Читать книгу Der Fremde und die Schöne Frau - Pavel Kohout - Страница 15

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Doktor Mádr schlug ihr vor, den Fremden in sein Büro einzuladen, um selbst mit ihm den Mietvertrag abzuschließen. Sie war ihm dankbar, dass er das übernahm, und gleichzeitig gespannt, wie der Nachfolger von Professor Hedvábný auf ihn wirken würde. Er rief bereits zwei Tage später an, um zu melden, dass der Vertrag unterschrieben sei, und er schlug vor, ihr ihn gern selbst zu übergeben, am besten bei einem Abendessen im Grandhotel, wo sie schon lange nicht mehr miteinander gewesen seien.

»Das ist lieb von dir«, lobte sie ihn, doch weil sie keine Lust hatte, eine neue Runde ewiger Brautwerbeversuche zu eröffnen, fragte sie, »und deine Frau kommt mit?«

»Nein ...«, bekannte er verwirrt, »sie ist zu ihrer Mutter gefahren, und ich dachte ...«

»Julius!«, sagte sie, »weißt du, dass ich manchmal ganz hübsch von dir träume?«

»Nein ...«, freute er sich, »nun, Rosa, das macht mich glücklich ... also ...«

»Dann verdirb es mir bitte nicht!«, bat sie, »und schick es mit der Post.«

»Na gut ...«, meinte er resigniert, »auch so ist das besser, als wenn ich dir nicht mal im Traum erscheine ...«

Endlich kam sie zur Sache.

»Na und?«, wollte sie wissen, »war er für dich als Untermieter annehmbar?«

»Ach doch ...«, entgegnete er, »auch wenn mir sein Tschechisch komisch erscheint, dir nicht? Und seine Kleidung ist ein bisschen des modes, doch letztendlich wirst du ja nicht mit ihm herumpromenieren!«

Die Schöne Frau hörte darin unterdrückte Eifersucht. Die nächsten beiden Tage wartete sie nur, weil sie die untere Wohnung in Ordnung brachte, kaum dass der Professor ausgezogen war. Seine zwei Weiber wollten sie anscheinend dafür bestrafen, dass sie jahrelang mit ihm wohl auch seine Rente gefangen gehalten hatte. Was sie nicht brauchten, ließen sie liegen, von den ausgetretenen Pantoffeln bis zu den einzelnen Socken, die der Professor wahrscheinlich aufbewahrte, falls sie sich später einmal zum Ergänzen eignen würden.

Doch eigentlich war sie ihnen für diese Verwüstung dankbar. Zumindest musste sie nicht an die beste Zeit ihres Lebens denken, die sie hier in der ursprünglichen Garçonniere zusammen mit Jaromír verbracht hatte, ehe er sich immer mehr von ihr entfremdete. Damit wurden nicht nur die paar Dutzend Quadratmeter gekehrt, geschrubbt und gebohnert, sondern auch die Jahre, die sie sich so schön erträumt und die ihr Mann so fürchterlich in den Dreck getreten hatte.

Am Samstag stand sie also mit Valtr auf der Schulter und auf einen leichten Stock gestützt hinter der Gardine des Salons und blickte auf den kleinen Platz. Der Fremde hatte schon mehrmals unter Beweis gestellt, eine Uhr im Kopf zu haben, und so musste sie auch keine Minute länger warten. Als es auf dem Turm der Pfarrkirche zwei geschlagen hatte, tauchte ein Kombitaxi auf und hielt vor dem Haus.

Die Schlüssel holte sich der Mieter beim Anwalt ab, den er gebeten hatte, ihr auszurichten, sie solle ihm den Einzug überlassen und sich nicht erst hinunterbegeben. Sie war jetzt umso froher, als das Leben auf dem kleinen Platz erneut stillstand. Die Romakinder hörten auf, an der ausgeraubten Gottesmarter mit Lumpenbällen zu spielen, die jungen Türken im Hof des verfremdeten Gasthauses U Malešíka stellten das Messerwerfen ein, die Vietnamesen im ehemals tschechischen Lebensmittelgeschäft, der Bosnier in der verschwundenen Apotheke und weitere Neuzuzügler beobachteten den Fremden, der vom Beifahrersitz ausstieg.

»Da haben wir sie«, sagte die Schöne Frau ihrem Liebling und spürte nach Jahren, dass sie Lampenfieber bekam, »und du glaubst wirklich, dass das mit denen klappt? Und wenn nicht, dann ist es deine Schuld, du hast ihn mir doch empfohlen!«

Doch gleich schwieg sie wieder und stierte hinunter, denn das Erste, was der Mann mit Namen Kemal tat, war, dass er sich zu den Zuschauenden umdrehte und sich vor ihnen mit der Hand auf der Brust nach drei Seiten verbeugte, was die meisten erwiderten. Daraufhin drehte er sich zum Haus um, schaute zu ihrem Fenster hinauf und verneigte sich noch tiefer. Wenngleich er sie durch die Gardine nicht sehen konnte, dankte sie ihm mit Kopfnicken und hatte das Gefühl, dass Valtr dasselbe tat.

Sie musste an den chaotischen Umzug von Professor Hedvábný und die Verwüstung denken, die sie danach wegräumen musste, ehe sie es wagte, einen Nachfolger zu suchen. Der Fremde hatte sein Hab und Gut in zwei Koffer und auf ein halbes Dutzend Paletten gepackt, alles durchdacht gelagert und mit Riemen verschnürt. Zwei Kisten enthielten unterschiedlichstes Küchengerät, die dritte Teller und Gläser, sicherheitshalber durch Zeitungen voneinander getrennt, damit sie nicht durch Erschütterungen zu Bruch gingen, die anderen zwei waren mit Handtüchern, Bettwäsche und Kleidung bestückt, die letzte enthielt sogar lauter Bücher! Die Schöne Frau konnte sich nicht genug wundern. Auch Valtr fehlten die Worte.

Während der Taxifahrer aufs Autodach gestützt rauchte und keine Anstalten machte zu helfen, wobei er deutlich die Abneigung eines Einheimischen gegenüber den neuen Barbarenvölkern in diesem Viertel zum Ausdruck brachte, trug der Fremde die offensichtlich schweren Gegenstände nacheinander ins Haus, kehrte in regelmäßigen Intervallen zurück und beschleunigte nie seinen Schritt. Der Schönen Frau fiel plötzlich auf, dass er nicht nur viel Kraft hatte, sondern diese auch sehr gut einzuteilen vermochte; auch in dieser eintönigen und sicher ätzenden Bewegung lag eine Ruhe, die ihm Würde verlieh.

»Ein seltsamer Mensch ...«, sagte sie nach einer langen Weile zu Valtr.

»Allahu akbarrr!«, antwortete er ihr und fügte aus seinem alten Wortschatz hinzu, »Krrruzitürrrken!«

Die Koffer und die Kisten verschwanden, der Fremde beugte sich mit dem größten Teil seines Körpers in den Wagen und zog einen Weidenkorb mit einem Gitter hervor. Die Schöne Frau verstand.

»Das ist er! Das ist sicher der Räuber, Valtr. Aber keine Angst, mein Liebling, in dem Vertrag, den Julius aufgesetzt hat, steht klar, dass Geringfügiges ausreicht, dann müssen beide sofort wieder aus dem Haus!«

»Rrrrosa, Rrrrosa, Valtrrrr Grrraf!«, sagte ihr Liebling darauf und erfreute sie damit sehr.

Der Fremde trug den Korb im gewohnten Tempo ins Haus, kehrte zurück und zog die Brusttasche hervor. Der Taxifahrer nannte ihm mit einem unveränderlich verächtlichen Gesichtsausdruck anscheinend den Preis und schaute anschließend ungläubig auf den Geldschein, den er bekam, während der Kunde die Tasche bereits wieder verstaut hatte und kein Interesse am Wechselgeld zeigte. Das Trinkgeld musste so ungewöhnlich gewesen sein, dass sich endlich auch der Tscheche ehrerbietig verneigte. Dann sprach ihn der Fremde erneut an, und der Chauffeur half ihm nun bereitwillig beim Ausladen des letzten Gepäckstücks, das noch im Wagen geblieben war. Beide strengten sich an, als der eine aus dem Wagen und der andere aus dem Koffer eine überlange Spindel herausschoben, die durch festes Packpapier verhüllt wurde.

»Mein Gott«, stöhnte die Schöne Frau, »Valtr, das kann doch nichts anderes sein als eine Mumie ...«

Etwas Ähnliches dachte wohl auch der gesamte Platz. Auf alle machte dies gewaltigen Eindruck.

Der Fremde und die Schöne Frau

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