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3 Einleitung zur Titelgeschichte

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Ein Phänomen, das zu den menschlichen Sonderbarkeiten zählt, ist die Tatsache, dass ein großer, aber normaler Erfolg nicht immer so viel Aufsehen erregt wie das Misslingen einer Aktion.

Dies ist auch der Nährboden für den Titel dieses Buches. Da will einer die Freude einer Mannschaft über einen großen Erfolg durch das Fernsehen der Öffentlichkeit näherbringen, aber eine verschlossene Türe lässt ihn scheitern. Das Negative hat in diesem Fall das Positive besiegt. Wer würde sich noch an das entscheidende WM-Qualifikationsspiel Österreich gegen DDR, trotz der drei Tore von Toni Polster, erinnern, wenn nicht ein Reporter live auf Sendung am Versuch in die Kabine der Österreich zu gelangen, ausgesperrt geblieben wäre.

Das Scheitern brachte also mehr Popularität als eine »normale« Reportage. Das ist schon ein seltsames Wunder unserer Gesellschaft.

Das wird durch einige andere Episoden unterstrichen:

Hermann Maiers Sturz bei den Olympischen Spielen in Nagano 1998: Dieser Abflug machte ihn zum »Herminator«, also noch größer und populärer, als er ohnehin schon war. Carl Yarbrough, der Fotograf, dem als Einzigem die Aufnahme mit »Flying Hermann« gelungen war, wurde damit nicht nur weltberühmt, er hat dadurch auch finanziell ausgesorgt, wurde zum Millionär.

Seltsamerweise kommt der nächste Beweis dieser These, ein Ereignis, das einen negativen Touch hat, wieder aus dem Alpinen Lager: Die Disqualifikation von Karl Schranz 1972 in Sapporo erregte noch mehr Aufsehen als der Sturz des Herminators – eine ganze Nation fühlte sich verraten und um Gold betrogen.

»Jo, san die denn deppert, oder wos – hearst? Wo san die die Offn – hearst?« Ein verzweifelter Rudi Mitteregger auf der Soloabfahrt vom Gaberlpass, als er auf der 3. Etappe bei der Österreich-Rundfahrt 1974 erfolgreich ausgerissen und mit einem großen Vorsprung unterwegs war, als er hinten einen »Patschn« hatte und kein Servicewagen in der Nähe war. »Des is ja a Wahnsinn, hearst. De Trotteln!«, mit schriller Stimme – durch diese Eindringlichkeit konnten sich die TV-Zuschauer in seine Lage noch mehr hineinfühlen. Erst nach drei endlos anmutenden Minuten wurde er aus seiner furchtbaren Lage befreit, als der Servicewagen mit einem Ersatzrad kam. Rudi gewann die Rundfahrt trotzdem. Was von diesem Rennen in Erinnerung blieb: Sein verzweifeltes, rumpelstilzhaftes Auf- und Abspringen am Straßenrand mit dem ausgebauten Hinterrad in der Hand. Ein »normaler« Toursieg wäre schon nach ein paar Tagen vergessen gewesen …

Das nächste Beispiel kommt aus dem Nordischen Lager und ereignete sich in den 1980er Jahren. Da faszinierte ein Mann, aber …

Er war unschlagbar. Er hatte den Weltcup gewonnen, die Vierschanzen-Tournee, auf fast allen Schanzen, die er bewältigte, Rekorde erzielt und – er war 1988 auch gerade auf dem besten Weg Richtung Olympische Spiele in Calgary (Kanada):

Matti Nykänen, ein Genie auf Skisprung-Latten – aber nicht nur beim Skispringen. Einer, der alles allein mit seinem Gefühl machte, und dazu eine – allen anderen fehlende – Sensibilität für die Flugphasen, vom Absprung bis zur Weitenjagd der Endphase, hatte, was sein Genie ausmachte. Leider ist er viel zu jung, im Februar 2019, vom höchsten aller Sprungrichter in den Skisprunghimmel abberufen worden.

Die Nummer Eins war er aber auch, wenn er nicht auf der Schanze auftrat, ein »gottbegnadeter Ziaga«, wie es so schön in unseren Breiten heißt, trinkfest und streitlustig, immer zu einer Rauferei bereit. Noch eine Nummer Eins hatte er sich umgehängt: den großen Schweiger. Es war schwierig, von ihm ein Interview zu bekommen, und wenn, dann gab er noch kürzere Antworten (wenn’s ging nur »ja« und »nein«) als sein Landsmann Janne Ahonen.

Er gewann in Calgary alles – drei Goldmedaillen! Er war sicher der größte Star dieser Spiele –doch halt! Ein kleiner, eher unsportlich wirkender Brillenträger, für England akkreditiert, hatte als Skispringer mehr Aufmerksamkeit, mehr Schlagzeilen erhalten als Matti Nykänen.

Eddie the Eagle, der »Adler« deshalb, weil er entdeckt hatte, dass er bei Olympischen Spielen im wahrsten Sinn des Wortes »mithüpfen« könnte, weil es noch keine Qualifikation gab. Normalerweise entschieden jeweils die Trainer, wer springen durfte – und Eddie hatte ja keinen!

Eddie war bei seinem nationalen Skiverband gemeldet, hatte erst in Teenager-Jahren auf einem Hügel bei Gloucester Skifahren gelernt und tauchte auf einmal als Aktiver beim Training auf. Ein Scharlatan, ein Till Eulenspiegel des Skisprungs. Mit seiner, wie ich glaube, wohlüberlegten Absurdität (eigentlich warteten alle, dass er einen gröberen Bretzn reißen würde), weitsichtig, mit dicken Brillen, altem Material, schwer verständlichem Mut, lenkte er alle mediale Aufmerksamkeit auf sich, vom Mistelbacher Boten bis zur New York Times. Und die Fans feierten ihren Helden.

Und obwohl er mit riesigem Abstand jeweils Letzter wurde, machte er mehr Schlagzeilen als der finnische Tripple-Olympia-Sieger Matti Nykänen. »Das darf ja nicht wahr sein«, so dachte Walter Hofer, der FIS-Verantwortliche, und das führte später zur Qualifikation von 50 Teilnehmern im 1. Durchgang und 30 im Finale.

P. S.: Trotz seiner sportlichen Narretei bekam er mit, dass mit seinen Auftritten auch Geld zu verdienen war, und er hat damals dem Vernehmen nach mit seinen Einlagen rund 400 000 Pfund verdient. 2016 wurde seine Lebensgeschichte sogar verfilmt: »Eddie the Eagle«. Alles ist möglich.

Unter diesem Aspekt, diesem Phänomen, dass Niederlagen, Pech, Schicksalsschläge oder auch eigenartige Zufälle oft mehr Bekanntheit nach sich ziehen als der normale Erfolg, habe ich diesem Buch seinen Titel gegeben.

Ihr Peter Elstner

Pepi, lass mi eine ...!

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