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3. Die Rechtslage nach den Volkskammer-Gesetzen

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Die grundlegenden Regeln für die erforderliche Vermögensausstattung der Kommunen wurden mit dem Treuhandgesetz, dem „Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens“ vom 17.6.1990 geschaffen. Am 1.3.1990 beschloss der Ministerrat der DDR „zur Wahrung des Volkseigentums“ die Gründung der Treuhandanstalt, die in Treuhandschaft über das volkseigene Vermögen verfügen sollte, das sich im Besitz von Betrieben, Einrichtungen und Kombinaten sowie wirtschaftsleitenden Organen und sonstigen im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen Wirtschaftseinheiten befand. Ebenfalls am 1. März wurde vom Ministerrat die Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwandlungsVO) beschlossen. Danach erhielten die unter Treuhandverwaltung befindlichen Wirtschaftseinheiten das Recht, sich in Aktiengesellschaften oder in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umzuwandeln. Zur Umwandlung bedurfte es einer Umwandlungserklärung des umzuwandelnden Betriebes und der Treuhandanstalt als Übernehmende der Anteile. Nach dem „Statut der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ vom 15.3.1990 war „Inhalt der Treuhandschaft ... die Verwaltung des volkseigenen Vermögens im Interesse der Allgemeinheit“. Am 17.6.1990 beschloss dann die Volkskammer das „Treuhandgesetz“.

Gleich am Anfang des Gesetzes hieß es, dass volkseigenes Vermögen nicht nur privatisiert, sondern in durch Gesetz bestimmten Fällen auch Gemeinden, Städten, Kreisen und Ländern sowie der öffentlichen Hand als Eigentum übertragen werden könne. § 1 Abs. 1 S. 3 lautete: „Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, ist durch Gesetz den Gemeinden und Städten zu übertragen.“ Dieses Gesetz war das Kommunalvermögensgesetz vom 6.7.1990. Entwürfe dafür hatten die Fraktionen der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt. In der Begründung zum Entwurf des „Kommunalisierungsgesetzes“ aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hieß es, die Kommunalisierung sei ein Gebot der Demokratie. Städte und Gemeinden seien der tragende Teil der demokratischen Strukturen. Damit müsse ihnen auch die entsprechende Verantwortung übertragen werden: Verantwortung für die Betreuung und Versorgung der Bürger, Selbstverwaltung für die Erstattung von deren Betreuung und Versorgung. Deswegen müssten die Kommunen die entsprechenden Einrichtungen, Anlagen und Unternehmen in Besitz nehmen. Denn langfristig verantwortbar sei nur eine Energiewirtschaft, die als erstes die Frage stelle, wie viel Energie welcher Qualität wirklich benötigt werde. Erst danach werde zu fragen sein, wie diese Energie am effizientesten erzeugt werden könne. Deswegen müssten die Kommunen selbst Entscheidungen darüber treffen, wie z.B. Energieeinsparung in Übereinstimmung gebracht werde mit effizienter Energieversorgung. Unternehmen, die privatwirtschaftlich organisiert seien und deren Ziel darin bestehe, durch Absatz Gewinne zu erzielen, seien für solche integrierten Konzepte nicht geeignet. Die Verteilung zum Endverbraucher müsse ebenso wie die Entsorgung in der Hand von denjenigen liegen, die viele Faktoren einer kommunalen Versorgung beeinflussen wollten und könnten: den Gemeinden und Städten.

Aber was die Abgeordneten nicht wussten: Hinter ihrem Rücken verhandelte die Regierung mit den westdeutschen Stromkonzernen, sekundiert von der Bundesregierung, über den Totalverkauf des Energieversorgungsvermögens an die Konzerne, eingeschlossen das kommunale Vermögen für die Energieversorgung, Netze, Umspannstationen, Gasleitungen, Umformer etc. Währenddessen bemühte sich die Volkskammer, die Regelungen für die Übertragung des Vermögens wasserdicht zu machen. In § 6 Abs. 1 des Gesetzes heißt es, dass zu den volkseigenen Betrieben und Einrichtungen, die für die Erfüllung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben gebraucht würden, insbesondere „Betriebe und Anlagen zur Versorgung mit Energie und Wasser, wie örtliche Elektrizitäts- und Heizkraftwerke, Gas- und Wasserwerke sowie gemeindliche Verteilernetze“ gehörten. Die Treuhandanstalt, die vom Treuhandgesetz ja nicht nur zur Privatisierung, sondern auch zur Reorganisation des volkseigenen Vermögens berufen war, wurde durch § 7 Abs. 4 des Kommunalvermögensgesetzes für die Verfahren zur Eigentumsübertragung in Dienst genommen: „Bei der Übergabe von volkseigenem Vermögen an die Gemeinden, Städte und Landkreise sind insbesondere Betriebe und Kombinate der Energie- und Wasserwirtschaft sowie des Verkehrswesens unter Wahrung der Funktionsfähigkeit und Versorgungssicherheit zu entflechten. Erfolgt die Übernahme von Betriebsteilen, Werkstätten, Filialen oder anderen Struktureinheiten größerer volkseigener Betriebe, sind die Bedingungen des teilweisen Übergangs genau zu bestimmen und die Vermögenswerte abzugrenzen. Über die Teilrechtsfolge ist eine besondere Vereinbarung abzuschließen.

All diese Regelungen hat der Gesetzgeber getroffen, obwohl klar war, dass die betroffenen ehemals volkseigenen Kombinate und Betriebe durch das Treuhandgesetz in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden waren. Sollten sie nicht ins Leere gehen, musste die Entflechtung und teilweise Vermögensübertragung trotz der Umwandlung in Kapitalgesellschaften möglich sein und bleiben. Auch dafür hatte der Gesetzgeber eine Regelung vorgesehen. Aber er hat sie, den § 4 Abs. 2 des Kommunalvermögensgesetzes, missverständlich formuliert. Die Vorschrift lautet: „Sofern Betriebe und Einrichtungen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes in kommunales Eigentum überführt werden müssen, bereits in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden sind, gehen die entsprechenden ehemals volkseigenen Anteile in das Eigentum der Gemeinden und Städte über.

Dem Verständnis dieses Begriffs „ehemals volkseigene Anteile“ muss man näher nachgehen, weil er später, nämlich im Einigungsvertrag, einen folgenschweren Bedeutungswandel durchgemacht hat. Das Kommunalvermögensgesetz geht auf zwei Fraktionsentwürfe zurück.48 Beide Entwürfe enthalten bereits Regelungen, die im Wesentlichen dem späteren § 4 Abs. 2 KVG entsprechen.49 Danach gehen, sofern zu kommunalisierende Unternehmen, Anlagen und Einrichtungen bereits in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden sind, „deren Anteile nach Maßgabe der Vorschriften des § 3 in das Eigentum der Städte und Gemeinden über“. Die wesentlichen Maßgaben des § 3 lauten wie folgt (Drs. 106): „1. Die Städte und Gemeinden haben in Abstimmung mit den in § 1 Abs. 2 zuständigen Institutionen Verzeichnisse über die Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen gem. § 1 (2), die in ihr Eigentum übergehen sollen, anzulegen. Diese haben sie innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten dieses Gesetzes aufzustellen und der Treuhandanstalt vorzulegen. Diese Verzeichnisse sind von der Treuhandanstalt zu prüfen und zu genehmigen. 2. Sofern zwei oder mehrere Städte und Gemeinden dieselben Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen in ihre Verzeichnisse aufgenommen haben, entscheidet die Treuhandanstalt nach Anhörung der beteiligten Städte und Gemeinden über die anteilige Eigentumsverteilung.

Diese Fraktionsvorlagen wurden am 29.6.1990 in erster Lesung in der Volkskammer behandelt. Am Tag vorher waren die „Stromverträge“ bekannt geworden. Die entstandene Situation kommentierte der Abgeordnete Nooke für die Fraktion Bündnis 90/Grüne wie folgt: „Gerade in der Energiewirtschaft müssen neue kommunale und dezentrale Konzepte durchsetzbar werden, was kommunales Eigentum an Leitungsnetzen und Erzeugungsanlagen nötig macht. Mit dem gestern vorgesehenen Verkauf der Elektroenergiewirtschaft nach dem hier vorgelegten Vertrag und den damit zu vermutenden Monopolstellungen, wie das gestern deutlich wurde, wird kommunale Eigenständigkeit verhindert. Die Kommunalisierung ist auch ein Gebot der Demokratie. Städte und Gemeinden sind der tragende Teil der demokratischen und föderalistischen Strukturen, die wir schaffen wollen. Damit muss ihnen auch die entsprechende Verantwortung übertragen werden, Selbstverantwortung für die Betreuung und die Versorgung der Bürger wahrzunehmen. Deshalb müssen Kommunen entsprechende Einrichtungen, Anlagen und Unternehmen in Besitz nehmen. Das bedarf, wie eingangs gesagt, schnellstens des dafür nötigen Rechtsaktes. Wir haben eben immer noch nicht die nötigen klaren Regelungen, wer Eigentümer wovon ist.“50 Die Beschlussvorlage für die zweite Lesung stammte aus dem Ministerium für kommunale und regionale Angelegenheiten, das die Fraktionsentwürfe erarbeitet hatte. Die systematische Unsicherheit im Umgang mit dem späteren § 4 Abs. 2 hat aber nichts daran geändert, dass der Gesetzgeber die Kommunen nicht auf Kapitalbeteiligungen an den Regionalversorgungsunternehmen reduzieren wollte. Im Gegenteil kann man den Wortmeldungen in der Volkskammer entnehmen, dass die Abgeordneten davon ausgingen, dass die betreffenden Vermögensübergänge mit dem Inkrafttreten des Gesetzes stattzufinden hätten, auch wenn der Wortlaut des Gesetzes (vgl. insbesondere § 7 Abs. 1) auch eine andere Deutung zulässt.

Der Berichterstatter Dr. Ullmann führte Folgendes aus: „§ 1 ist eine Definition des kommunalen Vermögens, und daran schließt sich in den §§ 2–6 eine Umfangsbestimmung dessen an, was diesen gesetzlichen Verfahren unterworfen wird oder unterworfen werden kann. § 7 halte ich für eine ganz besonders wichtige Bestimmung, weil hier das Verfahren festgelegt ist. Dieses Verfahren, meine Damen und Herren, legt uns auch Eile nahe.“51 Und an anderer Stelle führte er aus: „Der Sinn dieses Gesetzes ist ja, dass zunächst einmal die Gemeinden in den Besitz des Grund und Bodens gelangen sollen. Das ist dann die Rechtsgrundlage – deswegen auch das Eilbedürfnis bei diesem Gesetzesvorhaben –, auf der dann solche Fragen geregelt werden können.

Die Volkskammer beschloss das Kommunalvermögensgesetz sodann bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung. Die Abgeordneten wussten, wie der Ablauf zeigt, genau, was ihre eigene Regierung vorhatte – und was sie nicht wollten: den Komplettverkauf des Energieversorgungsvermögens an die Westkonzerne.

Dieser Widerstand zeigte sich auch in der weiteren gesetzgeberischen Arbeit der Volkskammer. Es wurde unter dem 25.7.1990 eine erste Durchführungsverordnung zum Kommunalvermögensgesetz beschlossen, die Eigentumsüberführungsverfahrensordnung. Dazu erließen der Wirtschaftsminister und der Minister für regional und kommunale Angelegenheiten Empfehlungen zu den Anträgen zur Überführung volkseigenen Vermögens in das Eigentum der Gemeinden, Städte und Landkreise, wo auf § 4 Abs. 2 des Kommunalvermögensgesetzes Bezug genommen wurde, wo die „ehemals volkseigenen Anteile“ erwähnt sind. Zur Erläuterung hieß es jetzt: „In diesen Fällen können die Gemeinden, Städte und Landkreise entscheiden, ob sie die ehemals volkseigenen Anteile körperlich, z.B. zur Gründung von Eigenbetrieben oder Eigengesellschaften, oder in Form von Kapitalanteilen übernehmen wollen. Die Art und Weise der Übernahme ist in den Anträgen zur Übertragung des Vermögens auszuweisen.“ Damit war eigentlich alles Wichtige geregelt.

Vom Stromkartell zur Energiewende

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