Читать книгу Almas Rom - Patrizia Parolini - Страница 25

Оглавление

XX

Am nächsten Tag schlich Alma um die Theke herum, an der Kasse vorbei und zum Ausgang, als sie Angela auftauchen sah. Es war nachmittags kurz vor fünf Uhr. Angela hielt ihr das Fahrrad hin.

«Halt mich fest, halt mich fest, ich weiss nicht, ob ich das noch kann.» Alma stieg auf, hielt die Beine von sich gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, und blickte geradeaus. Das Rad rollte langsam auf der leicht abschüssigen Strasse.

«Geht doch! Jetzt musst du mir aber erzählen, was los ist!» Angela ging in grossen Schritten neben ihr her. «Sonst wäre ich nicht gekommen!»

Alma schaute sie aus ihren graubraunen Augen an, ihre Hände hielten krampfhaft den Lenker. Angela war schon so oft von zu Hause abgehauen, hatte jede Regel gebrochen, die ihr nicht passte, und hatte dann zur Strafe tagelang das Haus nicht verlassen dürfen. Trotzdem war sie für jede Art Abenteuer zu haben, je ungehöriger desto besser.

Alma erzählte ihr von Antonio und vom Zettel, den sor Augusto ihr gegeben hatte. Am Ende der Via Mecenate stieg Alma ab, packte Angelas Arm und hielt ihr das grüne Fahrrad hin. «Bitte, kannst du hier auf mich warten? Wenn Vater das erfährt, gibt’s ein Donnerwetter!»

«Macché, lass den doch wettern!»

«Dann sterb ich! Bitte!», flehte Alma.

«Gut, ich mache ein paar Runden und komme dann hierher zurück. Und grüss mir deinen Angebeteten!»

«Danke! Danke! Danke!»

«Schon gut!»

Alma strich ihren Rock glatt und ordnete das Haar. Plötzlich fragte sie sich, was sie tat. In einem Monat würde sie Rom verlassen, das tat schon weh genug, was traf sie sich da noch mit Antonio?

«Alma, geh jetzt!»

Antonio stand an eine Ruine gelehnt, neben ihm ein altes schwarzes Herrenfahrrad. Er schob seinen Strohhut zurecht und winkte Alma schon von Weitem zu.

Alma sah nur noch seine leuchtenden Augen, und auf einmal sprudelte es aus ihr heraus, dass sie gar nicht hier sein dürfte, dass sie ja bald abreisen würde, dass es gar keinen Sinn machte. Dann brach sie in Tränen aus, und sie kam sich dämlich vor.

Antonio strich ihr über die Wange, nahm ihre Hand. «Das weiss ich ja schon!»

«Ah ja?» Alma strich sich die Tränen aus den Augen und versuchte ein Lächeln.

«Das haben Sie erzählt.»

Alma runzelte ungläubig die Stirn.

«Deshalb habe ich Sie gebeten zu kommen. Denn die Vorlesungen haben wieder begonnen, und ich wurde umgeteilt für den Zeitungsverkauf.»

Alma stand da wie gelähmt und verzweifelt.

«Ich werde nicht mehr die Via Merulana bedienen!» Antonio schaute ernst, zog sie näher zu sich und legte den Arm um ihre Schultern.

Sie erschrak, liess dann aber den Kopf an seine Schulter sinken. Da war es wieder, dieses Gefühl der Leichtigkeit. Als würde sie auf Wolken schweben.

«Was ist das?» Etwas Hartes in seiner Jacke drückte gegen ihre Brust. Sie löste sich von ihm.

«Ich hab etwas für Sie!» Aus der Innentasche seines erdbraunen Jacketts zog er ein meerblaues, in glänzendes Leinen eingefasstes Buch. «Schauen Sie, eine Frau, die schreibt!» Er hielt es ihr hin.

Grazia Deledda. Alma liebte die Fortsetzungsromane dieser Schriftstellerin, die im Giornale d’Italia abgedruckt wurden. Sie fühlte, wie sie errötete.

«Ehm, zum Abschied.» Antonio räusperte sich.

Alma nahm es mit gesenktem Blick entgegen, fühlte den Stoff des Einbandes, las den Titel: «Nostalgie». Wieder schossen Tränen in ihre Augen, sie versuchte angestrengt, sie zurückzuhalten.

«Sie ist eine berühmte sardische Dichterin, lebt aber in Rom!»

Alma nickte, drückte das Buch an ihre Brust und brachte vor Rührung kein Wort hervor.

Antonio nahm wieder ihre Hand, drückte einen Kuss auf ihren Handrücken und liess sie lange nicht los. «Sehen wir uns vor Ihrer Abreise?» Er schaute in ihre geröteten Augen und strich nochmals über ihre Wange.

«Ja!»

«Ich lasse Sie wissen, wann ich kommen kann!»

Alma nickte wieder, dann hielt sie das Buch an die Nase, roch den herben Geruch des Leinens, vermischt mit dem Duft von Papier und Druckerschwärze. Sie blickte Antonio an. «Ja, bitte! Sie wissen, wo ich bin.»

Dann schlug sie das Buch auf, blätterte zum Beginn des ersten Teils und las laut: «Sie näherten sich Rom. Der Novembermond, ein grosser perlmuttfarbener Mond, klar und melancholisch, beleuchtete die Campagna: Der wütende Wind traf heftig auf die Wucht des fahrenden Schnellzugs.»

Alma beeilte sich, Angela wartete bereits.

«Willst du fahren?», grinste sie.

«Nein! Auf keinen Fall! Mir zittern die Beine.» Alma strahlte und seufzte tief.

Angela begleitete sie an forno, Bar und sor Augusto vorbei zum Haustor. Alma dankte Angela und schaute zu, wie sie auf das Fahrrad stieg und übermütig in Slalomlinien die Strasse hinauffuhr. Obwohl Alma noch im Laden hätte helfen müssen, eilte sie die Treppen hinauf und zog die Zimmertür hinter sich zu. Ein bisschen Ungehorsam muss drin liegen, dachte sie mit schlechtem Gewissen. Sie legte sich aufs Bett und wartete, dass ihr Herz nicht mehr so heftig klopfte.

Almas Rom

Подняться наверх