Читать книгу Almas Rom - Patrizia Parolini - Страница 26

Оглавление

XXI

Kein Umzug in die neuen hässlichen Mietshäuser in San Saba! Gut! Cristoforo seufzte erleichtert. Kein Neubeginn in Rom zwischen Schlachthaus und Piramide! Endlich war alles klar. Entschieden. Er sass am runden Nussbaumtisch im salottino, strich sich mit der Hand übers Gesicht und schaute aus dem Fenster des Eckzimmers. Die Pendeluhr tickte. Daneben hing ein Kruzifix an der lindgrün tapezierten Wand.

Edgardo hatte geschrieben. In seinem Brief aus dem Puschlav teilte sein Bruder ihm mit, dass er für sie ein leer stehendes Haus am Dorfeingang gefunden habe. Sie sollten ihm den Tag ihrer Ankunft mitteilen. Er hoffe, es gehe ihm besser. Seine Familie freue sich, sie bald wieder in der Nähe zu haben. Und er wollte wissen, ob der neue Dampfbackofen gut funktioniere, ob sich das Brot damit tatsächlich noch luftiger und doch knusprig backen lasse. Er schloss mit den Glückwünschen für einen reibungslosen Aufbruch und eine gute Reise.

«Was schreibt er?», wollte Anna wissen. Sie räumte gerade den Sekretär auf, wischte Fingerabdrücke vom Globus und Staub von den Büchern auf der Ablage darüber. Eine Bibel, Heiligengeschichten, Gebetsbücher und Klassiker von Manzoni und Verga, Kinderbücher und Comic-Hefte.

Cristoforo schob ihr den auseinandergefalteten Brief zwischen einem Stapel Zeitungen und dem Nähzeug hindurch zu. Anna warf einen Blick aus dem Fenster.

«Die Seiltänzer sind wieder da», sagte sie beiläufig, setzte sich, nahm den Brief in die Hand und suchte ihre Brille.

Cristoforo stand schwerfällig auf, legte sich auf das Sofa und schaute aus dem Fenster hinaus zum monte. Der Wind spielte mit den Blättern der Silberpappeln. So jung waren er und Edgardo, sein älterer Bruder, gewesen, als sie im Spätsommer 1878 angekommen waren. Rom war gerade Hauptstadt von Italien geworden. Eine Stadt im Aufbruch, im Baufieber. Und sie, übermütig und blauäugig, hatten sich vorgestellt, gleich das grosse Glück zu finden. Über all ihre Zweifel und Ängste hatten sie nicht geredet, auch nicht darüber, dass nicht nur pure Abenteuerlust sie aus dem heimatlichen Tal getrieben hatte. Sie beide, die Jüngsten ihrer grossen Familie, hatten eigentlich keine andere Wahl gehabt. War da nicht doch ein leichtes Kribbeln in der Magengegend gewesen, als sie durch die Po-Ebene gerattert waren? Als sie am Bahnhof ausgestiegen waren? Der war ihnen gigantisch vorgekommen. Die Weitläufigkeit der Piazza dei Cinquecento, die damals noch Piazza di Termini geheissen hatte, die riesigen repräsentativen Palazzi, das gleissende Licht auf dem marmornen Stein. Und überall demolierte Mauerstücke, zerfallene Säulen. Was für einen gewaltigen Eindruck ihm das alles gemacht hatte, und wie klein er sich auf einmal vorgekommen war!

Und danach all die Entbehrungen! Der Hungerlohn für die Zigarettenstummel, die sie vor dem Geschäft ihres Puschlaver Bekannten eingesammelt hatten, um den Platz sauber zu halten. Das Zimmer im Dachgeschoss eines heruntergekommenen Häuserblocks hinter dem Trajansforum, eng und stickig. Lange hatte er schlecht geschlafen, auch wegen der ungewohnten Geräusche, die bis zu ihnen heraufgedrungen waren. Das laute Gegröle bis spät nachts, das rechthaberische der streitsüchtigen Römer, das Hallen der Pferdehufe, das Gemecker ganzer Ziegenherden morgens in aller Frühe. Im Wirrwarr der dunklen Gassen ohne richtige Kanalisation hatte es fürchterlich gestunken, und überall waren aufdringliche Bettler und Wahrsager herumgelungert.

Die Stadt mit ihren rund zweihunderttausend Einwohnern war ihm damals riesig vorgekommen. Seither hatte sich die Bevölkerungszahl mehr als verdoppelt. Und in diesem Rom, das sich von einer unhygienischen, rückständigen Stadt in eine moderne europäische Grossstadt verwandelt hatte, hatte er sich hochgearbeitet und es zu etwas gebracht. Stolz erfüllte ihn. Und Wehmut, wenn er daran dachte, nun ins Puschlav zurückzukehren, um Ruhe zu finden. Cristoforo setzte sich wieder auf, betrachete den Jasmin auf dem monte. Er war beinahe verblüht. Ja, Heimat könnte Heilung bringen, durchfuhr es ihn. Annas verzagtes vabbè – na dann – hörte er nur von weit weg.

Almas Rom

Подняться наверх