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XVII

«Al sgarbis, al sgarbis!», schrie Tiziano ihr von der Kasse her zu. Doch bevor sie begriff, hatte der Mann das Brot von der Theke genommen, eine Flasche Wein gepackt und war weg gewesen. Tiziano schimpfte mit ihr, weil sie einem notorischen Dieb auf den Leim gegangen war. Sie hätte es wissen müssen, doch sie war in Gedanken versunken gewesen.

«Ich hab dich doch gewarnt!»

«Was hast du mir gesagt?» Erschrocken blickte Alma Tiziano an. Sie verstand den Jargon der Bäckersleute nicht, dieses furchtbare Kauderwelsch aus alten Puschlaver Dialektbrocken und römischer Mundart!

«Diamine!»

Clemente kam ihr zu Hilfe. «Komm, ist schon gut. Pass das nächste Mal besser auf.»

Alma nickte kleinlaut.

«Al sgarbis heisst ‹er klaut›. Und frost heisst ‹Brot› und schirel ‹Wein›!», erklärte er ihr aufmunternd.

«Ohimè!», entfuhr es ihr erleichtert. «Ich muss jetzt.» Sie packte das Brotbündel und verliess den Laden, um vor dem Frühstück noch die Zeitungen zu besorgen.

Antonio bemerkte Almas Aufregung. Sie erzählte ihm von ihrem Missgeschick, und sie lachten. Und er erzählte ihr von der Universität, an der er Italienisch und Geschichte studierte, und davon, dass er sich mit dem Zeitungsverkauf und einigen Privatlektionen Leben und Studium finanziere. Ihm gefiel ihr Quartier, weil viele Strassen nach berühmten italienischen Künstlern benannt waren. «Ihr habt eine Piazza Dante, die Via Petrarca und den Viale Manzoni, die Via Leonardo da Vinci, Buonarroti, Galilei und Machiavelli! Kennst du sie?», fragte er begeistert.

«Ja, in der Schule habe ich I promessi sposi von Manzoni gelesen, gefällt dir die Geschichte?», antwortete Alma interessiert.

Jeden Morgen hoffte sie sehnlichst, dass Antonio die Via Merulana mit den Zeitungen bediente. Jeden Tag hatte sie neue Fragen bereit, und es gelang ihr von Mal zu Mal besser, ihre grosse Schüchternheit zu überwinden.

«Erzähl mir von Foscolo, Leopardi und Ferruccio! Mich nimmt wunder, wer Tasso, Alfieri und Botta waren. Kannst du in deinen Büchern nachlesen, was sie geschrieben haben?»

Und beim nächsten Mal berichtete ihr Antonio, was er herausgefunden hatte. Dazwischen kommentierte er die Schlagzeilen, ereiferte sich über Giolitti, den zu geduldigen Ministerpräsidenten, die Streiks der Fabrikarbeiter im Norden des Landes und die Rückständigkeit des Mezzogiorno. Er beschrieb ihr die Entwicklung in den italienischen Kolonien Ostafrikas und den Konflikt mit dem Osmanischen Reich, der Anfang Oktober mit dem Beschuss der Stadt Tripolis begonnen hatte.

Während Antonio sprach, gab er mit flinken Fingern Zeitung um Zeitung heraus und steckte die Fünfer ein.

Alma stand daneben und hörte fasziniert zu. Nach einer Weile eilte sie dann die Via Merulana hinauf mit dem Brotbündel in der einen Hand, die Zeitungen unter den Arm geklemmt, mit der anderen Hand die Haarsträhnen richtend. Sie fühlte die Röte im Gesicht, und den ganzen Tag über trug sie Antonios dunklen, leuchtenden Blick mit sich. Jede Begegnung mit ihm wurde zum Lichtblick des Tages, die sie mindestens für Momente die schreckliche Krankheit des Vaters und die drohende Rückkehr ins Puschlav vergessen liess.

Doch das Gefühl der Leichtigkeit zerbarst, sobald sie die Wohnung betrat und Vaters dünne, zerbrechliche Gestalt am Esstisch sitzen sah und Nazzarena, die angespannt Kaffee, Milch und Kakao auftischte.

Almas Rom

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