig besser die Landschaft um sich erkennen konnten. Auf der Lichtung konnten sie zwar nicht bleiben, aber Annelin hat einen umgestürzten Baum entdeckt, in dessen Wurzel sie allesamt eine einigermaßen gemütliche und trockene Bleibe finden konnten, es kam einem Mehrfamilienhaus ziemlich nahe. Der Drache konnte sich etwas tiefer im Wald einrollen und auch ein wenig ausruhen. Die Familien suchten sich in der Wurzel jeweils eine Höhle und legten sie mit etwas gesammeltem Moos aus, das sie ohne Probleme auf dem Waldboden finden konnten. Die regennasse Kleidung wurde behelfsmäßig zum Trocknen aufgehängt.

„Wir brauchen Wachen!“

„Ja, wir können uns hier nicht einfach gemütlich zur Ruhe legen. Die Schergen Tyrannoks werden mit Sicherheit auf ihren Drachen nach uns suchen. Ich kann die Alarmglocken immer noch hören.“

„Lasst uns abwechselnd wachen. Wir haben nun beinahe Mitternacht. Wir sind fünf Familien. In der frühen Morgendämmerung sollten wir uns wieder auf den Weg machen.“

„Das klingt gut. Annelin sollte sich jetzt erst mal ausruhen dürfen. Sie hat uns alle heil hierher gelotst und die ganze Verantwortung getragen. Wir sollten sie von dieser Aufgabe entbinden, schon der Gerechtigkeit wegen. Wer ist dafür, dass die Wache unter den restlichen Familien verteilt wird?“

Alle Hände hoben sich ohne Ausnahme. Sie waren sich alle einig.

„Lasst uns kurz vor Sonnenaufgang wieder auf den Weg machen. Ich übernehme die erste Wache.“

Schnell war die Reihenfolge der Wache bestimmt und alle konnten sich zur Ruhe legen. Die Kinder schliefen schon lange, als der Erste seine Wache antrat.

Es dauerte nicht lange und alle schliefen erschöpft auf ihren moosigen Betten. Sie bemerkten auch die den Zwergen ähnlichen Gestalten nicht, die sich unweit der Wache aus der Erde gruben. Das Ziel der nachtaktiven Gnurfe war bloß ihren Hunger zu stillen. Mit ihren spitzen Zähnen knackten sie Eicheln und Kastanien. Sie aßen alles, was ihnen im Weg lag, bis sie satt waren. Dann verschwanden sie genauso schnell wieder im Erdreich, wie sie erschienen waren. Man konnte zwar die schmatzenden Geräusche hören, doch die Gnurfen waren selbst bei Tageslicht für Elfen kaum zu erkennen. Sie waren sehr klein und erdverkrustet. Man erzählte sich geheimnisvolle Geschichten von diesen unschönen Wichten.

Früh am nächsten Morgen, die Sonne war noch nicht aufgewacht, der Regen hatte schon längst aufgehört und der Wind war abgeflaut, wurden die Flüchtlinge von der letzten Wache geweckt.

Die Erde dampfte noch vom nächtlichen Gewitterregen. Nach einer kurzen eiligen Mahlzeit machten sie sich weiter auf den langen Weg zu ihrem Ziel: Dem strahlenden Tal, von dem sie gehört hatten, dass die Elfen dort ihre Magie wiedergefunden hatte.

Davon hatte auch Tyrannok gehört, was ihn derart in Rage brachte, dass er sich kaum beruhigen konnte. Selbst trug er kein Fünkchen Magie, doch für seine Grausamkeiten bedurfte es keine Magie. Trotzdem wollte er sie besitzen.

Quintarrh

Подняться наверх