Читать книгу Mamas Alzheimer und wir - Peggy Elfmann - Страница 17
Stark bleiben
ОглавлениеWährend in meinem Bauch ein Baby wuchs, versuchten meine Eltern sich mit der Alzheimerkrankheit zu arrangieren. Es gab bürokratische Hürden und Fragen, die mit der Krankenversicherung geklärt werden mussten. Das machte meine Eltern unruhig. Mein Papa, der sich in all den Jahren nie um Versicherungen oder Finanzen gekümmert hatte, der nicht einmal zur Bank gegangen war, um Geld abzuheben, musste sich nun um Anträge und Rechnungen kümmern. Auf Mamas Schreibtisch, der früher immer so ordentlich war, lag nun ein Wirrwarr an ausgefüllten und leeren Anträgen, dazu Schreiben von der Krankenkasse und Versicherungen, dazwischen Schnellhefter und Ordner. Ich hätte gerne mal Ordnung gemacht. Einfach alles mal sortieren, um das Chaos zu zügeln. Aber Papa wollte keine Hilfe. „Ach, ich schaffe das schon“, sagte er, wenn mein Bruder oder ich Hilfe anboten.
Darüber war ich eigentlich auch dankbar. So sehr ich meinen Eltern anfangs helfen wollte, so sehr kam ich mittlerweile selbst an meine Grenzen. Ich war in hohem Maße mit meiner Schwangerschaft beschäftigt. Mein Bauch wurde oft hart, das Baby war sehr aktiv und strampelte viel. Ich wollte Ruhe, aber im Alltag gönnte ich sie mir nicht. Ich arbeitete weiter, mittlerweile wieder mehr Stunden, und beschäftigte mich nebenbei mit meiner baldigen neuen Familiensituation. Es sollte noch ein Mädchen werden, und ich freute mich riesig über diese Nachricht. Aber ich war auch unsicher: Wie würde es sein mit zwei Kindern? Könnte ich dieses neue Baby so sehr lieben wie meine Tochter? Ich konnte mir das nicht vorstellen. Aber alle Mütter, die mehrere Kinder haben, meinten, das wäre so. Dass man seine Liebe nicht teilen muss, sondern sie sich verdoppelt.
Ich hätte gerne mit Mama darüber gesprochen, hätte sie gerne in meiner Nähe gehabt, aber meine Eltern waren weit weg und igelten sich ein. Sie wollten nicht zu uns kommen, bis sich das mit der Versicherung geklärt hatte. Meinen Papa plagte noch immer Sorge, dass Mamas Krankenversicherung die Kosten für die Alzheimermedikamente nicht übernehmen würde. Zu Beginn hatten sie die Rechnungen nämlich zurückgewiesen. „Das kann doch nicht sein“, sagte ich. „Die müssen das übernehmen“, meinte mein Bruder. Wir waren da zuversichtlich, aber Papa sorgte sich sehr. Auch der Rentenbescheid war noch nicht durch. Diese finanzielle Unsicherheit stresste ihn. Was konnten wir tun? Nicht viel mehr als ihn bestätigen, denn Papa wollte nichts aus der Hand geben. „Ich mache das schon“, ließ er uns immer wieder wissen, wenn wir Hilfe anboten.
Ich weiß, er wollte stark bleiben und alles alleine meistern und seinen Kindern nicht zur Last fallen. Aber das machte mich auch traurig. In den letzten Wochen meiner Schwangerschaft hätte ich meine Eltern gerne häufiger gesehen. Ich schlief nachts schlecht, das Baby war dann wahnsinnig aktiv, und tagsüber kam ich nicht zur Ruhe. Meine Tochter wollte mit mir spielen und natürlich ging ich mit ihr nachmittags nach dem Kindergarten auf den Spielplatz oder spielte im Garten, auch wenn ich eigentlich nur liegen wollte. Ich wollte stark bleiben in meinem Job-Kind-Alltag – und so telefonierte ich vor allem mit meinen Eltern. Mama ging wie immer ans Telefon, wir erzählten von unserem Tag, von den kleinen Dingen und vom Wetter. Alles in fröhlichem Plauderton, und es war so schön, ihre Stimme zu hören. Aber danach habe ich oft geweint. Dennoch: Das Baby in meinem Bauch gab mir Kraft und Mut.