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12. Was blieb den Konzernen?

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Eine Menge: Der Verbundteil der Stromverträge, der vom Stromstreit gar nicht berührt war, garantierte den Konzernen die unumschränkte Herrschaft in den neuen Bundesländern. An der Vereinigten Energie AG (VEAG) hatten sich die VEBA – Konzernmutter der PreussenElektra AG – mit 26,25 % und die VIAG – Konzernmutter des Bayernwerks – mit 22,5 % beteiligt. Daneben hielt RWE eine Beteiligung von 26,25 % und die Energiebeteiligungs-Holding (bestehend aus BEWAG, HEW, VEW und EnBW) eine Beteiligung von 25 %. Ihr gehörte das gesamte Höchst- und Teile des Hochspannungsnetzes in den neuen Ländern, mit einer Länge von 11.500 km machte es 29 % des Verbundnetzes aus, einiges mehr als das der RWE gehörende Netz, das 9.000 km lang war und 22 % des Verbundnetzes ausmachte. Dazu gehörten die riesigen Braunkohlekraftwerke Boxberg, Jänschwalde, Lippendorf u.a., mit einer Erzeugung von 77,1 TWh, die 21,2 % der deutschen Gesamtmenge ausmachte. Das war zwar deutlich weniger, als das RWE mit seiner Erzeugung von 120,4 TWh = 33,1 % der Erzeugung im Westen in Händen hatte, aber doch ein beträchtlicher Zuwachs. Dazu kamen die Stromlieferverträge mit den Regionalversorgern und mit den Stadtwerken, die der VEAG den Absatz ihres Braunkohlestroms garantierte; und zwar im Grundsatz in einem Umfang von 70 % des Bedarfs der Abnehmer. An der VEAG waren schließlich auch die fünf kleineren Verbundunternehmen beteiligt, nämlich Badenwerk, Energieversorgung Schwaben (EVS), BEWAG, HEW und VEW, und zwar über ihre Gesellschaft für Energiebeteiligung mbH mit einem Kapitalanteil von 25 %. Damit stellten die Machtverhältnisse an der VEAG praktisch ein Spiegelbild der westdeutschen Konzernlandschaft dar.

Für die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke waren die Braunkohlevorkommen in Brandenburg und Sachsen wichtig, die von der Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) gehalten wurden. An der LAUBAG waren die sieben westdeutschen Verbundunternehmen wie folgt beteiligt: PreussenElektra 30 %, Bayernwerk 15 %, BBS-Braunkohle-Beteiligungsgesellschaft mBH 55 %. An ihr war wiederum die Energiebeteiligungs-Holding mit 18,2 %, die RheinBraun AG, eine Tochtergesellschaft der RWE, mit 71,8 % und die RWE Energie mit 10 % beteiligt. Damit war die LAUBAG der größte Braunkohleproduzent in Ostdeutschland und bildete als Vorlieferantin der VEAG wirtschaftlich eine Einheit mit ihr.

Eine Gesellschaftskonstruktion, die praktisch das westdeutsche Stromkartell auf die neuen Bundesländer übertrug, musste natürlich das Bundeskartellamt auf den Plan rufen. Das Bundeskartellamt wurde aber mit denselben Argumenten überzeugt, mit denen die Konzerne die Bundesregierung überzeugt hatten: Für die Aufrechterhaltung der Stromversorgung in den neuen Ländern bedürfe es des Sachverstandes der Konzerne, der insbesondere in der Braunkohle-Expertise der RWE AG konzentriert war, um es „im Winter 1990/91 nicht ziemlich kalt werden zu lassen in den neuen Ländern“. Argumentativ war der Rücktrittsvorbehalt auch im Verbundteil der Stromverträge von großer Bedeutung. Die Konzerne pochten darauf: Wenn sie die VEAG nicht zu den Konditionen erwerben konnten, wie sie sie auch im Westen vorfanden, wollten sie nicht bei der Stange bleiben – behaupteten sie zumindest. Der Bund, dem in der kurzen Zeit zwischen dem Abschluss der Stromverträge im August und dem Einigungsvertrag, unterzeichnet am 3.10.1990, kaum zwei Monate für die Verhandlung mit den Konzernen verblieb, übte daher denselben Druck auf das Bundeskartellamt aus wie auf die Konzerne, dem letztlich nur die Zustimmung blieb.

Dasselbe galt auch für den Regionalteil der Stromverträge. Die Regionalversorger mussten zwar sukzessive das Stadtwerksvermögen herausgeben. Ihnen blieb aber die eigentliche Regionalversorgung sowie die kommunale Versorgung in den Gemeinden, die keine Konzessionsverträge mit Ausstiegsklausel hatten. Damit ergaben sich die folgenden Beteiligungsverhältnisse:

 – PreussenElektra: Hanseatische Energieversorgungs AG in Rostock (HEVAG), Energieversorgung Müritz-Oderhaff AG in Neubrandenburg (EMO), Mecklenburgische Energieversorgung AG mit Sitz in Potsdam (MEVAG), Energieversorgung Magdeburg AG mit Sitz in Magdeburg (EVM);

 – RWE: Energieversorgung Spree-Schwarze-Elster-AG mit Sitz in Spremberg (ESSAG), Oder-Spree-Energieversorgung AG mit Sitz in Frankfurt/Oder (OSEAG), Westsächsische Energieversorgungs AG mit Sitz in Markkleeberg bei Leipzig (WESAG), Energieversorgung Südsachsen AG mit Sitz in Chemnitz;

 – Bayernwerk: Energieversorgung Nordthüringen AG mit Sitz in Erfurt (ENAG), Ostthüringer Energieversorgung mit Sitz in Jena (OTEV), Südthüringer Energieversorgungs AG mit Sitz in Meiningen (SEAG);

 – VEW: Mitteldeutsche Energieversorgungs AG mit Sitz in Halle (MEAG);

 – HEW: Westmecklenburgische Energieversorgungs AG mit Sitz in Schwerin (WEMAG);

 – EVS und Badenwerk: Energieversorgung Sachsen mit Sitz in Dresden (ESAG);

 – BEWAG: Energieversorgung Berlin AG (EBAG).

Besonders geschickt war das Bayernwerk vorgegangen, das mit seinem Kompromissvorschlag bei der Braunkohleklausel in den Verhandlungen zum Stromvergleich ausgeschert war. Das Bayernwerk hatte frühzeitig erkannt, dass der Stromvergleich nicht zu verhindern war, und sich deswegen auf die Thüringer Stadtwerke zubewegt. Das hat dazu geführt, dass sich die drei Thüringer Regionalversorger, die das Bayernwerk später zur Thüringer Energie AG fusionierte, an fast allen Thüringer Stadtwerken beteiligen konnten. Da die Beteiligungsbemühungen auch bei den Gasversorgungen ähnlich erfolgreich waren, wurde praktisch die gesamte Thüringer Energiewirtschaft – mochte sie regional, mochte sie kommunal sein – ein „Erbhof“ des Bayernwerks. Das war dem Wettbewerb nicht gerade förderlich. Dennoch sind Bemühungen struktureller Art des Bundeskartellamts, dem zukünftig möglicherweise kommenden Wettbewerb eine Chance zu belassen, etwa durch Verhinderung der zahlreichen Stadtwerksbeteiligungen, nicht bekannt geworden.

Vom Stromkartell zur Energiewende

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