Читать книгу Vom Stromkartell zur Energiewende - Peter Becker - Страница 30
8. Weiteres Festhalten des Staates am Weg
ОглавлениеDie Bundesregierung hielt vielmehr an der Entrechtung der Kommunen fest. So wurden die Verfahrensvorkehrungen beseitigt, mit denen die Volkskammer versucht hatte, die Verfahren zur Vermögensübertragung zu regeln. Durch den Einigungsvertrag war die Eigentumsüberführungsverfahrensordnung zum Kommunalvermögensgesetz vom 25.7.1990 nicht übernommen worden. Außerdem fehlten Regelungen über das Verwaltungsverfahren zur Vermögenszuordnung gem. Art. 21, 22 Einigungsvertrag. Daher erließ der Bundesgesetzgeber unter dem 22.3.1991 das „Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz – VZOG)“.
Mit dem Gesetz wurde zum einen § 7 Kommunalvermögensgesetz aufgehoben; und damit die Zuständigkeit des Präsidenten der Treuhandanstalt für die Entflechtung und Zuordnung des kommunalen Vermögens für die Energieversorgung, außerdem das Auskunftsrecht der Kommunen gegenüber dem Regionalversorger, das mit dem ersten Ergänzungsgesetz zum KVG zum Bestandteil des § 7 gemacht worden war.
Ein zweiter Eingriff betraf die Vorschriften zur Naturalrestitution in Art. 21 und 22 des Einigungsvertrags. Es wurden unterschiedliche Zuständigkeiten für die Verteilung des Verwaltungsvermögens, das für die kommunalen Aufgaben erforderlich war, sowie das Finanzvermögen in Form von Kapitalbeteiligungen geschaffen. Für die Kommunen bedeutete das Hürden über Hürden, weil unklar war, welche übergeordnete Behörde auf der Basis welcher Formulare anzugehen war. Diese systematische Verunklarung war schon im Infodienst Kommunal vom 16.11.1990 mit seiner Arbeitsanleitung zur Übertragung des kommunalen Vermögens vorbereitet worden. Dort wurden das Verwaltungs- und das Finanzvermögen erklärt. Eine empfindliche Einschränkung wurde aber gerade für das energiewirtschaftliche Versorgungsvermögen getroffen. Danach gab es keinen Herausgabeanspruch, wenn das Vermögen des betroffenen Unternehmens empfindlich beeinträchtigt würde; in solchen Fällen könne nur Entschädigung verlangt werden. Dabei berief sich der Infodienst Kommunal auf eine gemeinsame Erklärung nach Anlage III des Einigungsvertrags, die von diesen Fällen gar nicht gesprochen hatte, sowie auf „Rechtsgedanken“ verschiedener Gesetze – und gerade keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen.
Diese Verunklarungen setzten sich in den gerichtlichen Eilverfahren fort, mit denen Sicherungen gegen den Abgang kommunalen Versorgungsvermögens erreicht werden sollten. Zuständig waren die neu geschaffenen Kreisgerichte, in denen abgeordnete Richter aus der Zivil-, der Verwaltungs-, der Arbeits- und der Finanzgerichtsbarkeit aus den alten in die neuen Bundesländer als Einzelrichter zuständig waren. Diese nahmen nur zu gern die von der Treuhandanstalt ins Spiel gebrachten Bedenken an der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Gerichte auf. Den Vogel schoss ein Richter ab, der die erste Verhandlung über ein solches Eilverfahren am 24.6.1991 beim Kreisgericht Schwerin anberaumt hatte. Ich betrat den Gerichtssaal deutlich vor Terminsbeginn, wo der Richter gerade mit dem Aufbauen seines Diktiergeräts beschäftigt war. Er erklärte mir beiläufig, dass er in allen entscheidenden Fragen – sachliche Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Anspruch der Kommunen auf das Versorgungsvermögen – der Auffassung der Treuhandanstalt war; vor Antritt der mündlichen Verhandlung! Ich riet den Beschäftigten der Schweriner Kommunalverwaltung, um deren Ansprüche es ging, den Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Das wurde von ihnen aber rigoros abgelehnt: Doch nicht im ersten Gerichtsverfahren, das sie überhaupt zu bestreiten hatten! Es kam wie es kommen musste: Der Richter schlug sich in allen Fragen auf die Seite der Treuhandanstalt – und das vor den feixenden Justitiaren aus den Konzernen und den Bezirks-EVU, die wissen wollten, welche Chancen die Kommunen hätten. Ich nahm den Antrag zurück, um eine schriftliche Entscheidung zu vermeiden. Zu Hause angekommen, war mir der nächste Schritt klar und dessen Konzeption fertig.