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Angst um meine Tochter

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Ich war in großer Panik – und versuchte sie doch von meiner Tochter fernzuhalten. Ich unterdrückte meine Tränen, wenn ich nachmittags mit ihr Duplo spielte oder wir auf dem Spielplatz waren. Meine Tochter war noch nicht ganz drei Jahre alt und hatte klare, kindliche Bedürfnisse. Sie wollte ihren kleinen Duplozug aufbauen, wollte hohe Türme mit den Bausteinen stecken und auf dem Spielplatz klettern. Sie brauchte Essen, ich kaufte ein und kochte und machte all das, was man für kleine Kinder macht. Diese Routine sorgte dafür, dass mein Leben weiterlief, dass ich mich nicht ins Bett legte und weinte und mich aufgab, weil die Welt um mich herum plötzlich so schrecklich gemein wirkte. Abends, wenn sie schlief, schlich ich manchmal in ihr Zimmer und betrachtete ihr zartes Gesicht. Da war die Welt mit einem Mal friedlich und ich etwas versöhnt.

Wie kann man einer Dreijährigen Alzheimer erklären? Was weiß ein kleines Kind über das Gehirn und über Nervenzellen, die nicht mehr so arbeiten, wie sie arbeiten sollen? Nichts. Viel zu kompliziert wären diese Erklärungen. Sollte ich sagen: ‚Die Oma ist krank‘? Das wirkte irgendwie unglaubwürdig. Wie kann die Oma krank sein, wenn sie weder Husten noch Schnupfen hat und auch nicht mit Fieber im Bett liegt, sondern lächelnd in der Küche steht und kocht? Und so sprach ich die Diagnose nicht an. Ich sagte meiner Tochter damals nicht die klaren Worte: ‚Oma hat Alzheimer.‘ Ich dachte, es wäre besser so. ‚Was sollte es bringen, meiner Tochter von etwas zu erzählen, das sie nicht verstehen kann?‘, das fragte ich mich und entschied, dass sie überhaupt nichts davon hätte. Vielleicht wollte ich es aber einfach immer noch nicht wahrhaben. Ich hoffte auf ein kleines Wunder. In jedem Fall konnte ich es immer noch nicht verstehen. Ich verstand nicht, was Alzheimer ist und was die Erkrankung mit sich bringen würde.

Ich sprach mit meiner sensiblen Tochter auch nicht über meine Gedanken. Ich zeigte ihr meine Gefühle nicht. Wenn ich mit ihr zusammen war, habe ich mich sehr zurückgenommen. Ich wollte meiner Kleinen keine Angst machen. Ich wollte ihre Unbeschwertheit nicht trüben. Aber in Gedanken war ich oft weit weg. Ich hatte Angst um meine kranke Mama und reiste Hunderte Kilometer, um sie zum Arzt zu begleiten. Aber meinem Kind sagte ich wie nebenbei: „Ich gehe mit der Oma zum Arzt.“ Ich hatte Panik, dass meine Mama bald stirbt. Ich traute mich nicht, das meiner Tochter zu sagen. Was wusste mein Kind vom Sterben und dem Tod? Sie wusste ja nicht einmal, dass es ihn gab. Ich fühlte mich hilflos, ob und wie ich das Thema Alzheimer ansprechen sollte.

Ich dachte, es würde sich ergeben und meine Tochter hineinwachsen. Ich nahm mir vor, dass ich ihre Fragen beantworten würde, wenn sie älter wäre und es die Situation erfordere. Aber ich wollte sie nicht unnötig besorgen.

Aber jetzt hatte ich Angst. Angst, etwas falsch zu machen. Angst, meiner Tochter wehzutun. Angst, mit ihren Tränen nicht umgehen zu können. Ich wollte mein Kind beschützen. Ich wollte sie vor meiner Trauer beschützen, ich wollte nicht, dass sie weint und sich sorgt. Aber es wäre vielleicht hilfreich gewesen, ihr zu sagen: ‚Ich bin traurig, weil es der Oma nicht gut geht.‘ Oder: ‚Ich mache mir Sorgen um die Oma.‘ Heute weiß ich: Das Schlimme waren nicht meine traurigen und wütenden Emotionen, sondern dass ich sie nicht ausgesprochen habe. Meine Gefühle waren da, auch wenn ich sie nicht zeigte. Sie schwebten wie eine Wolke über mir und verdunkelten meine Stimmung. Aber Kinder haben feine Antennen, sie kennen ihre Eltern so gut, weil sie sie immerzu beobachten, und natürlich spüren sie ganz besonders, wenn da eine dunkle Wolke über einem schwebt, und es macht ihnen ein komisches Gefühl. Ich weiß nicht, ob meine Tochter sich Gedanken dazu gemacht hat, sie war sehr rücksichtsvoll. Aber vielleicht hätte es ihr geholfen, wenn ich gesagt hätte: ‚Ich bin gerade traurig, weil die Oma eine Krankheit hat. Das hat nichts mit dir zu tun.‘

In diesen ersten sorgenvollen Wochen nach der Diagnose hatte ich seit langer Zeit wieder das Gefühl, dass ich eine Tochter bin. Aber ich sah mich nicht mehr als die kleine, liebe Tochter, die bei ihrer Mama Hilfe sucht. Mit einem Mal war ich erwachsen geworden. Ich fühlte mich als Tochter, die auf einmal eine Verantwortung hatte – und doch überhaupt keinen Plan, was sie tun konnte und sollte. Ich wollte für meine Mama da sein, aber ich wusste nicht wie. In meinem Kopf wummerte es noch immer und ich fragte mich immerzu: ‚Warum meine Mama?‘ Ich hatte Angst, weil ich doch gar nicht wusste, wie es nun weitergehen sollte. Was würde der Alzheimer mit meiner Mama machen? Würde sie mich jetzt alleine lassen? Schrecklich und gemein kam mir die ganze Welt vor. Ich fühlte mich schrecklich einsam. Die Krankheit machte mir Angst und ich wählte die Strategie des Überspielens. Ich wollte so viel Alltag und Arbeit wie möglich, um mich abzulenken. Bald lächelte ich wieder nach außen hin, ich war die fröhliche, liebe Peggy, aber innerlich hatte sich ein grau-trüber Schleier über mein Herz gelegt.

Infoteil: Wie wird die Alzheimerdiagnose gestellt?

Ärzte bedienen sich verschiedener Methoden, um eine Demenz zu diagnostizieren. Es gibt mehr als 50 Formen der Demenz – die Alzheimerdemenz ist die häufigste. Die Symptome der einzelnen Demenzformen sind verschieden und lassen sich nicht immer klar trennen. Wenn Sie eine Demenz bei sich vermuten, sollten Sie sich zuerst an den Hausarzt oder einen Neurologen beziehungsweise mit Überweisung an eine Gedächtnisambulanz wenden. Für Angehörige ist die Deutsche Alzheimer Gesellschaft eine gute erste Anlaufstelle. Für die Therapie ist es wichtig, die genaue Form zu kennen. Diese Verfahren werden zur Diagnose der Alzheimerdemenz angewendet:

Anamnese: Das Arztgespräch ist ein erster wichtiger Teil der Diagnose. Der Arzt informiert sich umfassend und fragt etwa Ihre Vorgeschichte ab: Welche Beschwerden haben Sie? Wie lange bestehen diese schon? Haben sie sich verändert? Beeinträchtigen sie den Alltag? Finden Sie manchmal nicht die richtigen Worte? Wie gut können Sie sich räumlich orientieren? Leiden Sie an Stimmungsschwankungen? Haben Sie sich zurückgezogen aus Ihrem sozialen Umfeld? Wie fühlen Sie sich? Können Sie gut schlafen? Damit er sich ein umfassendes Bild machen kann, sollten Sie möglichst ausführlich berichten. Wenn Sie möchten, kann Sie auch ein Angehöriger begleiten. Der Arzt wird auch ihn befragen, um sich einen detaillierten Einblick zu verschaffen. Für die Diagnose einer Alzheimerdemenz müssen die Symptome mindestens sechs Monate bestehen. Immer wieder werden Patienten mit depressiven Verstimmungen für dement gehalten (Pseudodemenz). Mit entsprechenden Methoden können Ärzte jedoch eine Depression von einer Demenz unterscheiden.

Körperliche Untersuchung mit einer Blutuntersuchung: Zusätzlich zu einem Gespräch wird der Arzt Sie untersuchen. Auch eine Blut- und Urinuntersuchung muss stattfinden. Dadurch erhält er einen Überblick über den körperlichen Gesundheitszustand und kann andere Ursachen ausschließen. Möglich ist etwa ein Vitamin-B12-Mangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion, die ebenfalls zu Gedächtnisproblemen und Vergesslichkeit führen können, aber anders als eine Demenz behandelbar sind. Bei Alzheimer sind die Blutwerte normal, bei einer unbehandelten Schilddrüsenunterfunktion sind die Schilddrüsenwerte TSH, T3 und T4 verändert.

Psychologische Tests: Anhand verschiedener Untersuchungen kann der Arzt die Gedächtnisleistung, das Urteilsvermögen, die Beeinträchtigung im Alltag, den Wortschatz, mögliche Verhaltensauffälligkeiten sowie den Schweregrad einer Demenz einschätzen. Die häufigsten Tests zur Einschätzung kognitiver Veränderungen im Frühstadium sind folgende Verfahren: Uhrentest, Mini-Mental-Status-Test, Demenzdetektionstest. Bei dem Uhrentest soll eine Uhr mit Ziffernblatt und Zeiger gezeichnet werden. Dieser Test zeigt visuell-räumliche Orientierungsprobleme auf. Der Mini-Mental-Status-Test (MMST) ist ein Fragebogentest mit Fragen zu den fünf Bereichen: Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit und Sprache. Es ist ein kurzer, einfacher Test, bei dem etwa gefragt wird: ‚Welchen Tag haben wir heute? Wo sind wir?‘ Der Demenzdetektionstest (DemTect) wird bei leichten kognitiven Einschränkungen gemacht. Er enthält fünf Fragen zur Beurteilung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, der Konzentration, Wortflüssigkeit, kognitiven Flexibilität sowie der Sprache. Zum Beispiel müssen Sie sich zehn Wörter merken oder Zahlenfolgen wiedergeben. Mithilfe von ADL-Skalen (,Activities of Daily Living‘) wird die Alltagskompetenz im häuslichen Umfeld gemessen, dazu gehören einfache Tätigkeiten wie Essen, sich Waschen oder Anziehen, aber auch komplexere wie das Zubereiten von Mahlzeiten, das Führen einer Unterhaltung oder das Einnehmen von Medikamenten. Für diese Einschätzung wird in der Regel eine Bezugsperson gefragt. Dazu kommen zusätzliche, ausführlichere psychologische Tests, die eingesetzt werden, um eine unsichere Diagnose abzuklären. Die Tests werden regelmäßig wiederholt, um den Krankheitsverlauf sowie Behandlungserfolge zu beurteilen.

Bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) werden in der Regel zur Diagnose eingesetzt. Damit wird einerseits die Vermutung einer Demenz bestätigt und andererseits kann so die genaue Form der Demenz herausgefunden werden. Dazu werden Bilder des Gehirns gemacht. Ärzte wenden CT- oder MRT-Bilder auch an, um andere, teils behandelbare Ursachen zu erkennen, etwa einen Hirntumor. Typisch für die Alzheimerkrankheit ist, dass sich das Hirngewebe verändert. Nicht zur Routinediagnostik, aber ebenfalls angewendet werden Verfahren wie die Positronenemissionstomografie (PET). Sie spürt der Stoffwechselaktivität im Gehirn nach und kann typische Alzheimerablagerungen (sogenannte senile Plaques) zeigen.

Liquordiagnostik: Der Arzt entnimmt bei dieser Untersuchungsmethode Nervenwasser (Liquor) im Bereich der Lendenwirbelsäule. Zeigen sich die typischen Amyloid- und Tauproteine im Liquor, so bestätigt das mit sehr hoher Verlässlichkeit die Alzheimerdiagnose.

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