Читать книгу Der Fremde und die Schöne Frau - Pavel Kohout - Страница 11

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Auf der Treppe beschleunigte sie den Schritt, und so kam sie rechtzeitig, um die Karaffe mit dem Rum wegzustellen. Sie wollte nicht, dass dieser solide aussehende Mann einen schlechten Eindruck von ihr bekam. Dann setzte sie sich an den altertümlichen Tisch, bot ihm einen Stuhl an und schaute die Papiere durch, die er aus der Aktentasche genommen und bereitwillig wie einen Fächer vor ihr ausgebreitet hatte. Obenauf lagen zwei Briefe mit Stempeln.

Die Ausländerpolizei in Prag bestätigte, dass Herr ... der ungewöhnlich klingende Name entfiel ihr gleich wieder ... geboren am elften Dezember neunzehnhundertdreißig in ... den Namen des Ortes voller Umlaute übersprang sie gleich ... über eine zweimal verlängerte, zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung verfügt, die immer noch gültig ist. Die Aktiengesellschaft Hejkal and Hejkal teilte to whom it may concern, was die Schöne Frau als englische Form der Anrede aller, die etwas betreffen sollte, kannte, mit, dass Herr ... den Namen überflog sie wieder nur ... ihr ständiger Mitarbeiter sei, der die verantwortungsvolle Funktion eines Vorarbeiters auf dem Bau eines Multifunktionszentrums in S. zur vollen Zufriedenheit der Firmenleitung ausübe und sich des Vertrauens aller erfreuen dürfe, bei denen er um eine Untermiete ersuche, Ing. Unterschrift unleserlich, aber irgendwie im Unterbewusstsein bekannt.

Der Fremde hatte inzwischen den Käfig entdeckt und spitzte die Lippen zu einem unhörbaren Pfeifen. Valtr beobachtete ihn sehr konzentriert aus seinem Bad. Der Mann wiederholte die Aufforderung. Valtr versuchte seinen Schnabel ebenso zu spitzen, was ihm allerdings nicht gelang, dafür aber ahmte er sehr gelungen den stummen Ton nach. Nach einem weiteren leisen Signal sprang er sogar vom Bad auf die Schwelle der geöffneten Käfigtür herab. Hätte dies die Schöne Frau gesehen, hätte sie der Verdacht beschleichen müssen, dass sich hinter ihrem Rücken zwei Verschwörer zusammengetan hatten.

Sie nahm dieses Spiel nicht wahr. Sie las zu Ende und war trotz ihrer Zweifel entschlossen. Wenngleich sie wusste, dass diesen Mann hier kaum der verstorbene Jaromír geschickt haben konnte, war ihr klar, dass sie jetzt nicht mehr Nein sagen konnte, wenn sie sich nicht vor sich selbst schämen wollte. Abbringen konnte ihn nur noch der Preis, der für den Vorgänger sehr barmherzig gewesen und der für die Verhältnisse des Nachfolgers hoffentlich zu hoch war. Sollte er selbst entscheiden! Sie stand also auf, ging zum Sekretär, nahm ein Heft aus der Schublade, in das sie all die Jahre sämtliche Zahlungen des Herrn Hedvábný eingetragen hatte, und legte es dem Fremden vor.

»Damit Sie wissen, dass ich keinen Unterschied mache: Diesen Betrag hat mir monatlich der tschechische Untermieter gezahlt, der gerade ausgezogen ist. Mit dem normalen Frühstück wären das auch für Sie noch einmal tausend Kronen mehr.«

»Nein, nein!«, der stattliche Mann schien vor Schreck kleiner geworden zu sein, »ich komme auch ohne ...«

»Ich zwinge Sie keinesfalls dazu«, beeilte sich die Schöne Frau zu sagen.

Sie war sich sicher, dass er sich endlich verabschieden würde. Doch er zog ein kleines Notizbuch mit einem Stift aus der Tasche und rechnete etwas, wobei er tonlos die Lippen bewegte. Endlich blickte er auf.

»Auch so ist das recht ... viel ...! Wenn ... wenn Sie, Frau Čechová, nenne ich Sie richtig? Wenn Sie etwas mit Preis unten gehen, kann ich Ihnen vielleicht helfen.«

»Wobei ...?«, das unerwartete Angebot überraschte sie.

»Vielleicht bei allem. Ja, das Leben hat mich gelehrt, mich in vielen Arbeiten auskennen, ich beherrsche, wie Sie hier sagen, neunerlei Handwerk, das die zehnte Not vertreibt.«

»Ach so ...«, endlich hatte sie einen guten Grund, den Besuch zu beenden, ohne dass die Ursache bei ihr gelegen hätte, »wissen Sie, ich muss Barzahlungen den Vorrang geben, wie das, Sie sehen es hier, auch ihr Vorgänger getan hat. Also leider ...«

Er aber reagierte darauf sofort mit einer energischen Bewegung seines Stiftes im Notizbuch.

»Nein, nein, das ist in Ordnung. Ich habe die Colas gestrichen. Ich werde Wasser trinken, es ist mehr gesund und gleich geht die Rechnung auf. Ich nehme die Wohnung ohne Frühstück, doch die Miete zahle ich im Voraus. Abgemacht?«

Er streckte ihr die Hand hin, zog sie aber sofort zurück und entschuldigte sich von neuem.

»Ich habe wieder vergessen, dass bei Ihnen eine Frau die Hand reichen muss. Ich kenne hier noch wenige, wissen Sie? Im Prinzip überhaupt keine, die haben Fremde von dem Teil der Welt, woher ich komme, nicht sonderlich gerne. Also schlagen wir ein oder soll ich irgendetwas unterschreiben?«

»Aber ich ...«, sogar mit einer kleinen Lüge ging sie in ihre nächste Position, »für den Fall, dass meine Verwandten hier einziehen wollen, gebe ich meinen Mietern nur eine einmonatige Kündigungsfrist ...«

»Da habe ich überhaupt keine Angst«, rief er aus, »Sie werden sicher mit uns zufrieden sein!«

»Mit uns ...?« Sie verstand nicht, »sind Sie denn hier nicht allein ...?«

»Das wollte ich gerade noch sagen. Ich habe so ein hübsches Tierlein, mein Enkel hat es mir als Glücksbringer geschenkt ... In der Gemeinschaftsunterkunft lieben es alle, es wird denen fehlen, sicher wird es auch Ihnen gefallen!«

»Einen Moment!«, sie wollte sich nicht weiter einlullen lassen, »was für ein Tier?«

»Ein kleines, schönes und für mich sehr teures. Ein Kater aus Persien ...«

Er hatte wahrscheinlich schon begriffen, dass das ein Problem sein würde: die Schöne Frau bekam einen richtigen Schreck.

»Aber ich habe doch einen Papagei, sehen Sie denn das nicht?«

»Doch ...«, versuchte er sie zu überzeugen, »also mögen Sie Tiere ...«

Doch für Sie war bereits alles entschieden. Jaromír war schuld, dass sie sich vor Traurigkeit über seinen Verrat des in anderer Weise verlassenen Valtrs angenommen hatte, Jaromír hatte kein Recht, ihr jetzt seinen Mörder zu schicken. Endlich hatte sie einen guten Grund, diesen seltsamen Besuch zu beenden.

»Das ist absolut ausgeschlossen! Mein Valtr hat im Leben keine Katze gesehen, sicher würde er vor Angst sterben! Außerdem ist er es gewohnt, im ganzen Haus herumzufliegen!«

»Alibaba tut ihm nichts, ich gebe Ihnen darauf mein ehrliches Wort! Er hat weder bei uns noch hier irgendeinem Vogel ein Haar gekrümmt!«

Doch sie hatte schon ihr Heft zugeklappt, den Fächer seiner Dokumente zusammengelegt, war aufgestanden und drängte sie ihm zusammen mit der Aktentasche auf, die er bei seinem Eintreten artig auf einen freien Stuhl gestellt hatte.

»Es tut mir sehr leid, Herr ... Herr ... ach, das ist doch jetzt egal. Außerdem habe ich selbst schon immer Angst vor Katzen, ja, umso mehr kann ich Valtr verstehen, und ich muss Sie bitten, in unserem Land, wenn Sie hier leben wollen, neben, ihnen bereits bekannten Bräuchen auch das Recht jedes Hauseigentümers anzuerkennen, nur denjenigen aufzunehmen, den er auch will. Bitte ...!«

Auch der Fremde stand auf und wirkte so zerknirscht, dass er ihr fast schon wieder leid tat. Sie musste sämtlichen Willen zusammennehmen, um unerbittlich vor ihm her zur Treppe zu eilen, die nach unten führte. In diesem Moment bekam sie sogar Angst vor seiner Kraft, er folgte ihr jedoch ohne Widerspruch. Sie trat auf die erste Stufe, als sie ohne Vorwarnung, entweder aus Aufregung oder wegen des Rums, das Gleichgewicht verlor und böse bis ins Erdgeschoss stürzte. Ihr Schrei verschmolz mit dem Krächzen des Papageis, der in einem verlangsamten Flug ihren steilen Fall verfolgte.

»Rrrosa, Schrrreck! Schrrreck Rrrosa! Rrrosarrrosa!«

Der Fremde und die Schöne Frau

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