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1. Einführung

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Für die Interpretation und Anwendung der Wettbewerbsregeln, insbesondere für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale, welche die Sachverhalte umschreiben, auf die sie sich beziehen, ist das Verständnis einiger grundlegender ökonomischer Konzepte unerlässlich. Wettbewerbsrechtliche Regelungen betreffen Vorgänge, deren Sinn in ökonomischen Kategorien erschlossen werden muss, bevor sie rechtlich bewertet werden können. Der dafür einschlägige Zweig der Volkswirtschaftslehre ist die Mikroökonomik, die das Verhalten von Marktteilnehmern als Reaktion auf bestimmte marktbedingte Anreize (vor allem in Form von Preisen) analysiert. Insbesondere ist das Verhalten der Marktteilnehmer nicht unabhängig von der jeweiligen Marktstruktur. Ein Monopolist verhält sich aufgrund der Anreize, denen er ausgesetzt ist, anders als ein Unternehmen, das in einem polypolistischen Markt mit dem Wettbewerb einer Vielzahl von Konkurrenten konfrontiert ist. Entsprechend unterschiedlich ist die Situation der Marktteilnehmer auf der jeweiligen Marktgegenseite im Hinblick auf die alternativen Geschäftsabschlussmöglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen und zwischen denen sie wählen können. Solche Verhaltensunterschiede führen jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Verteilung der Ressourcen und damit auf die Allokationseffizienz. Die Mikroökonomik beschäftigt sich seit langem mit den Beziehungen zwischen Marktstrukturen, dem Verhalten von Unternehmen und den daraus resultierenden ökonomischen Ergebnissen.

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Zu analytischen Zwecken verwendet die Mikroökonomik Modelle, die solche Zusammenhänge widerspiegeln. Ausgangspunkt ist dabei das Modell des homo oeconomicus. Es unterstellt, dass die Marktteilnehmer sich stets in dem Sinne rational verhalten, dass sie entsprechend ihren Präferenzen zielgerichtet ihren Nutzen maximieren und zwar aufgrund vollständiger Information. Die Tatsache, dass sich die Marktteilnehmer in Wirklichkeit häufig über ihre Präferenzen keineswegs im Klaren sind, dass sie in der Regel nicht über vollständige Informationen verfügen und unter Unsicherheit entscheiden müssen, so dass allenfalls von eingeschränktem Rationalverhalten (bounded rationality) gesprochen werden kann, wird im Modell ebenso ausgeblendet wie die Existenz von Transaktionskosten. (Auf die Relevanz dieser Gesichtspunkte, mit denen sich die Verhaltens-, Transaktionskosten- und Institutionenökonomik beschäftigt und die die Gültigkeit der aus den mikroökonomischen Modellen abgeleiteten Schlussfolgerungen relativieren können, ist weiter unten zurückzukommen, siehe Rn. 311 ff.). Dennoch ist die Modellbildung für das Verständnis der Realität unerlässlich.

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Der Sinn mikroökonomischer Modelle besteht ausschließlich darin, grundlegende Zusammenhänge aufzudecken und zu verstehen. Es geht nicht um die Beschreibung konkreter Marktsituationen. Davon wird gerade abstrahiert, um verallgemeinerungsfähige Aussagen treffen zu können. Denn das Verstehen der Realität setzt eine Theorie voraus, die in der Lage ist, überprüfbare Hypothesen zu generieren. Nur mit ihrer Hilfe sind konkrete Marktsituationen überhaupt in relevanten Kategorien zu erfassen, und zwar gerade auch hinsichtlich ihrer Abweichungen vom Modell.[9] Es ist eine andere Frage, inwieweit mikroökonomische Erkenntnisse sich auch normativ im Sinne wettbewerbspolitischer Empfehlungen verwenden lassen. Je robuster, dh unempfindlicher gegenüber unterschiedlichen Fallgestaltungen, die Prämissen sind, von denen die ökonomischen Modelle ausgehen, desto eher haben auch die daraus abgeleiteten Empfehlungen normative Überzeugungskraft.

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht

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