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Mut durch einen neuen kleinen Menschen

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Während meiner Schwangerschaft beschlich mich manches Mal ein schlechtes Gewissen. Denn ein Baby – das war mir klar – würde erst einmal dazu führen, dass ich meinen Eltern noch weniger helfen konnte als sowieso schon. Andererseits: Das Baby führte auch dazu, dass wir alle ein wenig Mut schöpften. Meine Mama freute sich, dass ich noch ein Kind erwartete. Und als meine Tochter dann auf der Welt war, 16 Tage vor Termin, war die Freude riesig. Als ich meine Eltern aus dem Krankenhaus anrief, um zu sagen, dass meine Tochter geboren war, fehlten meinem Papa die Worte. Mama weinte vor Freude. Ich war glücklich und hoffte, dass Mama noch lange eine gute Oma sein könnte. Dass sie überhaupt eine Oma sein könnte. Als sie uns besuchten, um das Neugeborene zu begrüßen, konnte meine Mama sich kaum lösen von dem Baby. Sie strahlte die ganze Zeit. Wir saßen nebeneinander, und ich hoffte, dass dieser kleine Mensch in meinen Arm uns nicht nur für kurze Zeit Mut bringen würde, sondern diese gute Zeit auch noch lange anhielt.

Die gute Zeit sollte so lange wie möglich anhalten. Das wünschten wir uns alle. Wir fingen trotzdem an, uns mit dem Thema Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung zu beschäftigen. „Vielleicht wäre es ganz gut, das jetzt mal alles festzuhalten“, schlug ich meinen Eltern vor. Viel zu lange hatten sie dies vor sich hergeschoben. Nun ging es meinem Papa nicht schnell genug. Er bestellte sich Vorlagen, füllte aus und wollte alles regeln. „Wir wollen auf keinen Fall eine Belastung sein für euch“, sagte er. Aber es war für mich und meinen Bruder klar: Wenn Papa sich nicht um Mama kümmern könnte, würden wir das übernehmen. Meine Eltern gingen zur Notarin und hielten alles fest. Ich heftete meine Kopien der Vollmachten zu Hause schnell in einen Ordner und steckte diesen ganz nach hinten in den Schrank. Es war gut, diese Vollmachten zu haben und für den Ernstfall alles geregelt zu wissen, aber ich hoffte, sie nie benutzen zu müssen. Ich wünschte mir, dass die Vollmachten im Schrank verrotten würden und dass Mama wieder gesund wird und der Alzheimer verschwindet.

Infoteil: Vorsorgen – Drei wichtige Dokumente und mehr

Ich habe mich noch nie gerne mit Themen rund um Geld und Recht beschäftigt. Mit der Diagnose meiner Mama kamen auch Fragen auf wie: Wer darf Entscheidungen treffen, wenn Mama es nicht mehr kann? Wie ist das mit Vollmachten? Was ist eine Patientenverfügung – und braucht man die wirklich? Wir haben uns sehr früh um diese Vollmachten gekümmert, meine Eltern haben sich intensiv beraten lassen. Ich möchte allen Angehörigen und Menschen mit Demenz empfehlen, sich frühzeitig um Vollmachten zu kümmern und zu besprechen, wer der Vertreter sein könnte und diese Aufgabe auch übernehmen möchte. Je früher dies geschieht, umso besser können sie über ihre Zukunft mitbestimmen und sich sicher sein, dass andere Personen in ihrem Sinne handeln. Welche Dokumente brauche ich als Kind, um mich um die Eltern kümmern zu können? Was gilt es zu beachten?

Vorsorgevollmacht: Damit ermächtigt man eine Person, stellvertretend zu entscheiden, wenn man dies selbst nicht mehr kann. Die Vollmacht bezieht sich umfassend auf alle Bereiche des Lebens oder einzelne Bereiche, man kann sie nach Bedarf auch anpassen. Anders als häufig angenommen, sind enge Familienangehörige wie Ehepartner oder Kinder nicht automatisch dazu berechtigt. Gibt es keine Vorsorgevollmacht, leitet das Betreuungsgericht ein Betreuungsverfahren ein und setzt einen rechtlichen Betreuer ein – das kann jemand aus der Familie sein, aber auch ein Fremder. Wenn es einen oder zwei nahe Familienangehörige gibt, denen man blind vertraut, sollte man diese mit einer Vollmacht ausstatten und so dafür sorgen, dass die eigenen Wünsche auch entsprechend umgesetzt werden, wenn man dies nicht mehr entscheiden kann. Es gibt verschiedene Vordrucke, die das erleichtern. Aber man kann natürlich auch eine eigene Vollmacht verfassen. Ort, Datum, Name, Adresse, Geburtsdatum und Unterschrift gehören zwingend darauf, auch Name, Adresse sowie Geburtsdatum des Bevollmächtigten. Für bestimmte Bereiche ist eine Beglaubigung vom Notar notwendig (wie etwa für Immobilien). Es gibt auch die Möglichkeit, mehrere Personen zu bevollmächtigen. Die Vorsorgevollmacht gilt entweder sofort mit Unterschrift oder ab dem Zeitpunkt, wenn man selber nicht mehr geschäftstüchtig ist. Ein Arzt kann dies bescheinigen. Wichtig ist, dass das Dokument gut zugänglich ist.

Betreuungsverfügung: Darin legt man fest, wen das Betreuungsgericht zum Betreuer einsetzen soll beziehungsweise wen auf keinen Fall. Unterschied zur Vorsorgevollmacht: Das Gericht prüft und kontrolliert den Vorgeschlagenen. Die Verfügung muss schriftlich verfasst, kann aber formlos sein: Ort, Datum und eigenhändige Unterschrift sind zwingend erforderlich. Auch hier gibt es entsprechende Vordrucke. Man kann auch festhalten, an welche Wünsche sich der Betreuer halten soll. Anpassungen sind jederzeit möglich, sollten jedoch mit Ort, Datum und Unterschrift dokumentiert werden. Die Betreuungsverfügung ist nur im Original gültig, sollte also gut auffindbar aufbewahrt werden oder einer Vertrauensperson übergeben werden.

Patientenverfügung: In diesem Papier kann man festhalten, welche Maßnahmen man zur medizinischen Versorgung wünscht beziehungsweise welche man nicht möchte. Diese Verfügung ist gültig, wenn man selber nicht mehr einwilligungsfähig ist. Sie ist verbindlich für Ärzte. Die Verfügung muss schriftlich vorliegen und eine genaue Beschreibung der entsprechenden Maßnahmen sowie die Unterschrift enthalten. Auch hier gibt es geeignete Vordrucke, deren Benutzung sinnvoll ist. Denn als Laie kann man häufig gar nicht richtig beurteilen, welche medizinische Maßnahme wann geeignet sein und welche Folgen sie mit sich bringen könnte.

Die persönliche Liste: Zusätzlich zu diesen Dokumenten möchte ich Sie ermuntern, eine persönliche Liste über sich anzufertigen. Was ist Ihnen wichtig? Welche kleinen Routinen haben Sie, die für Sie wichtig sind? Das kann der Kaffee mit Milch als Frühstück sein, die Abneigung gegen Pudding oder die Vorliebe für klassische Musik. Vielleicht sind Sie später mal in der Situation, in der Sie das nicht mehr äußern können. Für Ihr Wohlbefinden können sie aber eine große Rolle spielen.

Mamas Alzheimer und wir

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