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Einziehen konnten der Fremde und sein Tier erst, wenn sie von der Schönen Frau persönlich im Haus empfangen würden, was sich noch um ein Weilchen verzögerte. Die blauen Flecken waren zwar schon bunt geworden und verblichen langsam, parallel zu ihnen nahmen auch die Schmerzen ab, doch der Chefarzt schüttelte bei der Visite immer noch beunruhigt den Kopf. Bald glaubte sie, es sei zu einer schweren Komplikation gekommen und er wolle sie nicht deprimieren. Als ihr jedoch ein Bote dreizehn rote Rosen von einem unbekannten Spender ins Zimmer brachte, verstand sie: dieser Mann, inzwischen Witwer, hatte sich zum zweiten Mal in sie verliebt.

Ihr Glück war, dass die rundliche Schwester den Chefarzt vergötterte und unter seinem Verhalten litt, deshalb nickte sie erleichtert auf die Frage der unschuldigen Konkurrentin, ob sie ihr nicht zur Flucht verhelfen könne. Damit sie keine deutliche Schuld daran hatte, wartete sie listigerweise, bis die ewig miesepetrige junge Kollegin mit der gepiercten Lippe den Dienst übernahm, brachte unauffällig die Kleidung der Schönen Frau in die Kammer der Putzfrauen und wachte auf dem Gang, als sie sich umzog. Die Flüchtige verschwand dann in der Zeit, da der schwierige Verehrer zu Mittag aß, und hinterließ für ihn beim Pförtner einen Brief.

»Sehr geehrter Herr Chefarzt, ich danke Ihnen aufs Herzlichste für die herausragende Behandlung und Ihre liebevolle Betreuung. Sie haben mich so bemerkenswert schnell wieder auf die Beine gebracht, dass ich vorzeitig auf eigenen Wunsch gehe, um mein Bett für andere Patienten frei zu machen, die Sie jetzt mehr brauchen als ich. Hochachtungsvoll Ihre Rosa Čechová, ehemals Schönová.«

Das von der Oberschwester gerufene Taxi wartete an der nächsten Ecke, und wenige Minuten später stieg sie auf dem kleinen Platz aus. Ihr Herzklopfen raubte ihr wieder den Atem, als sie leise aufschloss, um Valtr nicht aufzuschrecken, der zu dieser Zeit niemanden erwarten konnte. Sie legte ihre Tasche ab und blickte sich um. Durch die offene Tür schaute sie in die Küche, die sie unordentlich verlassen hatte und die jetzt vor Reinheit schier strahlte. Ihr gestrenges Auge fand nicht einmal auf den lackierten Treppen einen Staubrest, der sich dort normalerweise nach nur einem Tag absetzte. Sie stieg lautlos nach oben, fast tänzelnd Schritt für Schritt, drückte die Klinke zum Salon geräuschlos nieder wie in Zeitlupe und öffnete in ähnlicher Weise die Tür. Ihr Liebling Valtr saß reglos auf seiner Stange und sah auf den ersten Blick aus wie ausgestopft. Als sie jedoch verschreckt auf ihn zulief, flog er ihr aus dem Käfig entgegen, kreiste über ihrem Kopf, als wolle er sie mit einem Heiligenschein umkränzen, und krächzte wiederholt.

»Allahu akbarrr, Rrrosa, Allahu akbarrr!«

Sie verstand, dass er in der Sprache des Fremden redete, doch sie war erleichtert: gerade damit hatte er dessen Zuzug direkt gesegnet. Deshalb schmiedete sie gleich am nächsten Tag das Eisen, solange es heiß war, als sie sich zu einem anderen ihrer langjährigen Bewunderer begab.

»Rosa, Rosa, Rosa!«, schwärmte Dr. Mádr junior, als er ihr die Hand küsste.

»Genauso ruft mich mein Papagei«, lachte sie, »nur kann er kein Zungen-R.«

»Was verschafft mir die Ehre, dich sehen zu dürfen? Oder bist du einfach nur so gekommen? Das wäre mein schönstes Geburtstagsgeschenk!«

»Du hast Geburtstag?«, erschrak sie, »entschuldige, dass ich dir nicht gratuliert habe!«

»Den hab ich doch erst im Dezember, weißt du das nicht mehr? Ich hab da zum zweiten Mal um deine Hand angehalten, und nachdem du mich wieder zurückgewiesen hast, habe ich mein traurigstes Weihnachtsfest erlebt. Ich sag das nur, damit du weißt, dass ich mich über einen Zufallsbesuch bis Weihnachten freuen würde!«

»Julius!«, sagte sie, »hör auf, du Charmeur, und mach dir nichts vor, du solltest mir bis an dein Lebensende die Hände küssen, dass ich es dir ermöglicht habe, eine Frau zu finden, die alles für dich tut und deine Wünsche von den Augen abliest und du auch weiterhin mein liebster Mádr bleibst.«

»Besser als nichts«, stieß er hervor, »und was führt dich hierher, du meine ewige Liebe?«

»Mein Untermieter«, sagte die Schöne Frau, »ich muss einen Mietvertrag aufsetzen.

»Nanu!«, wunderte sich der Anwalt, »ich hatte den Eindruck, dass auch der Herr Professor Hedvábný heimlich in dich verliebt ist, was hat er denn ausgefressen, dass du dich absichern willst?«

»Er ist weggezogen. Er ist lieber zu seiner schrecklichen Familie zurückgekehrt, vor der ihn mein Vater in unserem Haus versteckt hat, als neben Türken zu wohnen.«

»Wozu brauchst du dann mit ihm einen Vertrag?«, wunderte sich der Anwalt weiter.

»Mit ihm nicht. Ich bekomme einen neuen Untermieter, und der will einen Kater mitbringen. Und wie du weißt, habe ich schon immer Furcht vor Katzen.«

»Das weiß ich, denn ich habe dir damals feierlich geschworen, meine Julinka deinetwegen zu meiner Mutter zu geben, und trotzdem war es für die Katz!«

»Das hast du nett gesagt«, lachte die Schöne Frau, »ich habe wirklich deine Katze und dich gerettet, ich bin nämlich für zarte Naturen wie die deine ein nur schwer erträgliches Weib, weißt du? Nun, und jetzt will ich in den Vertrag aufnehmen, dass sein Kater grundsätzlich nicht aus der unteren Wohnung ins Haus darf, damit er meinen alten Papagei nicht aufscheucht!«

»Warum holst du dir so jemanden denn dann überhaupt ins Haus?«

»Weil ich festgestellt habe, dass ich keinen ordentlichen Untermieter mehr bekomme.«

»Was ist denn das für ein Quatsch?«, entgegnete er, doch gleich darauf wusste er Bescheid, »ach ja, du wohnst ja ...«

»Ja, in Kleinasien. Du kennst die Bezeichnung unseres Viertels auch? Und hast mir nichts gesagt?«

»Entschuldige, Rosa, irgendwie habe ich nicht daran gedacht, dass du ein Problem bekommen könntest! Umso besser, dass du so schnell jemand Neues gefunden hast. Und ist er bis auf diesen Kater annehmbar?«

»Bis jetzt sieht es so aus. Vor allem aber passt er jetzt ins Umfeld, denn er ist Kurde.«

»Was ist er?« Doktor Mádr verstand nicht gleich.

»Kurde. Nie gehört? Die Kurden leben in Syrien, im Irak, im Iran und auch in der Türkei.«

»Und vor allem in Kurdistan, nee?«, versuchte er sich zu erinnern, »ich hab das mal in so einem Buch von Jules Verne gelesen oder war das von Karl May? Ja, wird wohl von dem gewesen sein. Und was sucht der hier bei uns?«

»Er arbeitet schon mehrere Jahre hier auf dem Bau, momentan an dem großen Multiirgendwas hinterm Bahnhof.«

»Das ist ja toll«, sagte der Anwalt, »dass die Kurden jetzt auch schon eigene Architekten haben, was?«

»Er ist kein Architekt«, antwortete die Schöne Frau, »sondern Polier.«

»Polier??«, erschrak er, »na warte mal, das ist doch ... so ne bessere Schaufel, nee?«

Die Schöne Frau spürte, dass ihr Mádr mächtig auf die Nerven zu gehen begann.

»Soweit ich weiß, ist das ein Vorarbeiter. Und die Firma hat ihm beste Empfehlungen gegeben.«

»Trotzdem ... und worüber willst du mit dem quatschen? Kann er wenigstens Tschechisch?«

»Dir könnte er garantiert was beibringen!«, holte sie ihn auf den Boden zurück. »Kannst du also den Vertrag aufsetzen?«

Der Fremde und die Schöne Frau

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