Читать книгу Die besten 11 Western des Sommers 2021 - Pete Hackett - Страница 30
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ОглавлениеDas zögernd emporflackernde Flämmchen beleuchtete das blasse, erschreckte Gesicht von Betsy Blue und die weit geöffneten blauen Augen. Ihr Haar hing nass und strähnig herunter, und sie machte einen recht kläglichen Eindruck.
Ingram blieb der Mund offenstehen, und Cole Fallon warf Shane einen harten Blick zu.
»Der Hund hat uns doch angelogen.«
Betsy Blues Blicke irrten ängstlich von einem zum anderen, suchten nach Crazy Bear Shane und fanden ihn auf seinem Lager liegend, halb aufgestützt und sie ungläubig anstarrend.
»Wir sind Mitch Fallons Brüder«, erklärte Orel, als Howie sie endlich losließ. Aber sie schien ihn überhaupt nicht zu hören. Sie stürzte zu Shanes Lager hin und warf sich halb über ihn und rief schluchzend seinen Namen. Crazy Bear Shane stöhnte unterdrückt, als ihr Gewicht ihn zurückdrückte. Ihr nasses Gesicht war dicht vor ihm, und er sah die grenzenlose Erschöpfung darin.
»Um Gottes willen, was haben sie mit dir gemacht, Crazy Bear ...?« Entsetzen flackerte in ihren sonst so schönen Augen.
»Mein Bein«, stöhnte Jeremy Shane leise. »Sie haben eins von meinen Fangeisen vor die Tür gelegt.«
Betsy Blue holte hastig die Lampe vom Tisch und zog das zerfetzte Hosenbein hoch. »O Gott!«, entfuhr es ihr. »Da muss man gleich etwas tun.«
»Spar dir die Mühe«, sagte Jeremy Shane gepresst. »Sie werden uns sowieso umbringen. Aber warum, zum Teufel, bist du zurückgekommen! Du könntest jetzt schon fast in Oregon und in Sicherheit sein.«
Tränen trübten ihren Blick, als sie ihn anschaute.
»Sicherheit?«, fragte sie bitter. »Sicherheit hat es nur hier bei dir gegeben.«
»Ist das nicht ein rührendes Wiedersehen?«, grinste Cole Fallon.
»Ja«, nickte Howie ungeduldig, »aber hoffentlich beeilen sie sich damit. Ich habe schon lange auf eine Nacht mit Betsy Blue warten müssen, und ich habe extra ein paar Dollar dafür gespart.«
»Aber ... aber, du wolltest doch immer ...« Betsy legte Shane die Hand auf den bärtigen Mund. »Sprich nicht mehr davon, Crazy Bear. Vielleicht bist du gar nicht so verrückt, wie die Leute meinen.«
»Was ist vorgefallen?«
»Ich habe den Revolver noch bei mir«, flüsterte sie leise.
Seine Augen verengten sich ein wenig. »Du musst ihn irgendwie loswerden. Sie werden ihn sonst bei dir finden.« Seine Stimme war wie ein erregter Hauch, so leise. Aber sie hatte ihn dennoch verstanden. Sie richtete sich etwas auf.
»Anfangs ist alles gutgegangen. Die Leute von diesem Wagentreck hatten mich freundlich aufgenommen. Sie waren zwar neugierig und wollten wissen, woher ich kam und was ich in der Wildnis getrieben habe. Aber dann kam ihr Scout zurück, der auf der Jagd war. Und dieser Kerl kannte mich aus Fort Benton und hat gleich an die große Glocke gehängt, was ich dort war ...«
Howie stieß ein brüllendes Gelächter aus, das dröhnend den kleinen Raum füllte. »Habt ihr so was schon mal gehört? Wollte die Lady spielen, so wie hier, und ist doch nur ein mieses, kleines Flittchen.«
Betsy Blue schleuderte die brennende Lampe nach ihm. Sie prallte aber nur gegen die zum Schutz vor das Gesicht erhobenen Arme und verlöschte. Es war stockfinster und roch nach dem herumgespritzten Steinöl. Howie fluchte entsetzlich. Etwas fiel zu Boden. Jemand stieß gegen den Tisch. Füßescharren und weitere wüste Flüche. Betsy schrie auf. Klatschende Schläge, Keuchen, Knurren.
Jeremy Shane wollte instinktiv von seinem Lager hochfahren, sackte jedoch mit einem ächzenden Laut wieder zurück. Irgendwo war in der Dunkelheit ein Handgemenge im Gange. Ingram schrie schmerzvoll auf. »Das Luder beißt!«
»Halt sie fest, Orel!«
»Was meinst du, was ich hier in der Hand habe. Die hat ganz schön was zu bieten ... Au!«
»Verdammt, Howie, kannst du die Lampe nicht finden? Wir brauchen Licht.« Das war wieder Ingram.
Jeremy Shane fluchte leise und grimmig vor sich hin. Sein Oberkörper hing über dem Rand seiner Liegestatt. Irgendwo musste er doch diese verdammte Pistole haben ...
Jemand fiel gegen den Kamin und riss mit lautem Geschepper das eiserne Kochgestell um. Sein Fluchen klang heiser und zornig. Ein dumpfer Schlag folgte. Betsy schrie wimmernd auf. Fürchterlicher Zorn dampfte in Jeremy Shane und suchte verzweifelt irgendein Ventil.
Endlich flackerte das Licht wieder auf, wurde zu einem ruhigen Brennen und erhellte dürftig die Szenerie, erhöhte mit bizarrer Schattenbildung ihr Durcheinander.
Betsy Blue stand keuchend vor der Wand, und das Haar hing ihr strähnig ins Gesicht. Orel Fallon richtete sich neben dem Kamin auf, Howie stellte die Lampe auf den Tisch, Cole Fallon hockte auf dem Boden, und Ingram stand mitten im Raum, ohne Hut und mit zerzaustem Haar. Der Ärmel seines alten Armeemantels war halb abgerissen.
Sie alle starrten Betsy Blue mit gierig glitzernden Augen an. Unheilträchtige Spannung breitete sich aus.
»Ich hatte mal ’ne Squaw oben vom Milk River«, sagte Ingram schwer atmend, »die war genau so wild wie die da. Sie hätte mir doch fast den Finger abgebissen.«
Orel sagte: »Wir müssen uns jetzt einigen, wer sie zuerst festhält.«
»Nein!« Betsy Blue wich verängstigt noch einen Schritt nach rückwärts, bis sie mit dem Rücken an die raue Balkenwand stieß. Ihre fahrigen Blicke suchten nach Jeremy Shane, der mit zornbebenden Lippen dalag und alle Sehnen seines Körpers angespannt hatte.
»Sein Bein ...!«, stieß Betsy hervor.
»Was kümmert uns sein Bein«, sagte Cole Fallon und grinste genüsslich. »Wir befassen uns lieber mit deinen.«
»Ja«, meinte Howie zustimmend, »die sind uns weiß Gott lieber.«
»Ich muss sein Bein versorgen, sonst bekommt er den Wundbrand.«
»Soll er doch«, schnauzte Orel Fallon. »Alles nur Zeitverschwendung.« Er beförderte mit dem Fuß einen der Schemel zur Seite, der ihm im Wege stand.
»Wir haben doch genug Zeit«, versuchte es Betsy noch einmal voll verzweifelter Hoffnung. »Lasst mir so lange, bis ich sein Bein versorgt habe. Danach könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt, und ich werde mich nicht wehren.«
Zeit, das war alles, was sie in dieser gefährlichen Situation noch herausschinden konnte. Aufschub, und dann weitersehen.
»Schluss mit dem Gerede!« Orel Fallon packte Betsys Arm und riss sie von der Wand weg. »Wir jagen ihm ’ne Kugel in seinen dämlichen Schädel und nehmen uns, was wir wollen.«
»Warte!«, grollte Ingram dumpf. Orel wandte ärgerlich den Kopf nach ihm.
»Du musst wohl immer was dagegen haben, wie?«
»Lass sie doch tun, was sie will«, beharrte Ingram. »Wenn sie nachher dafür zahm ist, soll es uns nicht auf eine oder zwei Stunden ankommen. Was meinst du, Howie?«
»Wenn ich mir das recht überlege ... Ja, wenn ich sie nachher haben kann, ohne Beißen und Kratzen.« Er fuhr sich mit den Fingerspitzen über die blutige Schramme an seiner Wange. »Ja, dann warte ich doch lieber.«
»Er hat recht«, meldete sich jetzt auch Cole, »ich denke, wir haben für heute genug gerauft.«
»Na gut.« Orel ließ sie los und setzte sich missmutig auf den Schemel. »Soll sie eben ihren Willen haben. Aber wenn es mir zu lange dauert, dann ziehe ich ihr den Rock über die Ohren, egal, wie ihr darüber denkt.«
Betsy Blue atmete sichtlich auf. Sie zog den Tisch so dicht an Jeremys Lager, dass der kümmerliche Schein des kleinen Ölflämmchens auf das verletzte Bein fiel. Mit einem Messer schlitzte sie das hirschlederne Hosenbein auf und zog den Mokassin vom Fuß, wobei Shane vor Schmerzen leise aufstöhnte.
Ihr Schatten fiel auf sein Gesicht, als sie sich über ihn beugte. Er roch den Duft ihres feuchten Haares, und ein unbändiger Lebenswille bäumte sich in ihm auf.
»Der Revolver liegt unter deinem Lager«, hauchte sie ihm ins Ohr. Dann war sie schon wieder weg, holte die große Whiskyflasche und goss etwas daraus über die Wunden an Jeremy Shanes Bein. Der spontane Schmerz ließ ihn alle Muskeln seines Körpers anspannen, und seine Finger krallten sich in das Fell, auf dem er lag. Ein ächzender Laut quälte sich durch seine Kehle, und der Schweiß trat in dicken Perlen auf seine Stirn.
Hölle noch mal, sein Bedarf an Peinigungen dieser Art war längst gedeckt für heute.
Betsy tupfte die Wunde mit einem Tuch ab. Sie sah ihn an, legte die Hand auf seine Stirn.
»Du hast Fieber.«
»Nein, das sind nur diese furchtbaren Schmerzen.«
Sie wischte ihm den Schweiß von der Stirn.
»Ist er geladen?«, fragte Jeremy Shane so leise, dass nur sie es hören konnte. Der Gedanke an die Waffe unter ihm ließ ihn nicht mehr los. Jetzt, da Betsy Blue wieder da war und sich um ihn kümmerte, hatte er wieder eine Chance zu überleben.
Aber da waren diese vier Halunken, die etwas dagegen hatten.
Betsy nickte. »Fünf Kammern.«
Jeremys Kopf fiel zurück. Unter halb geschlossenen Lidern hervor sah er die dunkle Schwellung in ihrem Gesicht.
»Du hättest nie zurückkommen dürfen«, sagte er erschöpft. »In Fort Benton wusste auch jeder, was du warst. Warum, zum Henker, konntest du nicht bei diesen komischen Siedlern bleiben?«
Sie schüttelte leicht den Kopf. »In Fort Benton war ich nicht unter ehrbaren Leuten, da waren alle wild und irgendwie so verrückt wie du. Es gab dort keine anderen Frauen als solche wie mich. Aber dort ... Die Frauen der Siedler beachteten mich nicht mehr. Für sie war ich wie eine Aussätzige, schlimmer als die Sünde selbst. Und ihre Männer, die an sich weniger gegen mich hatten, getrauten sich nicht mehr mit mir zu sprechen. Ich ... ich konnte nicht länger mit diesen Menschen zusammenbleiben.«
Er griff nach ihrer Hand. »Wenn ich ehrlich sein soll, ich bin verdammt froh, dich zu sehen. Ich war es immer. Aber was soll nun werden?«
»Pläne machen können wir später«, entgegnete sie mit einem tiefen Atemzug und wandte sich wieder seinem zerschmetterten Bein zu.