Читать книгу Western Exklusiv Spezial Großband 1/2021 - Pete Hackett - Страница 58

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"Ich war nicht immer alt und klapperig." Der schrullige, kauzige Deputy lüftete kurz seinen großen, verbeulten Stetson, kratzte sich am Kopf und setzte den Hut wieder auf.

"Niemand sagt, dass du alt und klapperig bist", gab Angus Walker zurück. Der Marshal saß in seinem Office am Schreibtisch und reinigte seinen Colt, mit dem er wie kein zweiter umgehen konnte. Eine stets gut und zuverlässig funktionierende Waffe war für ihn lebenswichtig.

Es war viel passiert in jüngster Vergangenheit. Viel Unvorhersehbares war über ihn hereingebrochen. Das Schicksal hatte sein Leben total umgekrempelt.

Nach dem Tod von Francine Moon, der Besitzerin und Gründerin der Candy Ranch, hatte er, der Sohn ihrer verstorbenen Schwester, sie beerbt und in einem dramatischen Showdown Joe Gunn, den Mörder des Town Marshals, der mit Francine befreundet gewesen war, getötet.

Daraufhin hatten die Bürger von Statton ihn, den neuen Besitzer des heißesten Freudenhauses in ganz Statton County, zum Marshal gewählt – was in der jungen Geschichte des Westens wohl einzigartig war.

Und seither sorgte er hart, entschlossen und unerbittlich – und wenn nötig mit der Waffe in der Hand für Zucht und Ordnung in seiner Stadt.

"Ich hatte ebenso gute Zeiten wie du", behauptete der dürre Deputy, der Angus gern mit gut gemeinten Ratschlägen überschüttete. Er dachte, sich das auf Grund seines "biblischen" Alters erlauben zu dürfen. Immerhin war er bereits Mitte sechzig.

"Das bezweifle ich nicht", erwiderte Angus Walker.

Sein Deputy hob wichtig die Augenbrauen. "Vor mir musste man sich in Acht nehmen."

Angus lächelte. "Daran hat sich nichts geändert. Das ist auch heute noch so."

"Ich habe im ganzen County den übelsten Halunken die Hölle heiß gemacht", tönte der Alte. "Wenn sie den Namen Justin Hollow hörten, schissen sie sich reihenweise in die Hosen. Ich war gefürchtet, war eine Respektsperson."

"Das bist du noch immer", erklärte Angus, obgleich er wusste, dass an all den vielen abenteuerlichen Geschichten, die Justin von sich gab, kein Körnchen Wahrheit war.

Indianerkämpfer, Kavallerist, Revolverheld und Kuhtreiber der großen Trecks war er angeblich gewesen, dabei konnte er mit einem Revolver überhaupt nicht umgehen und schoss deshalb immer mit einer Schrotflinte.

Aber Angus widersprach ihm nie. Er ließ dem schrulligen Alten die Freude, mit seiner ruhmreichen – erfundenen Vergangenheit zu prahlen. Justin tat damit schließlich niemandem weh, und wenn sein Ego das brauchte, dann war das okay.

Angus stellte sechs Patronen vor sich auf und begann damit die Trommel seines gewissenhaft gereinigten und frisch geölten Revolvers zu füllen.

"Mann, war ich ein Pfundskerl!", sagte der Deputy, mächtig von sich beeindruckt. "Habe ich dir eigentlich schon erzählt, wie wir uns gegen eine Übermacht von Rothäuten wehren mussten?"

Angus griente. "Dreimal."

"Ach so."

Die Tür flog auf und die junge, wilde Lucinda Jackson, um die Angus Walker sich seit dem Tod ihres Vaters kümmerte, stürmte herein.

Angus und Justin gaben sich redlich Mühe, die Kleine zu einer echten Lady zu erziehen, was ihnen bislang jedoch nicht richtig gelingen wollte.

"Heiliges Kanonenrohr!", stieß die Sechzehnjährige laut hervor.

"Eine Dame grüßt erst mal, wenn sie wo eintritt", wies der Deputy sie zurecht.

"Hallo!", sagte Lucinda.

"Und sie reißt Türen nicht auf, sondern öffnet sie", fuhr Justin Hollow in rügendem Ton fort.

"Entschuldigung", murmelte das blonde Girl.

"Und sie schließt die geöffnete Tür so lautlos wie möglich", fügte der Alte hinzu.

Lucinda versetzte der Tür einen Tritt. Sie knallte zu.

Justin verdrehte die Augen und sagte seufzend zu Angus Walker: "Sie wird es nie lernen."

"Darf ich jetzt endlich erzählen, was mir passiert ist?", fragte Lucinda ungeduldig. "Ich muss es los werden, sonst platze ich."

Angus ließ die Trommel einrasten und legte die Waffe weg. "Schieß los!", verlangte er.

"Es grenzt an ein Wunder, dass ich noch lebe. Die Pferde haben gescheut..." Es sprudelte nur so aus ihr heraus, was geschehen war, und Angus hörte mit kummervoller Miene zu.

Dieses wilde, ungezähmte Mädchen, für das er sich verantwortlich fühlte, schien das Unheil förmlich anzuziehen. Immer wieder geriet es in Schwierigkeiten. Mal aus eigenem Verschulden, mal – wie heute konnte Lucinda nichts dafür. Aber es gab immer wieder Troubles mit ihr.

Als sie den Namen ihres Retters nannte, zuckte der Deputy zusammen, als hätte ihn jemand in seinen knöchernen Hintern gekniffen.

"Wie war der Name?", fragte Justin Hollow gepresst.

"Pockerman", wiederholte Lucinda Jackson. "Ken Pockerman."

Der alte Deputy sah den Marshal besorgt an. "Heiliges Kanonenrohr."

"Jetzt weiß ich, von wem sie diesen Ausdruck hat", sagte Angus Walker zu Hollow.

"Mädchen, dir ist der Satan begegnet", ächzte der Deputy beunruhigt.

"Blödsinn", widersprach Lucinda. "Ken Pockerman hat mir das Leben gerettet. Er ist nett, sympathisch und sieht gut aus."

"Lass dich von seinem Äußeren nicht täuschen", warnte Justin Hollow. "Er mag aussehen, als könne er keiner Fliege was zu Leide tun, aber glaube mir, der Schein trügt. Dieser Mann ist das Böse in Person."

"Das glaube ich nicht."

"War er allein?", wollte Angus wissen.

"Er hatte vier Freunde bei sich", gab Lucinda Auskunft.

"Machten die ebenfalls einen netten, sympathischen Eindruck auf dich?", fragte Justin Hollow.

Lucinda schüttelte den Kopf. "Die nicht."

"Wie sahen sie aus?", erkundigte sich Angus.

Lucinda beschrieb die Männer.

"Hal Higgins, Mickey Russell, Bruce Madsen und Chad Focker", nannte der Deputy die Namen der Kerle. "Na, bravo."

"Ihr Ziel war Statton", sagte Lucinda.

"Na, bravo", wiederholte Justin. "Hör zu, Mädchen, du hältst dich von Pockerman und seinen Männern fern, verstanden? Du machst einen großen Bogen um sie, wenn du sie siehst. Sie sind brandgefährlich. Auch Ken Pockerman. Der vor allem. Wenn er auch nicht so aussieht."

"Wenn er wirklich so ein schlechter Mensch wäre, hätte er niemals sein Leben für mich aufs Spiel gesetzt", sagte Lucinda.

Justin schüttelte ernst den Kopf. "Das hat er nicht für dich getan. Du warst ihm völlig egal. Er liebt das Abenteuer, das totale Risiko. Er ist süchtig danach, sich selbst zu beweisen. Er hält sich für unverwundbar und unbesiegbar, fordert sein Schicksal immer wieder leichtsinnig heraus, will jedes Blatt, selbst wenn es noch so schlecht ist, voll ausreizen, ist immer auf der Suche nach seinen Grenzen und versucht diese waghalsig zu überschreiten."

Tiefe Kummerfalten entstanden auf Angus Walkers Stirn. Diesmal übertrieb sein Deputy nicht. Justin Hollow hatte ein sehr zutreffendes Bild von Ken Pockerman gezeichnet.

Die Pockerman-Bande verbreitete überall, wo sie auftauchte, Unheil, Leid, Not und Tod. Dass jeder Town Marshal erleichtert aufatmete, wenn diese Verbrecher seine Stadt wieder verließen, war mehr als verständlich.


Western Exklusiv Spezial Großband 1/2021

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