Читать книгу Almas Rom - Patrizia Parolini - Страница 29

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XXIV

Fratelli Gondrand stand auf dem zerknitterten Zettel, den Cristoforo von Clemente bekommen hatte. Cristoforo steckte ihn in die Hosentasche. Das Speditionsunternehmen befand sich an der Via della Mercede gegenüber der Zentralpost. Alma stellte sich vor, wie die signorina Balducci früher mit wehenden Röcken geradelt kam. Im Gebäude herrschte Hochbetrieb. Geschäftsleute, Fuhrmänner und Gepäckträger kamen und gingen. Angestellte hetzten in die Büros und zurück, schimpften und fluchten. Schreibmaschinen klapperten. Sie warteten lange. Einige Kunden reklamierten lautstark. Cristoforo sass zusammengesunken auf einem Stuhl, bis sie endlich zum Schalter gerufen wurden. Man schimpfte mit ihnen, weil sie viel zu spät dran waren. Deshalb bezahlten sie mehr als üblich, damit ihre Möbel und ihr Hausrat rechtzeitig abgeholt und in die Schweiz transportiert wurden. Sie erledigten die nötigen Formalitäten und verliessen die stickige Eingangshalle so schnell wie möglich.

«Wenn das nur klappt mit unseren Sachen!», meinte Cristoforo besorgt.

Alma hustete angewidert. Sie überquerten die verkehrsreiche Piazza San Silvestro.

«Babbo, hier, die Strassenbahn!» Alma deutete auf die bereitstehende Tramway, die sie geradewegs nach Hause führen würde.

«Komm!», sagte er, ging mit gesenktem Kopf daran vorbei und überquerte langsam, aber unbeirrt die Via del Tritone.

Alma warf einen neugierigen Blick auf das noble Warenhaus Bocconi am Corso. «Willst du zur Fontana di Trevi?»

Neptun thronte im barocken Triumphbogen. Vor ihm zwei Pferde, ein wildes und ein friedliches. Das Wasser rauschte von den Felsblöcken zu Füssen des Meeresgottes. Cristoforo setzte sich schwerfällig auf eine der obersten Stufen der Treppe, die zum breiten Becken mit dem türkisgrünen Wasser hinunterführte. Gedankenverloren strich er sich mit der Hand über das Gesicht, schloss die Augen und lehnte den Kopf an das Geländer.

Alma stand verlegen und ungeduldig daneben und rätselte, was Vater vorhatte. Schliesslich setzte sie sich neben ihn und liess sich von den vielen Touristen und deren Sprachen, die sie nicht verstand, ablenken. Die Fremdensaison hatte wieder begonnen, nachdem die ersten Herbstregen gefallen waren und damit auch die Temperaturen. Die Gäste kamen an, besuchten die Stadt und fuhren wieder weg. Ich bin noch nie richtig gereist, dachte Alma. In Rom würde sie auch nie fremd sein. Gleichgültig, wie lange es bis zu ihrer Rückkehr dauern würde. Plötzlich sprang sie auf und schüttelte Vaters Hand. «Eine Münze, hast du mir eine Münze?»

Cristoforo schrak auf und schaute müde in ihre schmalen, glänzenden Augen. «Dieser Brauch ist doch Aberglaube, lass das!»

«Babbo, ich sterbe, wenn wir gehen, ohne dass ich eine Münze in den Brunnen geworfen habe!», flehte Alma ihn an.

«Na dann», er kramte ein Kupferstück aus der Geldbörse, «bevor du stirbst!»

Alma lächelte, beugte sich zu ihrem Vater und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

«Geh schon, geh schon.»

Sie nahm das Geldstück, eilte zum Beckenrand hinunter, drehte sich um und tat es den fremden Gästen nach. Der centesimo flog über ihren Kopf hinweg in die Unendlichkeit des Ozeans, und Alma war nun ganz fest überzeugt, dass sie nach Rom zurückkommen würde.

Sie gelangten zum Corso, wo Militärmusik zu hören war.

«Babbo, schau mal! Manzoni! Fogazzaro, Leila! Bilder von Afrika, Edgar Wallace, ach, das ist nicht auf Italienisch!» Alma blieb am Schaufenster der Buchhandlung Bocca stehen.

«Komm! Such dir etwas aus. Dann haben wir im Puschlav etwas zu lesen.»

«Dort wird’s ja auch Buchhandlungen geben, oder nicht?»

Vater hob nur die Augenbrauen, und sie wusste, ihre Frage war eine rhetorische.

Sie traten ein, eine Glocke bimmelte schrill, der Holzboden knarrte. Es roch nach Papier.

«Guten Tag, was wünschen die Herrschaften?»

Cristoforo zeigte auf das Schaufenster. Von innen war nur ein tannengrüner Samtvorhang, auf halber Höhe befestigt, zu sehen.

«Manzoni vielleicht?» Der Buchhändler, ein vornehmer, älterer Herr mit gutmütigen Augen deutete auf ein Gestell.

«Afrika vielleicht», warf Alma schüchtern ein.

«Ja, da hätte ich etwas für Sie!»

Vater und Alma verliessen die Buchhandlung und überquerten den Corso. Stolz und glücklich trug Alma drei in Packpapier gewickelte Bücher unter dem Arm. Einen Salgari für die Kleinen, ein libro rosa aus der Reihe für junge Fräulein mit einer Liebesgeschichte aus dem libyschen Küstenland und einen Taschenatlas für die Reisen in ihrem Kopf. Welch ein Reichtum! Sie erreichten die Piazza Colonna, einen der belebtesten und wichtigsten Plätze der Stadt mit den berühmten Cafés, den Limonadenkiosken und den Wassermelonenständen. In der Mitte stand die hohe Marmorsäule mit der Bronzestatue des heiligen Paulus.

Cristoforo trank vom Hahn des mit Tritonen, Muscheln und Delfinen verzierten Brunnens.

Babbo scheint sich besser zu fühlen, ging es Alma durch den Kopf. Sie lockerte ihre angespannten Schultern und streckte den Rücken. Die Sonne wärmte ihr Gesicht.

Almas Rom

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