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Ich laufe an der Nichtzeit entlang

Villefranche-sur-Mer, Frankreich

Ich schaue von unten auf den kleinen pittoresken Balkon, mit seinem grünen Geländer, die Schiebetüren hinter den grünen, leicht geöffneten Lamellenläden sind weit geöffnet, salzige Luft streicht durch die Räume, es ist warm. Von unten kann ich deutlich die Stühle auf dem kleinen, grünen, schmalen Balkon mit den lustigen geflickerten Kacheln, den italienischen, und den kleinen grünen Tisch erkennen. Eine leise, melancholische Stimmung beschleicht mich unausweichlich.

So laufe ich unten am Wasser ganz dicht an den gelben Kugellampen entlang, an denen ich neulich gerne gestanden hätte, mit Andra, die mir so vertraut ist. Nun komme ich mir doch etwas verloren vor, hier unten am Wasser, so dicht an den gelben, runden Kugellampen. Dort wo die Schäkel an die Masten klicken. Sie tun es noch. Die Lampen leuchten jetzt nicht mehr. Es gibt nichts mehr zu beleuchten, was ihnen würdig wäre, ins Licht gerückt zu werden. Auch sind da keine Mückenschwärme mehr zu sehen, die da taumeln und kreiseln, hüpfen und hupfen. Wahrscheinlich sind die kleinen Mücken gerade mit ihren Vorbereitungen für heute Abend beschäftigt. Sie putzen sich gerade adrett heraus, bemalen sich die Fußnägel, damit sie wieder in ganzen Gruppen hupfen und kreiseln, hüpfen und taumeln können, im gelben Schein der Kugelhafenlampen. Die Mücken ziehen wahrscheinlich gerade ihre kleinen Mückenausgeschuhe an und binden sie ganz arg fest zu, damit sie sie nicht verlieren, wenn sie wieder um die gelben Kugelhafenlampen hüpfen und hupfen, taumeln und zicken. Sie schnallen sich ihre kleinen Mückenrucksäcke auf den Buckel, in dem sie die Vesperbrote eingepackt haben und auch eine kleine Mückenthermoskanne. Einige, und es sind nicht wenig, machen gerade in einer Mauerritze unten am Pier ein kleines Schläfchen und ruhen sich einfach ein wenig von ihren Strapazen aus, müde – von dem ewigen Hin- und Herfliegen. Dem dauernden Zicken und Taumeln, dem Hupfen und Hüpfen, das kann schon ganz schön anstrengend sein. Mit dem schweren Mückensturzhelm und all dem Gepäck. Da sitzt nun die kleine Mücke in der Mauerritze und macht eine wohlverdiente Mückenpause, sie ist schläfrig und ruht sich einfach aus.

So verloren komme ich mir jetzt vor. Da macht sich heimlich, still und leise, und doch so laut, eine feuchte, klamme, kalte Einsamkeit in mir breit, dass ich es ihr eigentlich nicht erlauben würde. Aber ich kann mich ihrer nicht erwehren, ihr nicht ausweichen, unerbittlich steigt sie langsam, behutsam und vorsichtig in mir empor. Sie ergreift Besitz. Unerbittlich ist die unbeugsame Einsamkeit, der ich nicht entkommen kann. Ich kann einfach nicht vor ihr flüchten.

Es ist eine Einsamkeit, in der die Zeit davonzulaufen scheint, in ganz arg schnellen Schritten - ich bekomme das Gefühl, ich stehe hier und die Zeit rast an mir vorbei und ich bin ihr völlig schutzlos ausgeliefert. Bewegungslos, fast erstarrt, stehe ich hier am Pier und starre auf die kleinen, sanften Wellen auf der fast glatten Oberfläche des Wassers. Die gelben Kugellampen machen nur weiche, sanfte, kleine Bewegungen auf dem Wasser. Das Klicken der Schäkel an die Masten ist nur noch ab und zu zu vernehmen, das Tempo hat sich deutlich verlangsamt. Auch ist das Klacken der Seile auf den Booten nur noch gelegentlich zu vernehmen.

Das Nachdenkliche scheint mich erdrücken zu wollen in einem so kurzen Leben. Ich schreie laut. Spätestens jetzt ist auch die letzte Mücke aus ihrem Ruheschlaf gerissen worden.

So übermächtig machtvoll höre ich jetzt mein Herz schlagen, bumbum, bumbum, bumbum, bumbum, bumbum. Es ist arg still um mich herum, ich kann mich nur noch selbst hören, ein Moment der Ewigkeit? Schweigen - Schweigen - Schweigen!

Als ich weiter an der Nichtzeit entlanglaufe, merke ich, dass dort, wo ich laufe, gar keine Laternenlampen mehr stehen, die da eigentlich scheinen sollten, mit ihrem gelben, runden Kugellampenschein. Jetzt beschleicht mich auch noch eine leise, laue Melancholie, heimlich, leise kriecht sie ganz vorsichtig in mir hoch, um mich ja nicht zu berühren, kriecht sie vorsichtig und leise in meinen Körper hinein und breitet sich vorsichtig, aber machtvoll, langsam, unnachgiebig in mir aus, so als sollte ich es zunächst gar nicht merken, von ihr in Besitz genommen zu werden, heimlich erobert zu werden.

So dicht an dem Salzigen, das leise und sanft an die Hafenmauer klopft, hatte ich mich nicht ein bisschen anlehnen wollen an die runden, orangegelben Kugellampen am Pier? Wollte ich mich nicht ein bisschen geborgen fühlen? Behaglich fühlen wollen und Kraft für Kommendes schöpfen, es gelingt mir nicht. Wollte ich nicht den Duft der fein gebratenen Fische und Krabben einatmen, den Stimmen und Stimmchen lauschen, die da alle so fröhlich und ausgelassen plappern und schnattern und plappern und schwatzen, Schwitziges und Geschwätziges plappern.

All diese Soßen riechen und das Gegrillte, das da so aus der Küche dampft, all diese Gerüche, wunderbar. Fischbraten, Muschelduft und Krabbenduft in geborgener Nähe des Gewohnten, grün und rot, lila und hellrot, violett und zitronengelb.

Unten auf der Kopfsteinpflasterstraße, dort unten wo die orangegelben, runden Hafenlaternen stehen und man das leise, sanfte Rauschen des Meeres hören und spüren kann, dort wo die Laufrollen der Boote an die Masten klicken und klacken, hölzern und metallisch, dort, wo die Lichter so lustig auf dem Wasser tanzen, orangerot und hellgelb. Dort, wo sich leise Stimmen unter Stimmen mischen, manchmal lauter, fröhlich lachend und schwatzend und plappernd, dort, wo auch etwas Musik in der Ferne zu hören ist. Von den Musikern, dem Gitarrenspieler und dem Saxophonspieler, dort, wo die Mücken so lustig hupfen, kreiseln und zacken, zicken und ticken, taumeln und baumeln in den Spinnennetzen, die sinnvollerweise in der Nähe des Lichts installiert wurden, in seinem behaglichen Schein, da ist jetzt niemand mehr, dort unten ist alles leer, menschenleer, es ist alles sehr einsam und still, da unten. Verloren sieht es aus. Oh, diese bezaubernde Stille. Oh, diese stillste Stille der Stille.

Ich schreie laut. Ich glaube, ich war eben sehr unhöflich zu all den erschöpften und müden Mücken, all den schlafenden Arbeitern und den schlafenden Spinnen gegenüber, die morgens schon so früh ihr Tagwerk beginnen müssen, aber in dieser Situation ist es mir gleichviel. Ich rufe laut: Andra. Die mir so offen mit ausgebreiteten Armen in mein Gesicht gelacht hat. Wo bist du? Du kannst doch nicht einfach so hinausschwimmen, das kannst du nicht. Komm jetzt gefälligst zurück. Hierher.

Verstehst du, hierher zurück. Sie versteht mich nicht, sie ist schon viel zu weit draußen auf dem Meer. Sie ist nur noch ein winziger, kleiner Punkt da draußen.

entre dos tierras

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