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6. Netznutzung: Viel Bürokratie und wenig Wettbewerb

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Eigentlich hatte der Wettbewerb beim Strom so schön angefangen: Nicht nur Yello, VASA, ENRON, Zeus, Riva, Best Energy traten an. Vielmehr gründeten auch E.ON mit der Marke E-WIE-EINFACH und RWE mit der Marke Eprimo Töchter zur Belieferung vor allem von Haushalts- und kleinen Gewerbekunden. Aber die Mehrzahl der Newcomer verschwand sehr schnell wieder vom Markt. Die Gründe waren mit Händen zu greifen:

 – Der Netzzugang musste in vielen Fällen erst vor Gericht erstritten werden107;

 – wegen der fehlenden Rechtsverordnung über die Gestaltung der Netznutzungsverträge gemäß § 6 Abs. 2 EnWG konnte jeder Netzbetreiber die einschlägigen Verträge autonom gestalten, was die Händler wiederum zwang, in monatelangen Verhandlungen Verträge für oft nur wenige Kunden auszuhandeln;

 – oft wurden auf Basis des sogenannten „Doppelvertragsmodells“ Verträge des Netzbetreibers sowohl mit den neuen Lieferanten als auch mit den Endkunden verlangt;

 – verlangt wurden auch Wechselentgelte, also Entgelte für das Handling des Versorgerwechsels;

 – Kritikwürdig waren aber vor allem die Netznutzungsentgelte, die Spreizungen von bis zu 300 % aufwiesen und insgesamt überhöht waren, obwohl sie angeblich alle auf dem Kalkulationsleitfaden zur Verbändevereinbarung VV II und VV II plus basierten.

Die FAZ vom 27.4.2001 titelte in einem Bericht über die Newcomer: „Wir werden von den Versorgern schikaniert.“ Yello-Geschäftsführer Zerr108 behauptete: „Die Regierung schützt die Monopole.“ Selbst EnBW-Chef Goll bemängelte die Verbändevereinbarung und verlangte ein verbindliches Regelwerk und eine staatliche Regulierungsinstanz.109

Dazu noch folgendes Schmankerl: Beim Bundeswirtschaftsministerium war zur Beschwichtigung der Kritik eine „task force Netzentgelte“ eingerichtet worden; Leiter: Der vormalige Vorsitzende der 8. Beschlussabteilung beim Bundeskartellamt Schultz. Wie jedoch der Focus am 5.8.2001 meldete, waren allein drei Mitglieder der task force von großen Energieversorgern ausgeliehen und würden weiterhin von den Unternehmen bezahlt. Das Wirtschaftsministerium begründete diese Organisation der Aushilfe damit, dass die Haushaltslage nur wenige neue Ministeriumsstellen zulasse.

Die Kartellbehörden bemühten sich redlich110, die Missstände abzustellen. Mit ihrem System der Ex post-Kontrolle musste aber jeder Einzelfall aufgegriffen werden. Der Angriff auf die Kalkulationsgrundsätze der Verbändevereinbarung111 scheiterte vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.112 Das OLG meinte, das Bundeskartellamt sei im Rahmen der Missbrauchsaufsicht nicht befugt, irgendeine Kalkulationsmethode vorzuschreiben. Die Preisfindungsprinzipien der VV II plus seien ein „taugliches und betriebswirtschaftlich vertretbares Konzept zur Preiskalkulation“. Im juristischen Schrifttum wurden daher seit dem Jahre 2001113 die Effekte des verhandelten Netzzugangs kritisch beleuchtet und eine Regulierung gefordert.

Vom Stromkartell zur Energiewende

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