Читать книгу Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 21

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„Wir sind da!“ Gutierez Stimme brach sich hohl an den rötlichen Felsenwänden, die sich wie die Mauern eines gigantischen Gefängnisses ringsum auftürmten. Nur ein schmaler, leicht zu bewachender Zugang führte in den verborgenen Talkessel. Chad hatte ein Gewirr von Zelten, Hütten und Corrals erwartet, eben das übliche Bild, das man sich von einem mexikanischen Banditenschlupfwinkel macht. Doch nichts von all dem! Kein Mensch zu sehen. Nachdem das stundenlange Pochen der Pferdehufe verstummt war, gab es nur noch das sanfte Plätschern einer aus einem Felsspalt sprudelnden Quelle. An die vierzig Pferde grasten in einem geräumigen Corral. Sättel und Zaumzeug hingen unter einem strohgedeckten Schutzdach. Doch das Versteck war wie leergefegt von menschlichen Bewohnern. Chad fühlte sich wie in einer überdimensionalen Mausefalle. Dazu passte auch Gutierez hämischer, boshafter Gesichtsausdruck.

Der kleine Mexikaner hatte sich halb im Sattel zu seinem breitschultrigen Bewacher umgedreht. Noch immer zielte Chads 45er Colt auf ihn. Gutierez spuckte aus. „Du hast es so gewollt, Gringo. Von hier kommt ihr nicht mehr lebend fort.“

„Irren ist menschlich“, knurrte Chad. „Für dich hat sich nichts geändert. Bring mich zu El Moreno.“

Gutierez schob zwei Finger in den Mund und pfiff. Im nächsten Moment stieß Old Simp, der auf gleicher Höhe mit Chad hielt, einen gekrächzten Fluch aus. Es war unheimlich, wie es ringsum plötzlich lebendig wurde. Ein Dutzend Strickleitern ringelten sich von den senkrechten mächtigen Felsmauern herab. Nun entdeckten Chad und der Oldtimer auch die dunklen Höhlenöffnungen hoch droben im zerklüfteten Gestein, ohne die Strickleitern weder von oben, noch von unten zu erreichen. Vom Talgrund aus wirkten sie wie schwarze Löcher, wie Nisthöhlen von Vögeln, denen man auf den ersten Blick keine weitere Beachtung schenkte. Erst als die drahtigen, in zerschlissene weiße Leinenkleidung gehüllten Gestalten aus ihnen schlüpften, wurde deutlich, dass die Höhlen groß genug waren, um jeweils mehrere Menschen zu beherbergen. Mit affenartiger Behändigkeit kletterten die Bandoleros von allen Seiten herab. Karabiner schaukelten auf ihren Rücken. In ihren Fäusten blinkten Macheten, die schweren mexikanischen Haumesser. Alles geschah unheimlich schnell und lautlos. Im Nu waren die Reiter in der Talmitte von schweigenden, schwerbewaffneten Mexikanern umringt. Der einzige Fluchtweg wurde von einem halben Dutzend schussbereiter Gewehre versperrt.

„Dein Colt nützt dir nichts mehr, Gringo“, höhnte Gutierez. „El Moreno wird keine Rücksicht auf mich nehmen. Und wenn du mich tötest, wird dein Tod nur noch schlimmer, qualvoller.“

Gutierez bluffte nicht. Die flackernde Furcht in seinen Kohlenaugen verriet mehr als seine hohntriefenden Worte. Mit steinerner Miene halfterte Chad seinen Frontiercolt.

„Na denn, fröhliche Himmelfahrt!“, wünschte Old Simp zerknirscht. „Schade, ich hätte wenigstens dieser Kröte noch zu gerne einen Tritt in den fetten Hintern verpasst.“

„Willkommen in Mexiko, Kelly!“, schallte eine spöttische Stimme zu ihnen herab. „Wie konntest du nur so verrückt sein, dich auf meiner Fährte hierher zu wagen!“

Vorsichtig wandte Chad den Kopf. Auf einer Felsleiste hoch über ihnen stand breitbeinig ein schlanker Mann in einem dunkel gestreiften Anzug, weißem Hemd und Kragenschleife. Jefford! Lässig hielt er ein Gewehr in den Fäusten. Die Mündung deutete auf Chads Kopf. Ein kaltes, mitleidloses Lächeln umspielte Jeffords Mund.

„Wie hast du dir das bloß vorgestellt, Kelly? Dachtest du, du könntest einfach herkommen, mir ‘ne Kugel durch den Kopf schießen und dann nach ‘nem freundschaftlichen Händedruck mit El Moreno wieder mir nichts, dir nichts verschwinden? Nach allem, was Bancrofts Söhne über dich erzählt haben, hätte ich dich für gerissener gehalten. Wie ein Greenhorn hast du dich angestellt. Jetzt brauche ich nur noch den Finger zu krümmen, und es ist aus mit deinen verrückten Plänen. Deinen Freund werde ich den Mexikanern überlassen, damit sie auch ihren Spaß haben.“

Chad wusste, dass sein Leben nur noch an einem hauchdünnen Faden hing. Er ließ sich nicht anmerken, wie aufgewühlt er war. Er hatte gehofft, erst mit El Moreno zu sprechen, ehe er auf Ringo Jefford stoßen würde. Jetzt sah alles ganz danach aus, als würde er dazu keine Gelegenheit mehr bekommen. Jefford war kein Mann, der lange fackelte. Wer ihm irgendwie gefährlich werden konnte, den schickte er nach Möglichkeit auf dem schnellsten Weg in die Hölle, ohne dass er sich das geringste Kopfzerbrechen darüber machte.

Chad rief laut: „Bist du hier der Boss, Jefford? Ich dachte, El Moreno hätte hier die Entscheidungen zu treffen. Ich will zu ihm.“

„Ach nein!“ Jeffords höhnisches Auflachen hallte von den kahlen Felsmauern zurück. „Und ich dachte tatsächlich, du wärst meinetwegen hier.“ Plötzlich wurde seine Stimme scharf und zornig. „Gib dir keine Mühe, Kelly. Egal, welchen Bluff du dir ausgedacht hast, er zieht ja doch nicht. El Moreno weiß, dass du hinter mir her bist. Er hat mir freie Hand gegeben. Das bedeutet für dich, dass du schleunigst dein letztes Gebet sprechen solltest.“

„Warte, Muchacho! Ich hätte gerne gehört, was er mir zu sagen hat.“ Eine schlanke braune Hand legte sich auf Jeffords Arm und drückte sachte, aber entschieden das Gewehr herab. Es war bezeichnend für El Morenos Macht, dass der berüchtigte Verbrecher, vor dem New Mexico jahrelang gezittert hatte, mit keiner Silbe widersprach.

El Moreno, der Dunkle – das war ein treffender Name für den hochgewachsenen, katzenhaft geschmeidigen Mexikaner. Ein sorgfältig gestutzter schwarzer Bart umrahmte sein schmales, dunkelbraunes Gesicht, das von einem pechschwarzen, mit Silberschnüren verzierten Filzsombrero beschattet wurde. Auch seine Kleidung war schwarz: Hemd, Halstuch, Hose, Stiefel. Die mit Elfenbeinschalen ausgelegten Kolben seiner beiden schweren Revolver, die an überkreuzten Patronengurten hingen, boten einen auffälligen Kontrast dazu. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schwang sich der Bandolerohäuptling auf eine der Strickleitern und kletterte rasch herab. Seine Bewegungen erinnerten Chad an einen schwarzen Panther.

Sofort klaffte eine Gasse im Kreis der Mexikaner auf. Jeder Zoll an El Moreno verriet seine haushohe Überlegenheit über die wilden, zerlumpten Kerle. Dabei brachte er das Kunststück fertig, nicht die Spur arrogant zu wirken. Gelassen, mit einem teils drohenden, teils amüsierten Lächeln kam er auf die Reiter zu.

„Nun?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Chad fühlte instinktiv, dass es eine Beleidigung für El Moreno gewesen wäre, wenn er vom Sattel aus mit ihm gesprochen hätte. Dieser Mann machte nicht den Eindruck eines gewöhnlichen beutegierigen und blutrünstigen mexikanischen Banditenführers. Vielleicht war er einer von den vielen Gescheiterten, ein durch die ständigen Revolutionswirren in diesem Land aus der Bahn geworfener, der nun auf eigene Faust versuchte, sich ein Reich aufzubauen, um vielleicht eines Tages mit einer Armee von gleichfalls Entwurzelten gegen die Hauptstadt zu ziehen.

Mexiko, das bedeutete von jeher ein Umdenken für jeden Mann, der aus dem Norden kam. Hier galten andere Maßstäbe. Hier flossen die Grenzen von Banditen und Rebellentum ineinander über. Chad Kelly hatte weder Zeit noch Lust, sich darüber ausgerechnet jetzt den Kopf zu zerbrechen. Er wollte Jefford, das war alles, was für ihn zählte. Er schwang sich vom Pferd.

„Natürlich bin ich wegen Jefford hier. Das sollte kein Grund zur Feindschaft zwischen uns sein.“

El Moreno zog die dünnen schwarzen Braunen hoch. „Jeder Gringo ist mein Feind.“

„Und Jefford?“

„Er ist die Ausnahme. Wir haben früher Geschäfte miteinander gemacht. Wir werden es wieder tun. Er hat dafür bezahlt, dass ich ihn unter meinen Schutz stelle.“

„Wie viel?“

„Was geht das dich an?“

„Ich werde auch bezahlen, wenn du dich in die Auseinandersetzung zwischen mir und Jefford nicht einmischt. Du weißt, dass ich kein Sheriff, Marshal oder Spion der mexikanischen Regierung bin. Ich bin nur hinter Jefford her.“

„Geh zur Seite, El Moreno!“, gellte Jeffords wütender Ruf von der Felsleiste. „Es ist höchste Zeit, dass ich diesem verfluchten Hund eine Unze heißes Blei zwischen die Rippen jage!“

Der schwarzgekleidete große Mexikaner schickte nur einen brennenden Blick zur Höhe hinauf, und Jefford schwieg. Ruhig sagte El Moreno zu Chad: „Du bluffst. Du siehst nicht so aus, als könntest du mehr bieten als Jefford.“

„Wie viel hast du von ihm bekommen.“

„Fünftausend Dollar. Dafür werde ich eine Menge nagelneuer Waffen und Munition kaufen. Gib dir keine Mühe, Kelly, da kommst du ja doch nicht mit.“

„Fünftausend? Ein Pappenstiel! Und du nennst Jefford, diesen knauserigen Kerl, deinen Freund? Du willst Geschäfte mit ihm machen? Und ob ich dir mehr bieten werde! Ich lege zu Jeffords lächerlichen fünftausend Dollar noch fünfunddreißigtausend weitere Bucks hinzu. Klingt das nicht viel besser?“

Old Simp atmete scharf ein. Ein heiseres Geraune durchlief die Reihen der umstehenden Bandoleros. Jefford schrie: „Er ist verrückt! Durchsucht ihn, El Moreno, und du wirst feststellen, dass er höchstens ein paar lumpige Dollar mit sich rumschleppt!“

Der Bandenführer starrte Kelly mit glühenden Augen an. Seine Wangenmuskeln traten schärfer hervor. „Ich denke, er hat recht. Ich denke, du lügst, Gringo.“

„So dürftest du nicht reden, wenn wir uns alleine gegenüberständen.“

„Du schlägst einen gefährlichen Ton an, Gringo – gefährlich für dich. Vergiss nur ja nicht, wo du dich befindest.“

„Eben!“ Chad lächelte grimmig. „Hältst du mich wirklich für so dumm, dass ich mich mit einem leicht durchschaubaren Bluff hierher gewagt hätte?“

El Morenos Blick bohrte sich in Chads stahlblaue Augen. „Woher willst du das viele Geld nehmen, wenn ich dir freie Hand gegen Jefford gebe?“

Mit einer knappen Kopfbewegung wies Kelly auf den Mann auf der Felsleiste. „Von ihm!“

Bleierne Stille folgte. Dann wandte der Mexikaner ebenfalls wieder den Kopf und starrte zu Jefford hinauf. „Leg das Gewehr weg! Komm herab!“ Das war keine kameradschaftliche Aufforderung, sondern ein scharfer Befehl.

Jefford, sonst selber ein Mann, der zu befehlen gewohnt war, zögerte, legte schließlich die Waffe nieder und kletterte an der Strickleiter herab. Er näherte sich mit schnellen Schritten. Sein kantiges Gesicht war eine fahle Maske, in der die Augen wild glitzerten. Sein Holster mit dem 38er Remington war am Oberschenkel festgebunden.

„Hör nicht auf ihn, El Moreno. Er will dich reinlegen. Fünfunddreißigtausend Dollar für meinen Skalp? Das ist ja lächerlich. Damit entlarvt er sich ja selber als Lügner.“

Chad blickte den Verbrecher kalt an. „Ich will nicht deinen Skalp, Jefford. Ich will dich lebend, damit du meinem alten Freund Tom Bancroft die Wahrheit erzählen kannst. Dafür überlasse ich El Moreno gerne deine Beute. Ich bin nicht an dem Geld, sondern einzig und allein an dir interessiert.“

„Zum Teufel, du …“

„Ich denke, ich habe dich richtig eingeschätzt, Jefford. Ich bin sicher, du hast El Moreno die Höhe der Summe, die du mit dir ‘rumschleppst, verschwiegen, sonst hätte er sich bestimmt nicht mit lumpigen fünftausend Bucks abspeisen lassen. Dein Pech, Jefford. Denn ich fürchte, El Moreno mag es nicht, wenn man ihn übers Ohr zu hauen versucht. Jetzt bricht dir deine Geldgier das Genick.“

„Du verdammter …“ Jefford wollte den Revolver ziehen. Da hielt El Moreno wie durch Zauberei seine beiden schweren Schießeisen in den Fäusten. Die Waffen zeigten nicht auf Chad, sondern auf den wütenden Verbrecher.

„Es stimmt, ich hasse nichts so sehr, als wenn man mich hereinzulegen versucht. Du hast versprochen, deine Beute ehrlich mit mir zu teilen, und ich habe dir vertraut. Demnach müssten nur noch fünftausend Dollar in deinen Satteltaschen sein.“

„Die Sache ist so, El Moreno. Ich wollte …“

„Diego!“, rief der Bandolerohäuptling einen der gaffenden Mexikaner an. „Steig hinauf und bring Jeffords Taschen.“

Jefford schwitzte. Sein mörderischer Blick heftete sich abermals auf seinen unerbittlichen Verfolger. „Nun gut, Kelly“, knirschte er, „wir beide werden es wohl miteinander austragen. Aber alles, was du dabei erreichst, ist, dass du eine Kugel oder ein Messer zwischen die Rippen bekommst!“

„Langsam!“, mischte sich El Moreno schneidend ein. „Wenn du mich beschwindelt hast, Muchacho, gehörst du mir und nicht Kelly. Du weißt hoffentlich, was dir dann blüht.“

Jefford presste die Lippen zusammen und schwieg. Der Bandolero, den El Moreno losgeschickt hatte, war inzwischen zu einer der Höhlen hinaufgeklettert. Als er nun droben mit Jeffords prallen Satteltaschen auf der Schulter wieder zum Vorschein kam und alle zu ihm hinaufspähten, hoffte Jefford auf seine Chance. Mit einem Panthersatz versuchte er Kellys Pferd zu erreichen. Er war so schnell, dass El Moreno nicht schießen konnte, wollte er seine eigenen Leute nicht gefährden. Tatsächlich kam Jefford auch in den Sattel. Aber dann war es aus mit seiner vermeintlichen Fluchtgelegenheit.

Chad riss ihn vom Pferd, gerade als der Schurke den Revolver gezogen hatte, um sich den Weg freizuschießen. Jefford rollte von den stampfenden Hufen weg. Er hatte die Waffe nicht losgelassen, brachte sie jedoch nicht mehr hoch. Wie ein Löwe warf sich der breitschultrige Smallrancher auf ihn. Seine geballte Rechte explodierte an Jeffords Schläfe. Es war ein Hieb, der einen jungen Stier hätte umwerfen können. Jefford verdrehte die Augen, seufzte und rührte sich nicht mehr. Chad entwand ihm den Revolver und erhob sich.

Die Bandoleros waren nähergekommen. Sie umstanden ihn und Old Simp in einem lückenlosen Kreis. Diego zwängte sich zwischen ihnen durch und reichte dem Anführer die geldgefüllten Satteltaschen. El Moreno hielt es sicherlich für unter seiner Würde, die dicken Geldscheinbündel nachzuzählen. Er warf nur einen Blick hinein. Sein bärtiges dunkelbraunes Gesicht wurde ausdruckslos.

„Reitet!“, sagte er kalt zu Chad und dem Oldtimer. „Vergesst den Weg hierher, sonst werdet ihr nicht lange am Leben bleiben.“ Seine Handbewegung scheuchte die den Talausgang versperrenden Bandoleros auseinander.

Kelly bewegte sich nicht. „Du hast das Geld, ich will Jefford. Ich reite nicht ohne ihn.“

Ringsum wanderten Gewehre, Pistolen und Messer in die Höhe. Der Schwarzgekleidete sagte hart: „Du spielst mit deinem Leben, wenn du nicht damit zufrieden bist, dass ich euch ziehen lasse, Gringo.“

„Um Himmels willen, sei vernünftig, Kelly!“, stöhnte Old Simp.

Da richtete Chad blitzschnell Jeffords Revolver auf den Bandoleroführer. „Sag deinen Leuten, sie sollen Jefford auf ein Pferd legen und ihn festbinden.“

El Moreno lächelte kalt. „Schade, Gringo! Dein Mut hat mir gefallen. Aber jetzt fällst du dein eigenes Todesurteil.“

„Tu, was ich dir sage!“

El Morenos Zähne blitzten wie ein Raubtiergebiss. „Weil du mit Jeffords Waffe auf mich zielst? Dein Pech, Kelly, dass sie nicht geladen ist. Nein, ich bluffe nicht. Jefford selber war genauso ahnungslos. Während der vergangenen Nacht ließ ich die Patronen in seinem Revolver und seinem Gewehr auswechseln. Du siehst, ich war gar nicht so vertrauensselig, wie es den Anschein hatte. Ich wollte Jefford erst einige Tage auf die Probe stellen. Drück ruhig ab, es wird gar nichts passieren.“

Chad richtete den Remington gen Himmel und drückte ab. Es klickte nur. Die Patrone im Lauf zündete nicht. Chads Kehle schnürte sich zusammen, als er das Aufblitzen in El Morenos Augen sah. Er ließ den 38er fallen und wollte seinen eigenen Sixshooter aus dem Holster ziehen. Da sprangen ihn die Bandoleros wie ein Rudel Raubkatzen an. Chad schlug um sich, bäumte sich wild auf und versuchte wie ein Grizzlybär die Gegner abzuschütteln. Sie hatten sich jedoch förmlich an ihm festgekrallt. Gegen diese Übermacht hätte ein Goliath keine Chance besessen.

Chad stürzte. Die Menschentraube auf ihm drohte ihn fast zu ersticken. Wie aus weiter Ferne vernahm er Old Simps krächzendes Gefluche. Der verwitterte hagere Cowboy war vom Pferd gerissen worden und lag ebenfalls am Boden. El Morenos scharfes Kommando beendete den jähen heftigen Tumult. Chad und Old Simp wurden hochgezerrt. Sie keuchten, schwitzten, das Haar hing ihnen ins Gesicht. Chads Hemd war vorne aufgerissen. Mehrere drahtige Kerle hielten ihn eisern fest. El Moreno trat mit funkelnden Augen vor ihn.

Chad brauchte nur diese Augen zu sehen, um zu wissen, dass nun sein Todesurteil kommen würde. Da fiel El Morenos Blick auf das Medaillon, das der Rancher an einem dünnen glänzenden Goldkettchen um den Hals trug. Ein großes C, der Anfangsbuchstabe von Conchitas Name, war darauf eingraviert. Im Halbbogen dieses C standen die spanischen Worte „Vaya con Dios“. Die Faust des Bandolerohäuptlings schloss sich wie eine Raubtierpranke um das kleine Schmuckstück.

„Woher hast du dies?“

„Das geht dich nichts an. Nimm es und sei verdammt dafür!“

Chad hatte kaum die Worte hervorgepresst, da hielt El Moreno ein Messer in der Faust. Chad spürte den kalten Stahl an seinem Hals. „Rede, wenn du nicht willst, dass ich dir die Kehle von einem Ohr bis zum anderen aufschlitze!“

Eine wilde Erregung, die Chad nicht begriff, schwang in El Morenos fauchender Stimme. Der Druck des Messers verstärkte sich.

Kelly murmelte heiser: „Das Medaillon ist ein Geschenk meiner Frau.“

„Du lügst, Gringo! Dieses Schmuckstück gehörte einer Mexikanerin.“

Chad vergaß die Klinge an seiner Kehle. Er starrte den Schwarzgekleideten überrascht an. Nach einer Weile, die er brauchte, um sich zu fangen, sagte er schleppend: „Du hast recht. Meine Frau ist Mexikanerin. Woher weißt du …“

Die Faust mit dem Messer sank zögernd herab. Unsicherheit und gleichzeitig eine gespannte Erwartung malten sich auf El Morenos scharf geschnittenem Gesicht. „Wie heißt sie?“

„Conchita.“

„Und weiter?“, keuchte der Bandolero. „Wie hieß sie, ehe sie deine Frau wurde?“

„Salaveras, Conchita Salaveras.“

El Moreno stand einen Moment mit geschlossenen Augen wie versteinert und schien dem Namen nachzulauschen. Seine Miene veränderte sich, verlor die Härte und Feindseligkeit. „Santa Madre!“, murmelte er kopfschüttelnd. Er schob das Messer in den Gürtel. „Lasst ihn los!“

Die Kerle, die Chad festhielten, gehorchten sofort. El Moreno musterte Chad, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Wieder schüttelte er den Kopf. „So ein Zufall! Conchitas Mann! Und ich dachte, nie mehr etwas von ihr zu hören! Kelly, das ist ein Glückstag für dich! Soviel Glück hat kein normaler Sterblicher. Vor zwei Minuten warst du schon so gut wie tot.“ Lächelnd legte er Kelly eine Hand auf die Schulter. „Vergiss, dass ich dir ans Leben wollte. Conchita würde es mir nie verzeihen …“

„Woher kennst du sie?“

El Morenos Lächeln vertiefte sich. „Eifersüchtig, Kelly? Du hast keinen Grund dafür. El Moreno, das ist nicht mein richtiger Name, das weißt du. In Wirklichkeit heiße ich – pass gut auf! – Miguel Diaz Salaveras. Conchitas Vater und mein Vater waren Brüder. Sie ist meine Cousine. Ich hab sie zum letzten Mal gesehen, als sie ein hübscher Backfisch von fünfzehn Jahren war. Hat sie nie von ihrem Vetter Miguel erzählt?“

„O doch! Sie sprach von einem wilden, abenteuerlustigen Burschen, der nach dem Tod seines Vaters in die Sierra ging, um gegen alle Unterdrücker und Ausbeuter in diesem Land zu kämpfen.“

„Du siehst, was aus ihm geworden ist“, lachte El Moreno. „He, Amigos, bindet Jefford. Schafft einen Gaul für ihn her. Kelly, er gehört dir. Mach mit ihm, was du willst.“

„Gracias!“, antwortete Chad heiser. „Ich werde Conchita von dir grüßen. Ich werde ihr erzählen, was für ein großartiger Kerl aus ihrem Vetter Miguel geworden ist.“

„Tu das, Kelly, tu das!“, lachte der Bandoleroführer. „Und sieh zu, dass du sie immer gut behandelst, sonst komme ich eines Tages und schneide dir doch noch die Kehle durch.“ Er bückte sich nach Jeffords Satteltaschen, zählte fünf Tausend-Dollar-Bündel ab und warf sie achtlos neben sich auf die Erde. Dann verschloss er die Tasche mit den restlichen dreißigtausend Dollar und reichte sie dem breitschultrigen Rancher. „Mein nachträgliches Hochzeitsgeschenk für Conchita. Achte gut darauf.“

Chad starrte ihn ungläubig an. „Mein Gott! Das ist mehr Geld, als du jemals wieder erbeuten wirst …“

„Da kennst du El Moreno aber schlecht!“, grinste der Mexikaner wölfisch. „Nimm es nur und bring es Conchita. Die Fünftausend, die mir Jefford gab, und diese Fünftausend dazu sind genug für mich und meine Leute.“

Es wäre eine tödliche Beleidigung für El Moreno gewesen, hätte Chad jetzt auch nur mit einer Silbe angedeutet, dass es sich ja um geraubtes Geld handelte, dessen rechtmäßiger Besitzer immer noch Tom Bancroft war. Chad schwang die abgewetzten Ledertaschen auf die Schulter. „Von jetzt an werde ich jedem die Faust ans Kinn setzen, von dem ich ein falsches Wort über El Moreno höre.“

„Lieber nicht!“, winkte der Bandolero ab. „Da hättest du viel zu tun, Compadre! Außerdem, je schlimmer man von mir spricht, um so mehr Zulauf habe ich zu meiner künftigen Armee.“

Chad erwiderte sein breites Grinsen, und ihr Händedruck besiegelte eine zwar seltsame, aber unverbrüchliche Freundschaft.

Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane

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