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Prolog

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„Wir beobachten das mal.“ Mit diesen Worten bin ich aufgewachsen. Wenn ich mich als Kind verletzt hatte oder krank war, ging ich zu meiner Mama. Sie tröstete mich, versorgte meine Wunden und redete mir gut zu. Ihre Ruhe und Geduld gaben mir die Zuversicht, dass es wieder gut werden würde. Auch als ich älter war, wandte ich mich mit meinen Sorgen und Problemen oft an sie. Sie unterstützte mich bei meinen Wünschen und Plänen, auch wenn sie ihr nicht immer leichtfielen.

Als ich 16 war, bewarb ich mich für ein Auslandsstipendium. Das Auswahlverfahren dauerte einen ganzen Tag, inklusive Sprach- und Wissenstests, einem Vortrag mit Diskussion und einem Bewerbungsgespräch auf Englisch. Ich bekam das Stipendium und durfte für ein Jahr in die USA gehen. Ich war voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten, aber je mehr der Tag nahte, umso mehr Zweifel bekam ich. Schon Tage bevor ich fliegen sollte, lagen meine Mama und ich uns weinend in den Armen. Sie machte mir Mut und ließ mich gehen.

Auch Jahre später, als ich aufbrach, um im Süden Äthiopiens zu forschen, stärkte sie mich. Mama gab mir eine Karte mit auf den Weg, auf die sie geschrieben hatte: „Sei entschlossen und tapfer“ Egal, wie weit ich weg war, irgendwie war sie immer in meiner Nähe. Und irgendwie behielt sie auch recht: Fast alle Wehwehchen, egal ob Schmerzen oder Liebeskummer, gingen vorüber, wenn ich beobachtete und abwartete.

„Jetzt machen wir einen Plan.“ Das waren die Worte meines Papas. Er schmiedete gerne Pläne, für Urlaube, Wochenenden und auch für den Alltag. Vielleicht war das typisch für einen Lehrer? Immer die Kontrolle haben zu wollen und zu wissen, was als Nächstes passiert. Dabei war in seinem Leben auch vieles nicht nach Plan gelaufen. Als kleiner Junge hatte er in der Nachkriegszeit seine Mutter und seinen Vater verloren, wurde von seinem Bruder getrennt und kam fernab in eine fremde Familie und fand dort eine neue Heimat. Ein Leben voller Herausforderungen, und als er dann endlich meine Mama traf, kehrte viel Ruhe ein. Je älter ich wurde, umso mehr nervte mich das dauernde Planen meines Papas. Ich dachte, ich wäre ganz anders. „Jetzt wart doch erst mal ab“, entgegnete ich ihm manchmal mit einem genervten Augenrollen. Ich wollte frei entscheiden und mich nicht einengen lassen durch irgendeinen Plan. Dabei hatte ich doch selber genaue Vorstellungen und Erwartungen, die mich leiteten und mir Halt gaben.

Als die Alzheimerkrankheit im August 2011 in unsere Familie kam, half uns weder Abwarten noch Planen. Die Diagnose meiner Mama kam wie ein Tornado. Sie tauchte mit einem Mal auf, ohne jegliche Vorwarnung, riss uns allen den Boden unter den Füßen weg und fegte uns durch die Luft.

Zurück am Boden dachte ich, ich könnte weiterleben wie bisher, und hielt an meiner kleinen, eng getakteten Welt fest. Mir tat vieles nicht gut in diesem Alltag, aber ich traute mich nicht, andere Wege auszuprobieren. Ich spürte Trauer, Hilflosigkeit und Wut, hielt sie aber in mir. Ich verstand nicht, dass Alzheimer wie eine Wolke über uns allen schwebte und auch mich als Tochter begleiten würde. Für mich war sie lange nur eine grau-trübe Wolke. Ein Schleier, der sich über alles legte. Der machte, dass mein Alltag, mein kleiner Lebensplan mich heillos überforderte.

Ich suchte den richtigen Weg, um mit Alzheimer umzugehen, und fragte viele Menschen um Rat. Gefunden haben wir unseren Weg, so wie jede Familie ihren eigenen Weg mit der Demenz finden muss. Ich wünsche mir, dass niemand damit im Stich gelassen wird. Dass da Ärzte, Psychologen und Pflegeprofis sind, die Rat geben, und vor allem auch Angehörige und Menschen mit Demenz, die erzählen. Die einen Einblick geben in das Leben mit dieser Krankheit und nicht nur von den Schrecken berichten, sondern von allem, auch von den schönen Momenten und den Dingen, die man dazulernt.

Es ist nicht das Ende.

Es wird nur anders.

Es ist das Leben.

Mamas Alzheimer und wir

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