Читать книгу Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 14
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ОглавлениеSein Fußtritt sprengte die angelehnte Tür auf. Chad überschaute die Szene mit einem Blick. Vergeblich hatte er damit gerechnet, Bancrofts Söhne gefesselt und geknebelt hier drinnen vorzufinden. Auch Jefford, dessen Steckbrief nördlich der Grenze jedes Kind kannte, war nicht da. Der dicke Bodegero war mit feuerrotem, schweißüberströmten Gesicht inmitten verstreuter Scherben und Kugeleinschlägen ächzend auf die Knie gesunken. Der kleine wieselgesichtige Smiley schob gerade seinen nachgeladenen Sixshooter in das mit Lederschnüren am Oberschenkel festgebundene Holster. Redbull, der Hüne mit dem Flammenhaar, hockte mit lang ausgestreckten Beinen grinsend an einem runden Tisch. Totenstille breitete sich aus, als Chad plötzlich wie aus dem Boden gewachsen im Schankraum stand.
Langsam versickerte Redbulls Grinsen. Smileys schmächtige Gestalt schien noch mehr zusammenzuschrumpfen. Beide Kerle hatten instinktiv und unheimlich flink ihre Hände an die Waffen gelegt. Aber das metallische, überdeutliche Schnappen von Kellys Colthammer ließ jede weitere Bewegung einfrieren.
„Versucht es nur!“, knurrte Chad drohend. „Es wird mir nicht viel ausmachen, jedem von euch ‘ne Kugel zwischen die Augen zu pflanzen.“
Das war genau die Sprache, die bei solchen Typen wirkte. Ihre Gesichter wurden um einen Schein fahler. Ein Flackern erschien in ihren aufgerissenen Augen.
„Kelly“, krächzte Smiley erschrocken. Der feiste Wirt machte ein Gesicht, als hätte er eine Flasche Tequila auf einen Zug geleert. Sein glasiger Blick verriet, dass er jetzt überhaupt nichts mehr kapierte. Schwankend, die Augen starr vor Angst auf Chads Colt gerichtet, erhob er sich und stolperte an Chad vorbei zur offenen Tür hinaus. Die backofenheiße Stille über dem einsamen Mexikanerdorf schien von einem tödlichen Hauch durchdrungen.
Chads Stiefel pochten schwer ein Stück tiefer in den dämmrigen Raum.
„Wo ist Jefford? Wo sind Bancrofts Söhne?“
Smiley und Redbull tauschten einen Blick. Der rothaarige Hüne mit dem brutalen Gesicht wuchs langsam, wie von unsichtbaren Drähten gezogen von seinem Stuhl hoch. Seine buschigen Braunen schoben sich über der wie ein Geierschnabel gekrümmten Nase zusammen. Mit einer unauffälligen Bewegung streifte er die Lederschlaufe von seinem Revolverhahn.
„Du übernimmst dich, Kelly! Du hättest nie allein hierher kommen dürfen. Auch wenn du einen von uns erwischt, kommst du nicht mehr lebend von hier weg.“
„Das werden wir ja sehen. Gleich wird Bancroft mit seinen Reitern hier sein.“ Chad entging nicht, dass die beiden äußerlich so ungleichen Banditen wieder einen Blick wechselten. Ihre Haltung spannte sich noch mehr. Sie schienen es tatsächlich darauf ankommen lassen zu wollen. Chad richtete seine Waffe auf Redbulls Brust.
„Heraus mit der Sprache! Wo sind Jess und Larry?“
Ehe der baumlange, klobige Kerl antworten konnte, knarrte die Hintertür. Kelly traute fast nicht seinen Augen, als er Tom Bancrofts ältesten Sohn Jess über die Schwelle treten sah. Jess hatte einen Revolver umgeschnallt. Seine knochige Rechte lag auf dem rotbraunen Walnussholzgriff. „He, was …“
Er erstarrte, als sein Blick auf Chad fiel. Seine Augen weiteten sich, alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Chad spürte einen deutlichen schmerzhaften Stich in der Herzgegend.
Aber da keuchte Jess: „Kelly, dich hat uns der Himmel geschickt! Endlich brauche ich diesen schießwütigen Teufeln nicht mehr vorzuspielen, dass ich jede Hoffnung auf Flucht aufgegeben habe. Sie lassen mich mit ‘nem ungeladenen Schießeisen rumlaufen, damit jeder glaubt, ich gehöre zu ihnen. Dabei haben sie Larry in ihrer Gewalt und wollen ihn umbringen, wenn ich gegen sie aufmucke. Aber verdammt will ich sein, wenn wir den Jungen nicht gemeinsam heraushauen, was, Kelly? Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Du bist sicher nicht allein, oder? Wo ist Dad?“
Während er die Worte hastig hervorstieß und keinen Blick von Kelly nahm, kam er tiefer in die Bodega. Chads Gedanken wirbelten. Er sah die Spur seiner eigenen Peitsche auf Jess Wange. Düstere Erinnerungen wurden in ihm wach. Das Lauern in Jess tiefliegenden grauen Augen warnte ihn. Aber sein Verstand weigerte sich zu glauben, was er tief im Herzen bereits als Gewissheit fühlte. Jess und Larry waren schon immer wilde Burschen gewesen, die es mit Recht und Gesetz nicht sehr genau nahmen. Aber so tief, dass sie mit einem Mordbanditen wie Ringo Jefford gemeinsame Sache machten, konnten sie nicht gesunken sein.
Doch Redbulls wütender, unüberlegter Ruf beseitigte Chads letzte Zweifel. „Verdammt noch mal, sicher ist er allein! Worauf wartest du, Mann? Knall ihn nieder!“
Jess, der versucht hatte, die aus Pinienbrettern gezimmerte Theke zu erreichen, blieb ruckartig stehen. Seine Augen blitzten Redbull zornig an. „Idiot! Allein oder nicht – solange er den Finger am Drücker hält, haben wir auch zu dritt keine Chance gegen ihn. Ich kenne ihn besser als du. Hättest du das Maul gehalten, du Blödmann, dann wäre er auf die Nase gefallen, bevor er gewusst hätte, was los ist. Jetzt hast du den Dreck.“
Jess wandte sein hageres Gesicht Chad zu. Er grinste verkniffen. „Überrascht, Kelly?“
Chads Herz schlug wie eine Trommel. Er dachte an die Angst und Verzweiflung, die er in Tom Bancrofts sonst so kalten, herrischen Augen gesehen hatte. Seine Kehle trocknete aus. Das Gewicht des 45ers in seiner Faust schien sich zu verdoppeln. Er sah jede Einzelheit von Jess lauerndem Raubvogelgesicht wie durch ein Vergrößerungsglas. Er dachte an die Gräber von Jim McDunn und die der beiden anderen ermordeten Bancroft Cowboys.
Er hörte seine eigene rissige Stimme wie die eines Fremden. „Warum habt ihr das getan, Jess?“
„Warum?“ Bancrofts ältester Sohn lachte rau auf. „Weil es die große Chance war, endlich von der Ranch, den Rindern und der ganzen miserablen Plackerei wegzukommen! Versteht du, Kelly? Larry und ich hatten es schon lange satt, mit der Nase immer nur im Dreck zu stecken und wie Puppen nach der Pfeife des Oldman zu tanzen, gründlich satt! Alles, was uns fehlte, war eine Menge Geld, um uns selbständig zu machen – und ein Partner wie Jefford, der verhindern würde, dass man uns dieses Geld wieder abknöpfte. Glotz mich nur nicht so an, als wolltest du mich mit Haut und Haaren verspeisen. Ich bereue nichts. Ich würde McDunn jederzeit wieder eine Kugel aufbrennen, wenn ich mir damit meine Freiheit und die Taschen voller Geld verdienen könnte.“
„Jess, dein Vater …“
„Fang nicht mit dem Alten an, Kelly! Der ist selber schuld, dass alles so gekommen ist. Bei dem dreht sich doch nur alles um Weide, Wasser und Rinderpreise …“
„Wenn es so wäre, dann hätte er nicht alles liegen und stehen gelassen und wäre nicht mit sämtlichen verfügbaren Leuten losgeritten, um euch aus Jeffords Gewalt zu befreien.“
„Uns? Dass ich nicht lache! Dem geht es doch nur um das Geld, um die vierzigtausend Bucks, mit denen er weiß der Teufel was wieder auf die Beine stellen kann. Und du, Kelly, du verdammter Narr, hilfst ihm dabei auch noch, riskierst dafür dein Leben! Für was denn? Für ein paar geschwollene Sprüche und ein Butterbrot hinterher, vorausgesetzt, dass es dieses Hinterher überhaupt für dich gibt. Dabei würdest du auf unserer Seite nicht schlecht abschneiden. Der Kuchen ist groß genug, um auch für dich …“
„Gib dir keine Mühe, Jess. Du solltest mich besser kennen. Lass ja den Revolver stecken. Dasselbe gilt für deine Freunde.“
„Das wird dir noch leid tun, Kelly …“
„Wo ist Larry?“
„Hier!“, meldete sich die gepresste Stimme von Jess‘ jungem Bruder vom Vordereingang.
Jess‘ Augen blitzten. „Gib‘s ihm!“, schrie er.
Chad wirbelte herum. Obwohl alles rasend schnell ging, prägte sich ihm Larrys drahtige, wie zum Sprung geduckte Gestalt in der offenen Tür deutlich ein. Ein orangefarbener Blitz zuckte aus der an der Hüfte liegenden Faust des jungen Mannes. Der ohrenbetäubende Knall erstickte jeden Laut in der Bodega.