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XXV

Kleiderbügel an Kleiderbügel hingen die Jacken und Sommermäntel, geordnet nach Grösse, an der Garderobe im Korridor.

«Oh, Nazzarena hat aufgeräumt», rief Alma, als sie vom Markt zurückkamen und die Einkaufsbündel auf dem Marmortisch in der Küche abgestellt hatten.

«Schön!», freute sich die Mutter. «Ach, wie werden wir dich vermissen, Nazzarena!»

«Und ich euch erst!» Die Gouvernante verschwand mit Tränen in den Augen in die Küche.

«Nazzarena wird uns fehlen!», wandte sich die Mutter zu Alma.

«Ja, sehr! Weisst du noch die sora Giuditta?»

«Die haben wir weggeschickt, weil sie zu viel trank und zu wenig arbeitete!»

«Wirklich?», staunte Alma.

«Ja, aber da warst du noch klein.»

«Oh, schau, das ist ja furchterregend!» Auf der Schubladenkommode mit den geschwungenen Füssen lag ein Briefumschlag, der mit einer unheimlichen Serie von Briefmarken und Stempeln versehen war.

«Woher kommt der?» Mutter nahm den Brief an sich. «Den Stempeln nach aus Amerika.»

«Zeig mal! Zeig!» Folco hängte sich an Mutters Arm, als er das Wort «Amerika» hörte.

«Pazienza! Folco! Ja, hier der Absender, es ist zia Mariella!»

In Almas Erinnerung tauchte das blasse Bild einer zierlichen Frau auf, deren aschblondes Haar wie ein Kranz ihr Gesicht umrahmte. Sie hatte immer eine caramella – ein Bonbon – für die Kinder dabei gehabt, als sie vor Jahren ein einziges Mal in Rom zu Besuch gewesen war.

Mutter eilte in den salottino und kramte in der Schublade des Sekretärs nach dem Brieföffner. «Deine Schwester hat geschrieben», meinte sie zu Cristoforo, der auf dem Sofa döste.

Sie öffnete den Briefumschlag, zog einen mit einer winzigen, verschlungenen Schrift beschriebenen Briefbogen hervor, faltete ihn auseinander und setzte sich an den Nussbaumtisch. «Meine liebsten Cristoforo und Anna.» Alma und Romeo schauten neugierig über ihre Schultern, Folco stand mit grossen Augen am Tisch. Sein Kopf reichte knapp über die Tischkante.

Mutter stockte: «Lies du vor, Alma, meine Augen!» Mutter hielt ihr den Brief hin.

Alma packte ihn eifrig: «… ich habe die Stelle gewechselt, die Arbeit im neuen Hotel ist streng. Die Kurgäste verlangen, dass man immer für sie da ist. Die meisten sprechen Amerikanisch. Ich verstehe nun ein paar Brocken dieser Sprache. Zum Glück arbeiten auch Italiener hier. Ich bin froh, dass ich erneut Arbeit gefunden habe. Auch mein Sohn hat einen Job – so sagen sie hier –, er arbeitet bei einem Zimmermann. Die Arbeit ist hart, er balanciert auf den Dächern der Hotels herum, die hier zuhauf neu gebaut werden. Das macht mir Angst. Ich bin froh, wenn er abends heil zurückkommt. Ich denke manchmal an Bernardo, aber die Ferne und die viele Arbeit helfen mir, den Schmerz und das Heimweh zu vergessen.»

Alma schaute auf. «Wieso ging sie weg?»

«Embeh, was sollte sie als Witwe im Puschlav? Sie ist mit der Schwester von Bernardo und anderen Puschlavern ausgewandert, sie hoffte, als alleinstehende Frau im fernen Amerika ein Auskommen zu finden.»

«Hmm», brummte Alma und fuhr fort: «Hier ist es schön. Die Einheimischen nennen die Landschaft die Katzenberge. Es ist hügelig, grün und das Klima mild. Ich denke viel an euch und die schönen Momente, als wir uns in Rom gesehen haben. Damals war Attilio geboren. Wie geht es ihm und Alma und dem armen Romeo? Berichtet mir von den Kindern. Schreibt mir, wie es euch geht. Laufen die Geschäfte gut? Seid alle herzlichst gegrüsst und geküsst, eure Mariella.»

Alma beugte sich zum Sekretär hinüber und suchte nach Briefpapier. Sie wollte zia Mariella sofort antworten. Sie schrieb Zeile um Zeile und berichtete von der Krankheit des Vaters und der Angst um ihn, der geplanten Rückkehr und den damit verbundenen Hoffnungen. Sie schrieb von der aria genuina – der reinen Luft der Berge – dem Argument, das den Ausschlag für die Rückkehr gegeben habe, trotz der Aussicht auf eine Wohnung in San Saba. Von Attilios Begeisterung und Vorfreude auf das Puschlav, von der sich alle Geschwister hätten anstecken lassen, den Vorbereitungen für den Umzug und von Romeo, der sich das Handgelenk verstaucht habe, als er auf einen Kistenstapel habe klettern wollen und dabei zu Boden gestürzt sei. Den Gang zum Notar liess Alma aus. Dann erzählte sie nochmals von Attilio, der die Prüfung für das Gymnasium mit Bravour bestanden habe und nun den neuen Katechismus von Papst Pius X. auswendig büffle, um vor der Abreise noch am Religionswettbewerb aller katholischen Schüler in Rom teilzunehmen. Von seiner ersten Kommunion mit der Audienz beim Papst, auf die er stolz sei wie ein Pfau und um die ihn alle anderen beneideten. Sie berichtete auch von Giacomos Tränen jeden Morgen vor Schulbeginn und von Pietros erstem Kindergartentag, seinem Eifer und seinen Flausen. Sie beschrieb den toboggan, es sei das Lustigste gewesen, das sie an der Universalausstellung gesehen hätten. Aus Gehorsam verschwieg sie ihren eigenen Widerwillen gegen die Rückkehr ins Puschlav. Aber als sie den Brief nochmals durchlas, spürte sie ihre Wut. Sie hätte die Wörter aria genuina am liebsten dick durchgestrichen. Aria genuina! Was konnte der Arzt davon wissen!

Almas Rom

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