Читать книгу Western Exklusiv Spezial Großband 1/2021 - Pete Hackett - Страница 56

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Das aggressive Rasseln der Klapperschlange erschreckte die Pferde. Angstvoll wiehernd stiegen sie hoch, und es hatte den Anschein, als wollten sie in ihrer grenzenlosen Panik die Kutsche zerreißen.

"Hey! Hey!", schrie Lucinda Jackson und riss heftig an den Zügeln.

Dennoch gingen die verstörten Tiere durch. Mit der Kraft eines entfesselten Wirbelsturms jagten sie los. Lucinda wurde angst und bange.

Das sechzehnjährige Mädchen versuchte verzweifelt, die verrückt gewordenen Gäule, die mit geblähten Nüstern, wehenden Mähnen und stampfenden Hufen über die staubige Straße hetzten, anzuhalten.

Lucinda stemmte sich mit den Füßen ab, so gut es ging, und zog an den straff gespannten Zügeln. Ihr hübsches Gesicht wurde von einer geradezu übermenschlichen Anstrengung verzerrt. Ihr blondes Haar wehte wie eine Fahne hinter ihrem Kopf. Das Gefährt hüpfte, schaukelte und tanzte. Sie bockte wie ein Wildpferd, das nicht zugeritten werden wollte. Die ratternden Räder sackten in tiefe Löcher, eierten durch wellige Rinnen und krachten gegen hartes Gestein. Lange würden sie dieser enormen Überbeanspruchung wohl nicht standhalten.

Der Wagen stieß sie jäh hoch, und wenn sie nicht blitzschnell die Zügel losgelassen und sich mit beiden Händen festgehalten hätte, wäre sie in hohem Bogen davongeflogen, um irgendwo in der Landschaft zwischen Kakteen und verdorrtem Steppengestrüpp wie ein Meteorit einzuschlagen.

Rasch wollte sie sich die Zügel wieder greifen, doch sie waren nicht mehr da – und die ungezügelten Pferde wurden immer schneller.

Lucinda, die Tochter des ehemaligen Town Marshals von Statton, war zwar geschmeidig wie eine Wildkatze, aber wenn sie jetzt abgesprungen wäre, hätte sie sich mit Sicherheit den schlanken Hals gebrochen.

Also musste sie sich krampfhaft irgendwie und irgendwo festhalten. Und ihr blieb nur die Hoffnung, dass die starken Pferde dieses Höllentempo nicht lange durchhielten, rasch müde wurden und die Kutsche nicht umwarfen. Lucinda schwitzte, schluckte Staub, hustete, war halb blind – und sie wusste, dass sie verloren war, wenn die ächzende, klappernde und ratternde Kutsche umkippte und sie unter sich begrub. Die Welt um sie herum war erfüllt vom Lärm schlagender Pferdehufe und schnaufender Tiere. Die Deichsel ächzte gefährlich und der Wagen schepperte bedrohlich. Um das zu überleben, brauche ich eine Armee von Schutzengeln!, durchzuckte es Lucinda Jackson.

Und plötzlich war einer da.

Ein Schutzengel!

Ein graues Phantom auf einem grauen Pferd, das der Reiter wild antrieb, um die durchgegangenen Tiere einzuholen. Waghalsig wie ein Zirkusartist stemmte er sich in den Steigbügeln hoch, sprang auf den benachbarten Pferderücken, packte die herabhängenden Zügel, wickelte sie sich um die Handgelenke und riss hart daran.

Augenblicklich wurden die Tiere langsamer und blieben schließlich zitternd, keuchend und schweißüberströmt stehen. Die Staubwolke, die Lucinda einhüllte, sank zu Boden, und sie sah einen schwarz gekleideten, hochgewachsenen, schlanken, breitschultrigen Fremden – ihren Retter.

Er stieg ab und gab Lucinda die Zügel in die Hand. "Alles okay, Miss?", erkundigte er sich freundlich lächelnd.

"Ja", antwortete Lucinda, noch leicht geschockt. "Ja, ich denke schon."

"Das hätte sehr schlimm ausgehen können."

"Ich bin Ihnen für Ihre Hilfe sehr dankbar, Mister..."

"Pockerman. Ken Pockerman."

"Ich heiße Lucinda Jackson."

"Wohnen Sie in Statton?", fragte Pockerman. Sein Gesicht war schmal und gut geschnitten. Wind und Sonne hatten seine Haut gegerbt. Sein Haar war dicht und pechschwarz.

"Ja", antwortete Lucinda.

"Da wollen wir hin."

"Wir?", fragte Lucinda.

Pockerman deutete mit dem Daumen über seine Schulter. "Meine Freunde und ich."

Lucinda drehte sich um und sah vier Reiter antraben.

Pockerman zog die Augenbrauen zusammen. "Jackson... Jackson... Hieß so nicht der Marshal von Statton?"

Lucinda nickte. "Er war mein Vater. Man hat ihn erschossen."

"Das tut mir leid."

Lucinda schlug die Augen nieder. Sie war noch nicht über den schmerzlichen Verlust hinweg. Nachts wurde sie hin und wieder von schlimmen Albträumen gequält, und sie erlebte noch einmal in allen grauenhaften Details, wie der gefährliche Revolverschwinger Joe Gunn ihren geliebten Dad kaltblütig ermordete.

Sie war Zeugin gewesen, hatte dieses schreckliche Verbrechen mit ansehen müssen. Es war vor ihren entsetzten Augen passiert. Doch keiner hatte danach den Mut gehabt, gegen Joe Gunn vorzugehen.

Erst Angus Walker, der Mann, der nun Marshal in Statton war, hatte es gewagt. Angus, der mit dem Colt verdammt gut umgehen konnte, hatte mit Gunn eiskalt abgerechnet und den Tod seines Vorgängers gnadenlos gerächt.

Ken Pockermans Freunde erreichten den Pferdewagen. Keiner von denen war Lucinda sympathisch. Sie fand, dass sie überhaupt nicht zu Pockerman passten.

Alle vier waren unrasiert. Der eine hatte einen verschlagenen Blick. Der andere wirkte arrogant und hatte keine Manieren – er kratzte sich ungeniert zwischen den Beinen. Die Wange des Dritten war von einem dicken Priem ausgebeult, und er spuckte fortwährend eine unappetitlich braune Soße am Hals seines Pferdes vorbei, und der Vierte, ein Heißsporn, wäre am liebsten über Lucinda hergefallen, das verriet sein lüsterner Blick.

Pockerman schwang sich auf seinen Rappen. Er legte die Hände aufs Sattelhorn. Im Scabbard steckte eine Winchester. Über der Kruppe des Pferdes lag ein Staubmantel. "Wir sehen uns!", sagte Pockerman. Er riss sein Tier herum, trieb es mit einem festen Schenkeldruck an, und seine Kumpane folgten ihm.


Western Exklusiv Spezial Großband 1/2021

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