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So innig können sie miteinander tanzen

Villefranche-sur-Mer

Heute ist wieder so ein Tag, der mir vertraut ist. Es ist schon dunkel draußen, ich sitze draußen und denke an Denkwürdiges, längst Gedachtes. Denke an Dinge, die denkwürdig sind - in der Vergangenheit liegen, in mir liegen und längst Gegenwart sind. Der kleine Balkon wird immer schöner, pittoresker - mit seinen dunkelgrünen Lamellentüren und seinem italienisch diagonal geflickerten Kachelfußboden. Das verspielte Eisengeländer, fast Barock - ein heimliches Plätzchen, an dem gedacht wird, grün, manchmal braun, fast schon rot. Ja, schön ist das schon hier, ganz, ganz schön - dunkelblau, violett, fast schon rot.

„Pack your memories and leave“, tönt es im Hintergrund aus einer kleinen Quäke, die lieblich Gedachtes dahin quakt. „Girl, you must have been blind! La, la, la, di, da, di, da - try to look behind - oh girl, you must have been blind!“ Vielleicht möchte ich schon jetzt unter einer orangegelben runden Kugellampe stehen und ein Liebes zärtlich umarmen und küssen, in Gelb und in hellem Moosgrün. Da unten, so weit unter mir, so ganz dicht am Wasser, dem salzigen, den leisen Tönen, die es macht, Mauricio Kagel täte sein Übriges, um diese Melodie zu spielen, in seiner Weise. Vielleicht ganz, ganz vorsichtig mit hellgelber, leichter sanfter Hand durch die Haare streichen. Ganz so, dass es ein bisschen kitzelt, die Haare, die braunen oder blonden oder gar roten?

Hier unten am Pier, wo die orangegelben runden Hafenlampen hupfen und springen, hin und her, als könnten sie laufen, tanzen und singen. Auch hupfen und springen und tanzen die gelben Fensterscheiben lustig auf dem Wasser. Als wollten sie ein Tänzchen wagen mit den orangegelben, kugeligen Hafenlampen. Oder tun sie es? Tatsächlich - die gelben, rechteckigen Fenster der Häuser geben den orangegelben, kugeligen Hafenlampen die Hände und tanzen lustig miteinander. Es sieht ganz so aus, als hätten sie es gelernt, das mit dem Händehalten und dem Tanzen, die Rechteckigen mit den Runden. So innig können sie miteinander tanzen, dass einem ganz sinnlich wird. So lautlos, so still - die orangegelben, kugeligen Hafenlampen mit den gelben, rechteckigen Häuserfenstern. Ach! Hier hupfen und zucken, zirbeln und zacken, zicken und wippen die Mücken um die orangegelben, runden Hafenlampen mit ihrem behaglichen Schein. So als gäbe es hier richtig etwas zu feiern, eine so große Anzahl von hupfenden, taumelnden, zickenden und zackenden, zirbelnden und wippenden Mücken um jede dieser orangegelben, runden Hafenlampen.

Das sind ja richtige Mückenkonferenzen, Mückenkonzerte, wahre Massenmückenkonzerte, ticken und tacken da an all diesen Lampen, zack, boing, dong, zong, knack, plepp, plipp, plapp. Eine wahres Mückenkonferenzkonzert. Gott sei Dank haben all diese kleinen Mücken eine Schutzhelmpflicht dank des neuen europäischen Mückensicherheitsgesetzes, das sie dann bei all dieser Aufregung und dem Hin und Her und Her und Hin dann doch vor zu heftigen Aufprallern oder Zusammenstößen deutlich schützt.

Hier unten am Pier, bei all den Konferenzen, ein Liebes in den Armen halten, den feinen Flaum der Arme spüren, ganz, ganz fein, leicht hellgelb, so als ob es fast nicht wär’. Der Handrücken streicht vorsichtig über die Stirn, silbergelb. Finger berühren die Brauen und folgen ihrem Lauf, lila, über Schläfen und Wangen, hellblau, berühren die Lippen, folgen ihrem Lauf. Trotz oder gerade wegen all dieser Mückenkonferenzen ist es besonders schön hier.

Ganz arg vorsichtig tun sie es, zart, hell-violett, fein, ruhig. Schweigsam, lautlos, denn es gibt keine Worte, denen es erlaubt wäre, in dieser Gegenwart zu sprechen. Dazu ist die Gegenwart viel zu stark, viel zu mächtig, viel zu respektvoll.

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