Читать книгу Gesetz der Banditen: Western Bibliothek 15 Romane - Pete Hackett - Страница 63
Оглавление10
Jim Durbin hält den flachen Ranchwagen vor dem Store an. Er bemerkt die abweisenden Blicke der Männer, die sich in ihren Schaukelstühlen und auf den Bänken vor den Häusern aufgerichtet haben. Doch als er sie von einem zum anderen schauend anblickt, fallen sie wie Puppen zurück und dösen weiter. Es ist jetzt um die Mittagszeit sehr ruhig in Wichita. Die Hitze macht die Menschen träge. Jim steigt ab und geht in den Store. Der Keeper hinter der Theke gähnt.
„Ich brauche zwei Rollen Draht für Miss Stewart“, sagt Durbin.
„Sie arbeiten jetzt für sie?“
„Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.“
„Kommen Sie mit!“ Der Keeper verlässt den Store durch die Hintertür. Als sie über den Hof zu einem Schuppen gehen, ist Hufschlag zu hören. Mindestens zwei schnelle Pferde jagen in die Stadt, aber Jim kann die Reiter nicht sehen.
Der Storekeeper ist einen Moment stehengeblieben, geht aber nun weiter.
„McBee ist wieder auf seine Ranch gebracht worden, wie?“
„Ja, das wissen Sie doch.“
„Was haben Sie denn?“
„Ich habe gar nichts.“
Irgendwo erschallt ein Schrei.
„Durbin!“, ruft jemand.
Jim zuckt zusammen, wirbelt herum und greift nach der Waffe. Aber nirgends ist jemand, der ihn angerufen haben könnte. Nur der Hufschlag schwillt immer lauter an. Dann jagen auf der Straße zwei Reiter vorbei und lassen eine gewaltige Staubwolke hinter sich zurück. Wieder schreit jemand und dann übertönt das donnernde Krachen einer Explosion den Hufschlag. Jim ist mit zehn langen Sätzen am Hoftor. Er sieht eine Wolke aus Dreck und Qualm, die über die Straße zieht. Bretter, Balken und Holzschindeln wirbeln durch die Luft und rieseln hernieder. Das Dach des Saloons ist herabgebrochen. Die Vorderwand hat ein großes Loch. In der Ferne verschwinden die beiden Reiter.
Cook taumelt aus den Trümmern, fällt die beiden Stufen vom Stepwalk herunter und rollt über die Fahrbahn. Der Doc hastet über die Straße und kniet bei dem Liegenden nieder. Jim ist es, als würden sich seine Beine von selbst in Bewegung setzen. Da richtet sich der Arzt auf.
„Tot“, sagt er hohl. „Es war Ihr Bruder, Jim. - Ist es nicht seltsam, dass Sie ausgerechnet jetzt hier sind? Mir hat jemand gesagt, Sie hätten von Cook einmal fünfzig Dollar haben wollen.“
Als Jim sich abwenden will, sieht er den Marshal, der mitten auf der Fahrbahn stehengeblieben ist.
„Sie sind ein komischer Mann, Doc. Damals, als ich Sie holen wollte, schienen Sie außer Ihren eigenen Interessen nichts zu kennen. Und heute glauben Sie offenbar, für die ganze Stadt verantwortlich zu sein.“
„Ich lebe in dieser Stadt, Durbin. Ihr Bruder ...“
„Verfolgen Sie ihn doch, wenn Sie etwas gegen ihn haben. - Warum steht ihr denn alle herum! Los, reitet doch!“
Die Männer, die sich angesammelt haben, ziehen sich einen Schritt zurück, als hätten sie Angst vor Jim Durbin.
„Schon zu spät“, sagt der Marshal. „Clint hat sich die Zeit gut ausgesucht.“
„Dann sagt, was ich damit zu tun haben könnte!“, schreit Jim.
„Der Doc sagte es doch schon, Durbin“, meint der Marshal. „Haben Sie ihn denn nicht verstanden. Natürlich kann es auch ganz anders sein, und Sie wissen wirklich nichts davon. Aber wer beweist uns das?“
„Ich nehme an, Sie müssten mir etwas beweisen, wenn Sie etwas von mir wollen.“
„Das ist es ja, Durbin.“
Jim merkt, dass das, was er sagte, falsch war. Jetzt denken sie wirklich, er hätte damit etwas zu schaffen. Er erkennt es an ihren Gesichtern, die sich versteinert haben.
„Das ist es ja, Durbin“, wiederholt der Marshal.
Drohendes Gemurmel hebt an.
Jim zieht sich zum Rand der Fahrbahn zurück und legt die Hand auf den Kolben des Colts.
„Na los, kommt her!“, ruft er ihnen zu. „Los, kommt doch! Ihr wollt mich jetzt aufhängen! Ich sehe es euch an. Kommt und holt mich! Der, der den ersten Schritt macht, bekommt eine Kugel in den Kopf!“
Das Gemurmel verstärkt sich. Jim springt rückwärts zum Stepwalk hinauf und reißt den Colt heraus.
„Vielleicht lassen wir uns auch vom Gegenteil überzeugen“, sagt der Marshal gedehnt. „Und zwar, indem du mit uns in die Berge reitest, Durbin!“
„Ich will euch höchstens davon überzeugen, dass ihr hirnverbrannte Narren seid! Sonst von nichts. Ich habe damit nichts zu tun. Ich weiß auch nicht, wo mein Bruder zu finden sein könnte. Ihr seid alle im Irrtum.“
„Aber du wirst ihn mit uns suchen!“, brüllt der Schmied über die Straße.
„Komm her, wenn du mich dazu zwingen willst!“, erwidert Jim und schwingt den Colt herum. „Na, komm doch!“
„Ich glaube, er möchte gern einen Mann umbringen“, sagt der Schmied in die eingetretene Stille. „Die anderen würden dich dann dafür hängen, Durbin!“
„Das wollt ihr doch sowieso! Ihr wollt Cooks Tod jetzt irgendwie rächen. Und es ist euch gleichgültig, ob ihr das richtige Opfer erwischt.“
„Wir wollen verhandeln“, meldet sich der Marshal wieder. „Durbin, du weißt doch, dass in Wichita niemand gelyncht wird, solange ich lebe. Wir wollen uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir dem Treiben deines Bruders ein Ende setzen können. Du willst doch auch, dass er zur Strecke gebracht wird?“
„Ich will damit nichts zu tun haben, Raine. Und ich nehme an, er wird fortreiten und nicht mehr zurückkommen. Er hat doch nichts gegen euch.“
„Warum hat er Cook dann umgebracht?“, fragt der Sattler.
„Das ist eine andere Geschichte. Cook hat meinem Bruder etwas in die Schuhe geschoben, das er nicht getan hat.“
„Und was war das?“
Jim blickt auf den Toten und schüttelt den Kopf.
„Das ist nun sehr unwichtig geworden“, erklärt er schwach.
Vom südlichen Stadtende kommt der Schreiner, der sich durch den Kreis der Männer schiebt und neben dem Marshal stehenbleibt. Er hat etwas in den Händen. Jim erkennt, dass es ein Stück Papier ist, in das jemand einen Stein gewickelt hat.
„Das lag vor meinem Haus“, meint der Schreiner. Er glättet das Papier, während er den Stein zu Boden fallenlässt.
Der Marshal greift nach dem Papier. Ein paar Männer versuchen über seine Schultern zu blicken.
„Lindon Weels“, murmelt einer.
„Was ist mit mir?“, kreischt der Storekeeper, dem die Farbe aus dem Gesicht weicht.
„Du bist als Nächster an der Reihe“, sagt der Mann, der dem Marshal über die rechte Schulter schaut. „Der Zettel stammt von Durbin. Er schreibt, dass er deinen Laden in die Luft sprengt, wenn wir nicht innerhalb zwei Tagen dreihundert Dollar am ,Spitzen Finger‘ hinterlegen. Und zwar soll nur ein einzelner Mann in die Berge reiten, das Geld niederlegen und wieder verschwinden.“
Der Marshal lässt den Zettel sinken. Lindon Weels schwankt zu einem Stützpfosten, an den er sich lehnt.
„Jetzt will er uns schon erpressen“, murmelt der Marshal und schaut Jim dabei an. „Glaubst du nun, dass dein Bruder noch nicht mit uns aufhören will?“
„Er weiß das doch besser als sonst jemand“, knurrt der Schmied.
„Hör auf!“, zischt der Marshal. „Nichts weiß er!“
„Aber vorhin hast du ...“
Der Marshal unterbricht den Mann durch eine schneidende Handbewegung.
„Ich glaube nicht, dass er damit etwas zu tun haben könnte. Aber ich glaube, dass er uns führen kann, um Clint zu finden.“
Jim schiebt den Colt in die Halfter. Es ist ihm, als müsste die nackte Angst des Storekeepers jetzt auf ihn übergehen. Aber er spürt nichts. Ein wütendes Feuer muss ihn ausgebrannt haben.
„Wenn mehrere Männer in die Berge kommen, müssen sie damit rechnen, getötet zu werden“, meint einer der Männer. „Es kann nur einer reiten. Einer, der gegen Clint Durbin und seinen Komplizen eine Chance hat.“
Jim bemerkt, dass sie ihn wieder alle anblicken. Sie erwarten etwas von ihm, und er weiß, was es ist. Er soll der Mann sein.
„Natürlich soll dieser Mann kein Geld hinterlegen“, fährt der Sprecher von vorher fort. „Er soll einen geladenen Colt bei sich haben und schießen.“
Sie schweigen alle und starren Durbin an. Jetzt springt ihn nicht mehr der nackte Hass aus ihren Augen an. Jetzt sind es Angst und Hoffnung, die um die Oberhand streiten.
„Nun, Jim?“, fragt der Marshal nach geraumer Zeit.
„Ich arbeite für Sharleen Stewart. Ich kann nicht machen, was ich will.“
„Wir wollen uns ohne Ausreden einigen“, gibt der Marshal zurück. „Ich weiß, dass es für dich nicht so einfach ist, mein Junge. Du musst nicht denken, dass ich kein Herz im Leibe habe. Aber irgendwo ist eine Grenze. Schon die Soldaten, die wirklich nicht viel verdienen, konnten nichts dafür, dass McBee seine Reiter im Winter hungern lässt. Dein Bruder hat McBee so hart getroffen, dass es schlimmer ist, als wenn er ihn getötet hätte. Oder glaubst du, dass es für einen harten, kräftigen Mann eine schlimmere Strafe geben kann, als die, ein Krüppel zu sein?“
„Ich weiß nicht, was die lange Rede bedeuten soll, Raine.“
„Du weißt ganz genau, Durbin. Ich möchte mich darauf verlassen, dass du ein ehrlicher Kerl bist. Und ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Zeit, über alles nachzudenken. - Los, Männer, verschwindet!“
Jim hat die letzte Drahtrolle auf den Wagen geworfen und geht in den Store zurück. Noch immer stehen draußen die Männer in Gruppen zusammen und reden laut. Aber sie reden alle durcheinander, so dass keiner zu verstehen ist. Zusammengesunken hockt der Storekeeper auf einem Hocker neben der Theke.
„Durbin, ich habe keine dreihundert Dollar“, sagt er gepresst. „Gestern war der Petroleumhändler hier. Er kommt im Jahr nur einmal. Ich musste ihm immer einen großen Posten abkaufen. Das hat mich viel Geld gekostet. Vorige Woche bekam ich schon zwei Lieferungen. Ich habe kein Geld!“
Jim legt einen Schein auf die Theke.
„Ich reite in die Berge“, sagt er. „Sie haben mein Wort, Weels.“
„Danke, Jim. Ich gebe dir eine Schachtel frischer Patronen. Vielleicht nützen sie dir etwas.“ Der Keeper steht auf und kramt in einem Regalfach herum. Dann legt er eine Pappschachtel auf die Theke. Jim schiebt die Schachtel zur Seite.
„Ich werde ohne die Patronen auskommen, Wells. Vielleicht können Sie das nicht verstehen.“
„Dann ... dann wird es umsonst sein! Dann wird er doch kommen und mein Haus vernichten.“
„Sie müssen Vertrauen haben, Weels. Mein Bruder war immer ein guter Mann.“
„Das ist lange vorbei, Jim! Er ist jetzt ein Tiger geworden. Er hat seine Seele dem Teufel verschrieben und kann nicht mehr zurück.“
„Hoffen Sie mit mir, dass es noch nicht so schlimm ist!“ Jim wendet sich ab und geht hinaus. Er steigt auf den Bock des flachen Ranchwagens, zieht die Peitsche aus dem ledernen Futteral und lässt sie knallen. Die Pferde ziehen an.
„Was hat er gesagt?“, will der Marshal wissen, als Weels aus dem Haus kommt.
„Ich wollte ihm frische Patronen geben. Aber er nahm sie nicht. Ich glaube, er will nur mit Clint reden. Aber das wird nichts ändern.“
Raine schaut dem Wagen nach.
„Wenn mir jeder etwas leiht ...“
„Blödsinn!“, unterbricht der Marshal den Storekeeper. „Wir können uns doch von einem Banditen nicht erpressen lassen.“
„Aber er wird ihn bestimmt nicht töten!“, schreit der Storekeeper. „Du musst ein Aufgebot zusammenstellen!“
„Das wollte ich schon. Aber nun, wo jeder weiß, dass Clint Durbin ohne Gnade tötet, haben die Leute Angst. Ich werde Jim seine Chance geben. Warten wir ab, wie er sie nutzt.“