Читать книгу Pepi, lass mi eine ...! - Peter Elstner - Страница 15
Da legst di ins Wassa
ОглавлениеEine Geschichte erzählte meine Mutter, als ich sie über meinen Vater, den ich ja kaum gesehen hatte, ausfragte.
»Dein Vater war nicht nur Soldat in der deutschen Wehrmacht, sondern auch Springreiter«, so meine Mutter, leise lächelnd, »er ritt Turniere, und als wir uns kennenlernten, hat er mir so viel von seinen Pferden und vom Springreiten erzählt, dass ich neugierig wurde und ihn gern auf einem Pferd springen gesehen hätte. Als ich ihn fragte, wo er wohl hoch zu Ross zu sehen sei, schlug er gleich einen Treffpunkt vor – im Prater, beim Café neben der Jesuitenwiese, könne er vorbeikommen, auf seinem Lieblingspferd, einer weißen Stute …« – »Sehr brav, ruhig, aber schnell zwischen den Hindernissen, kein Problempferd«, wie er Mutter erklärte.
Da saß also Mama auf der Terrasse des Cafés, dem Constantinhügel, blickte über den Teich und zum Wald hin – und da kam der stolze Reiter – mein Vater …
Mama: »Er ist nicht den Waldweg am Ufer zu mir geritten – er wollte, glaub ich, angeben, mir zeigen, wie gut Pferd und Reiter waren, ist also durch den ziemlich flachen Teich auf mich zugeritten. Doch mitten im Teich hat sich sein Pferd einfach niedergelegt und im Wasser gewälzt, fast wäre er unter die Stute geraten – er musste abspringen und mit seinen schönen Reiterstiefeln ins Wasser steigen und dann wieder aufsitzen. Aber das hat ein bisschen gedauert. Und das vor allen Leuten auf der Kaffeehaus-Terrasse. Aber er hat’s gut überspielt, und ich hab mich erst zu lachen getraut, als er daheim die Stiefel auszog und das Wasser nur so herauslief. Was mir gefiel: Er hat dann mitgelacht …«
Noch eines – für mich immer ein wirklich ungutes Gefühl hervorrufend: die Besuche des »Vertrauensmannes« des Hauses Siebenbrunnenfeldgasse 16 (einer, an den sich Mieter voll Vertrauen mit ihren Sorgen im Krieg wenden sollten):
»Der ist immer schaßfreundlich«, klärte mich Mama auf, wenn er zu uns kommt, weil er erfahren will, was wir tun, was wir denken, ob wir Essen gehamstert haben (Mutti verkaufte oft Schmuck, um bei Hamsterfahrten in der ländlichen Umgebung Wiens Erdäpfel, Schmalz oder Butter, wenn’s gut ging, etwas Schinken um sündteures Geld erstehen zu können). Ich war unterernährt.
Dennoch sah ich seinem Besuch einmal in der Woche interessiert entgegen, weil der klein gewachsene, immer grau gekleidete, verwitwete Brillenträger kleine Figuren verkaufte, die Geschöpfen aus »Grimms Märchen« nachgebildet waren. Und ich hatte schon eine kleine Sammlung. Mutti kaufte mir immer die neuen Figuren – ich hatte Freude, der »Graue« seine Einnahmen, die der Wehrmacht abgeliefert wurden, er konnte dem Geheimdienst sagen, dass da auf Türe 4 eine »deutsch-treue« Restfamilie lebte, der Vater an der Front weiter für den »Führer« Dienst tat … Dennoch spürte ich: Es war eigentlich reine Erpressung. Hätte meine Mutter keine Figuren gekauft – sie hätte bestimmt eine schlechte Nachrede gehabt durch den »Vertrauensmann«! Vaterlandsverräter war man da bald.
Irgendwie spürte ich auch, dass der »Vertrauensmann« meiner Mutti »nachstieg« – die war ja schon eine Weile allein, weil eben mein Vater zuerst in Frankreich, dann in Russland an der Front war.
Aber später kam ich drauf, einer, von dem Mutti sagt, er sei »schaßfreundlich«, hätte nie eine Chance gehabt, sie blieb dem Grauen gegenüber immer – heute würde man sagen: »cool«.
Bis zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben – keine Idee von Sport, Fußball etc.